Bodenverbrauch: „Steuern steuern falsch“

Die Auswirkungen des Steuersystems auf die Verbauung von Bodenflächen untersuchte das Wifo im Auftrag der Hagelversicherung.

Trotz politischer Zielvorgaben bleibt der Bodenverbrauch in Österreich auf einem europäischen Spitzenniveau: Täglich werden hierzulande über 11 Hektar Wiesen und Äcker verbaut. Zwischen 1999 und 2020 nahm allein das Ackerland in Österreich um über 72.000 Hektar ab, obwohl sich die Bundesregierung zu einer maximalen Verbauung von 2,5 Hektar pro Tag bekennt. „Österreich muss auch ein Agrarland bleiben, dazu braucht es ausreichend Böden“, appelliert Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung, und betont: „Wir haben in Österreich zu wenig Respekt vor der Lebensgrundlage Boden.“ Allerdings gehe es dabei nicht nur um die Selbstversorgung Österreichs mit Nahrungsmitteln, sondern auch um negative Folgen des Klimawandels wie Überschwemmung. So können versiegelte Böden kein Wasser aufnehmen, aber auch kein CO₂ speichern.

Zu den Ursachen für das hohe Tempo bei der Verbauung zählt Weinberger unter anderem die Raumordnung und ein „falsches“ Anreizsystem im Steuerrecht. „Je mehr die Gemeinde die Natur zerstört, umso mehr Steuereinnahmen erhält die Gemeinde – Stichwort Grundsteuer B (Grundvermögen exklusive land- und forstwirtschaftliche Böden, Anm.) und die Kommunalsteuern. Diese Steuern steuern offensichtlich falsch“, erklärt Weinberger. Dies legt die Studie „Steuerliche Instrumente zur Eindämmung des Bodenverbrauchs“ nahe, die das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo im Auftrag der Hagelversicherung ausarbeitete.

„Wir haben einen Bestand an Steuer- und Ordnungsrecht, das die Versiegelung von Böden eher befördert“, strich Wifo-Leiter Gabriel Felbermayr hervor. Bei dem Thema gehe es aber auch um unumkehrbare Effekte, die man berücksichtigen müsse. „Was heute ein Supermarkt-Parkplatz ist, wird morgen nicht wieder eine hochproduktive agrarische Fläche sein“, verdeutlicht Felbermayr und betont: „Gerade in einer Zeit, in der uns der Klimawandel stärker beschäftigt, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit Grundflächen besser umgehen. Es muss mehr getan werden, um die Verbauung zu begrenzen.“ Dazu brauche es ein umfassendes Maßnahmenbündel – von raumplanerischen Vorgaben bis hin zu fiskalischen Instrumenten. 

Hoher Reformbedarf 

Wie die Wifo-Analyse zeigt, sind eine Reihe bestehender Steuern ein Impulsgeber für den Bodenverbrauch. Das sei weder ökonomisch noch sozial vernünftig und gehe auch zulasten der Umwelt, kritisiert Studienautorin Margit Schratzenstaller. Eine Strukturreform könnte aber eine Mehrfachdividende bringen: Indem man die bodenvernichtenden Gemeindesteuern adaptiert, könnte man positive Umwelteffekte erzielen. „Es braucht beim Bodenverbrauch eine – im wahrsten Sinne des Wortes – bodenständige Reform, beispielsweise bei der Kommunalsteuer. So kann eine verpflichtende interkommunale Teilung des Kommunalsteueraufkommens helfen, Anreize für Umwidmungen zu verringern und Zersiedelung einzudämmen. Gegenwärtig werden ja bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks etc. über die Kommunal- und Grundsteuer belohnt, dabei sollen aber bodenschonende Gemeinden honoriert werden. Eine weitere Tatsache: Wir haben in Österreich leerstehende Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien laut Schätzungen des Umweltbundesamtes im Ausmaß von 40.000 Hektar. Das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien.“

Maßnahmenbündel nötig

Um diesen Leerstand wieder in Verkehr zu bringen, fordern die Wifo-Experten etwa eine verpflichtende österreichweite Leerstandsabgabe, um so den Anreiz für eine Mobilisierung zu erhöhen. Die Verwendung eines Teils der Abgabe sollte für die Altbausanierung eingesetzt werden, um den Leerstand zu attraktivieren. Außerdem könnte auch die Grunderwerbssteuer gesenkt werden, was eine zusätzliche Mobilisierung bringen sollte. Angedacht wird auch ein mögliches Handelssystem mit Flächenzertifikaten in Anlehnung an die CO₂-Emissionszertifikate. „Die Idee ist, dass man Flächenzertifikate im Ausmaß des zulässigen Flächenverbrauchs an die Gemeinden ausgibt, die damit handeln könnten“, so Schratzenstaller. Will eine Gemeinde nun Grün- in Bauland umwidmen, muss sie die Fläche mit ausreichend Zertifikaten unterlegen. Sollte sie nicht ausreichend Zertifikate haben, dann müssten diese von anderen Gemeinden, die weniger verbauen, zugekauft werden. Ein Nebeneffekt wäre es laut Felbermayr, dass damit auch weniger prosperierende Gemeinden finanziell profitieren könnten, indem sie aus den Einnahmen ihre leerstehende Infrastruktur verbessern könnten. 

AusgabeRZ37-2023

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