Stresstest: Für schwere Krisen gewappnet

Europas Banken sind widerstandsfähig genug, um eine neue schwere Wirtschaftskrise zu überstehen. Auch Österreichs teilnehmende Banken hielten dem Krisenszenario stand, zeigen die Ergebnisse des jüngsten Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht (EBA).

Es war das bisher härteste Krisenszenario, das die europäische Bankenbehörde EBA im fiktiven Stresstest-Szenario angewendet hat – eine Verschärfung der geopolitischen Spannungen, begleitet von einem Wiederaufleben der Corona-Pandemie. Ein Einbruch der Wirtschaft, wachsende Arbeitslosigkeit, eine hohe Inflation, sinkende Immobilienpreise und ein Einknicken der Aktienmärkte sind die Folge. Höhere Kreditausfälle, geringere Provisionserträge und Marktschwankungen führen zu Verlusten und sinkenden Kapitalquoten der Banken. Stabilisierend wirkt hingegen das Nettozinsergebnis. Aber Europas Banken sind dem jüngsten Stresstest zufolge auch in einem solchen Negativszenario widerstandsfähig genug, um eine neue schwere Wirtschaftskrise zu überstehen. 

Im Detail ging die EBA von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung der EU-Staaten in den Jahren 2023 bis 2025 um insgesamt 6 Prozent sowie einer Zunahme der Arbeitslosenquote um 6,1 Prozentpunkte aus. Die Inflationsrate lag bis zu drei Prozentpunkte höher, als es sonst der Fall gewesen wäre. Mit solchen Tests wollen Bankenaufseher herausfinden, ob Banken auch unter widrigsten Umständen noch ausreichend Kapital haben, um ihre Geschäfte fortzuführen. Risiken in der Bilanz und Schwachstellen im Geschäftsmodell sollen möglichst früh offengelegt werden, damit rechtzeitig gegengesteuert werden kann.

Gut vorbereitet

Das zentrale Ergebnis des jüngsten Stresstests zeigt, dass Europas Banken jedenfalls gut auf eine potenzielle schwere Wirtschaftskrise vorbereitet sind. Die Finanzkonzerne könnten die Wirtschaft noch unterstützen. Die harte Kernkapitalquote (CET 1 fully loaded) würde in einem solchen Krisenfall (adverses Szenario) EU-weit von 15 Prozent Ende 2022 auf 10,4 Prozent Ende 2025 sinken. Damit schnitten die Banken jetzt sogar besser ab als noch im vorigen Test 2021. Die EBA begründete das mit höheren Gewinnen der Institute und einer höheren Qualität der Vermögenswerte zu Beginn des Tests Anfang 2023. 2021 lag die Reduktion der Kernkapitalquote bei 4,9 Prozentpunkten auf 10,2 Prozent. 

Insgesamt wurden 70 Institute aus 16 Ländern der Belastung unterzogen – 20 mehr als 2021. Darunter waren 57 Großbanken aus der Eurozone. Die EZB unterzog zudem parallel weitere 41 kleinere Häuser einem Stresstest, die nicht Teil der EBA-Prüfung waren. 

Austro-Banken im europäischen Mittelfeld

Auch die sechs teilnehmenden Banken aus Österreich zeigten sich widerstandsfähig und hielten dem strengen Krisenszenario stand. Im Aggregat landeten sie mit einem Rückgang der Kapitalquote im adversen Szenario von 3,7 Prozentpunkten auf 11,1 Prozent im europäischen Mittelfeld. Auf individueller Ebene sei die Performance heterogen, aber alle österreichischen Banken erfüllten auch im Stress-Szenario die gesetzlichen Kapitalanforderungen, teilten die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und die Finanzmarktaufsicht (FMA) mit, warnten aber gleichzeitig: „Die positiven Resultate des Stresstests sind kein Freibrief, den Weg der vergangenen Jahre zu verlassen. Die Wirtschaft wird auch in den nächsten Jahren von Unsicherheiten geprägt sein und ist dabei auf einen stabilen Bankensektor als Partner angewiesen“, kommentierte FMA-Vorstandsmitglied Helmut Ettl die Veröffentlichung der Ergebnisse. „Die Banken haben ihre Resilienz unter harten Bedingungen bewiesen und können auf Basis einer guten Ertragslage ihre solide Ausgangslage nun weiter ausbauen“, ergänzte OeNB-Vize-Gouverneur Gottfried Haber. „Als Aufsicht beobachten wir die individuellen Risikoprofile genau und achten weiterhin auf eine vorausschauende Stärkung der Kapitalbasis.“

