Fehlende Aufträge, sinkende Produktion und hohe Lohnstückkosten machen der heimischen Industrie schwer zu schaffen. 2023 wurde insgesamt ein vorläufiger, nomineller Produktionswert von 217,4 Milliarden Euro erwirtschaftet, was einem Rückgang von 14,2 Prozent (35,9 Milliarden Euro) gegenüber dem Jahr zuvor entspricht. Damit wurden sogar die Einbußen aus dem Coronapandemie-Jahr 2020 von damals rund 10 Prozent übertroffen.
Als „dramatisch“ bezeichnen die Situation die Vertreter der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer (WKÖ): „Vielen scheint der Ernst der Lage oftmals nicht klar zu sein. Wir stecken in einer Rezession und werden uns leider Gottes auch noch länger in dieser Phase befinden“, beklagt Bundessparten-Obmann Siegfried Menz. Noch sei kein Licht am Ende des Tunnels in Sicht.
Entscheidenden Einfluss auf den nominellen Produktionswert hatten wie schon im Vorjahr Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen. Deren Anteil an der Industrieproduktion lag 2023 bei 14 Prozent – im Jahr zuvor waren es noch 24 Prozent. Klammert man diese sowie die Mineralölindustrie aus, liegt der Produktionsrückgang der restlichen 14 Fachverbände bei durchschnittlich 2,8 Prozent. In der metalltechnischen Industrie, der Papier-, der Holz- und Nicht-Eisenmetallindustrie sowie der chemischen Industrie sei die Entwicklung neben den Energiefachverbänden besonders negativ gewesen, berichtet WKÖ-Bundessparten-Geschäftsführer Andreas Mörk.
Mangel an Aufträgen
Ein weiterer Faktor, der die Industrievertreter beunruhigt: Die Auftragslage ist stark rückläufig, vor allem aus dem Ausland. Insgesamt wurde 2023 im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 6,7 Prozent verzeichnet, Bestellungen aus dem Ausland gingen gar um 9 Prozent zurück. Das schmerzt die heimische Industrie besonders, beträgt die Exportquote doch rund 70 Prozent. In der metalltechnischen Industrie werden sogar 88 Prozent des Umsatzes im Ausland generiert. „Diese fehlenden Aufträge drücken die Produktion auch 2024 massiv“, erklärt Mörk.
Problematisch seien besonders die hohen Lohnstückkosten, die aufgrund der hohen Inflationsrate und damit einhergehenden Lohnerhöhungen innerhalb von zwei Jahren um fast 20 Prozent gestiegen sind. „Das muss in den Preisen irgendwie untergebracht werden, weil, wenn das nicht gelingt, ist die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie dahin“, so Mörk.
Zuwachs bei Beschäftigung
Immerhin: Trotz der rückläufigen Auftragslage schlägt sich die Rezession nicht bei den Beschäftigungszahlen nieder – zumindest noch nicht. Über das gesamte Jahr gesehen waren 2023 in der heimischen Industrie mehr als 473.000 Personen beschäftigt und damit etwas mehr als im Jahr zuvor. Allerdings sinken auch hier die Zahlen seit September 2023 von Monat zu Monat.
Die Gründe für die Industrie-Rezession verortet Menz zum einen an einer konjunkturellen Schwäche, zum anderen in zunehmend strukturellen Defiziten: „Der Standort Österreich leidet unter einer tiefgreifenden Vertrauenskrise der Investoren, welche im internationalen Vergleich die Folge von hohen Energiekosten, eines Bürokratiemonsters und einer hohen Zunahme der Arbeitskosten ist.“
Die Industrievertreter fordern deshalb von der Politik bessere Rahmenbedingungen. So solle der Strompreiskosten-Ausgleich bis 2030 verlängert und mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden. Eine Absenkung der Lohnnebenkosten auf das Niveau Deutschlands steht ebenso auf der WKÖ-Wunschliste wie eine Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds über die öffentliche Hand. „Unternehmer und Arbeitnehmer brauchen sofort eine spürbare Entlastung“, hält Menz fest. Besonders wichtig ist dem Bundessparten-Obmann auch das Thema Bürokratie. Beim Lieferkettengesetz etwa könne man noch gar nicht abschätzen, was auf die Unternehmen zukommt: „Es ist ein Bürokratiemonster“, so Menz.
Hoffnung auf Kehrtwende
Trotz der beunruhigenden Lage herrscht in der WKÖ das Prinzip Hoffnung: „Weil wir wissen, dass wir es können. Wir haben eine tolle Industrielandschaft mit vielen kleinen und mittelständischen Betrieben, die der Motor für Innovation sind“, betont Menz. Mörk ergänzt: „In den Fachverbänden hofft man, dass die Talsohle erreicht ist, die Auslandsnachfrage endlich wieder ansteigt und damit vielleicht Mitte dieses Jahres wieder ein leichtes Plus zu sehen ist.“