„Der Wirtschaftsstandort Österreich hat in den letzten Jahren an Konkurrenzfähigkeit verloren“, lautet das ernüchternde Fazit von Harald Breit. Der CEO von Deloitte Österreich bezieht sich dabei auf eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens: Zum zehnten Mal wurde im Rahmen des Deloitte Radar die internationale Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandortes analysiert. Die Jubiläumsausgabe, für die rund 600 heimische Top-Führungskräfte befragt und die wichtigsten globalen Indizes herangezogen wurden, belege: Österreich habe ein Jahrzehnt des Stillstands hinter sich.
Tatsächlich zeigt etwa eines der wichtigsten globalen Rankings unter 64 Industrienationen, der World Competitiveness Index des Schweizer International Institute for Management Development (IMD): Während Österreich 2008 noch auf Platz 14 lag, reichte es 2023 nur mehr für Platz 24. Zwar konnte sich die Alpenrepublik 2020 zwischenzeitlich mit einem Sprung auf Platz 16 erholen, danach ging es aber wieder kontinuierlich abwärts.
Kaum Bewegung
Auch im rein europäischen Vergleich rangiert Österreich im Schnitt um Platz 10 und damit nur im Mittelfeld. Dass es auch besser ginge, zeigen Schweden, Dänemark, Finnland, Irland, die Niederlande oder die Schweiz – diese hinsichtlich Größe vergleichbaren Länder liegen in den Rankings konstant vorne. Etwas besser sieht es für Österreich im World Happiness Report (2023 Platz 7 in Europa, Platz 11 weltweit) oder dem Global Sustainable Competitiveness Index (2023 Platz 8 in Europa und weltweit) aus. Allerdings lag Österreich auch im Global Innovation Index 2023 nur auf Platz 18 – hier gab es in den letzten zehn Jahren ebenfalls kaum Bewegung.
Unterm Strich bewege sich Österreich seitwärts statt aufwärts – im internationalen Kontext bedeute Stillstand aber Rückschritt, beklagt Deloitte. „Wir kommen seit vielen Jahren nicht wirklich vom Fleck. Vergleichbare europäische Länder sind längst davongezogen“, warnt Breit vor einem weiteren Abstieg.
Aufholjagd starten
Zur nötigen Trendumkehr propagiert Deloitte einen Masterplan 2030: Bis dahin soll es gelingen, Österreich in den Top 5 der europäischen Wirtschaftsstandorte zu etablieren. „Wir müssen uns mit den Besten messen und eine Aufholjagd starten“, fordert Breit, der sich durch die Ergebnisse einer repräsentativen Online-Umfrage im Rahmen des Deloitte Radar unter 592 Führungskräften bestätigt sieht. Fast jeder zweite Befragte (46 Prozent) bewertet die Stimmung am Standort Österreich mit „eher negativ“ oder „sehr negativ“. Nur 26 Prozent stellen der heimischen Wirtschaft ein positives Zeugnis aus.
Nicht ohne Grund: 2023 ging das BIP um 0,8 Prozent zurück, heuer soll es laut Wifo-Prognosen nur ein sehr geringes Wachstum von 0,2 Prozent geben, womit Österreich in Europa im untersten Drittel liegt. Mit einer Inflationsrate von 7,8 Prozent im vergangenen Jahr und einer Prognose von 3,8 Prozent für 2024 findet man sich ebenfalls im negativen Spitzenfeld des Euroraums wieder. Neben der Inflationsentwicklung, die von 71 Prozent der Befragten mit „Genügend“ oder „Nicht genügend“ bewertet wird, erweisen sich vor allem Bürokratie, Einkommensbesteuerung (je 58 Prozent) und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften (53 Prozent) als größte Problemfelder.
Zu wenig Netto vom Brutto
Entsprechend müsse man dort ansetzen: „Es verbleibt so wenig Netto vom Brutto, dass einerseits Arbeitnehmer aus dem Ausland einen großen Bogen um Österreich machen, weil es viele andere Länder in Europa mit attraktiverer Steuersituation gibt“, erklärt Herbert Kovar, Managing Partner im Bereich Tax & Legal bei Deloitte Österreich. Andererseits würden Menschen hierzulande ihre Arbeitszeit reduzieren: „Weil mit zu vielen Stunden im Arbeitsprozess zu sein bedeutet, sehr stark besteuert zu werden“, sagt Kovar und spricht von einem „Steuer-Schwitzkasten“. Man müsse die Steuersätze spürbar im Bereich von 5 Prozentpunkten senken, um wieder mehr Arbeitskräfte ins Land zu locken und höhere Stundenverpflichtungen finanziell attraktiver zu machen. „Dann hätte man eine viel größere Basis für die verschiedenen Abgaben und damit ein Steuer-Mehraufkommen.“
Elisa Aichinger, Partnerin im Consulting bei Deloitte Österreich, sieht auch am Arbeitsmarkt selbst Handlungsmöglichkeiten: Erstens ein Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder, um mehr Frauen Vollzeitarbeit zu ermöglichen. Zweitens erleichterte Zuverdienstmöglichkeiten in der Pension, um Ältere länger in Beschäftigung zu halten und drittens ein schnellerer Arbeitsmarktzugang sowie eine Qualifizierungsoffensive für Menschen mit Migrationshintergrund.
Die Hoffnung von Deloitte liege im Wahljahr 2024 auf der künftigen Regierung, betont Breit: „Die Unternehmen haben bereits das richtige Mindset und klare Vorstellungen, was es für eine Spitzenpositionierung in Europa braucht. Jetzt ist die Politik gefordert, spätestens nach den anstehenden Wahlen Taten folgen zu lassen.“