Unabhängig vom Stresstest hat die Aufsicht die Auswirkungen des Zinsanstiegs auf die Bewertung von vor allem fix verzinsten Anleihen in den Bankportfolien analysiert. Diese „stillen Lasten“ materialisieren sich nur bei einem – nicht vorgesehenen – Verkauf vor Ende der Laufzeit und finden sich nicht in den Bilanzkennzahlen. Die Analyse zeigt, dass das daraus entstehende Risiko aufgrund strengerer Regulierung mit Fokus auf eine adäquate Kapital- und Liquiditätsausstattung, anders als in den USA, in Österreich und Europa gering ist.

RBI und RLB OÖ sind gut gerüstet

Der EU-weite Stresstest findet alle zwei Jahre für die größten europäischen Banken statt und umfasst gemessen an der Bilanzsumme etwa 75 Prozent des Bankensektors. Für 70 Banken (Österreich: Raiffeisen Bank International und Erste Group Bank) läuft der Stresstest unter Führung der EBA, für die anderen 41 kleineren Banken (Österreich: Addiko, Bawag, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Volksbanken) unter Führung der EZB ab.

Wie die Detailergebnisse zeigen, hatte die RBI im jüngsten EU-weiten Stresstest der EBA einen Kapitalverzehr von 361 Basispunkten im adversen Szenario. Dieser Kapitalverzehr liegt unter dem Durchschnitt der teilnehmenden Banken. Er wird über einen Zeitraum von drei Jahren angenommen, ausgehend von der ausgewiesenen CET1 Ratio von 16,02 Prozent zum Jahresende 2022. Das Ergebnis beinhaltet die russischen Tochtergesellschaften der RBI.

Einen ähnlichen Stresstest hat die RBI auch für die Gruppe ohne Russland durchgeführt. Unter diesen Annahmen ist der Kapitalverzehr weitgehend unverändert, was die Widerstandsfähigkeit der RBI mit und ohne die russischen Tochtergesellschaften bestätigt, teilte die RBI mit. Hannes Mösenbacher, Chief Risk Officer der RBI und verantwortlich für die Durchführung des Stresstests, dazu: „Wir sind mit dem Ergebnis des Stresstests zufrieden, die Stärke unserer Bilanz und die Widerstandsfähigkeit unseres Geschäftsmodells wurde bekräftigt. Die Ergebnisse bestätigen auch, dass die RBI ohne das Russland-Geschäft ebenso widerstandsfähig ist. Das Ergebnis dieses Stresstests unterstreicht die Solidität des RBI-Konzerns.“

Als einzige Raiffeisen-Landesbank wurde die RLB Oberösterreich von der EZB als „signifikantes“ Institut der Währungsunion eingestuft und nun neuerlich einem EU-weiten Stresstest unterzogen. Das Ergebnis zeigt, dass die RLB OÖ auch im schweren Stress-Szenario (adverse scenario) eine robuste Kernkapitalausstattung vorweisen kann. „Die Ergebnisse dieses intensiven Gesundheitschecks unterstreichen, dass die Raiffeisenlandesbank OÖ nicht nur sehr solide und nachhaltig agiert, sondern auch, dass sie für die Zukunft optimal aufgestellt ist. Die Raiffeisenlandesbank OÖ erfüllt höchste internationale Standards und ist damit in der Lage, ihre Kundinnen und Kunden weiterhin intensiv servicieren und begleiten zu können. Unser Anspruch ist dabei, ein nachhaltiges, qualitativ hochwertiges Wachstum zu generieren“, so Generaldirektor Heinrich Schaller.

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