Die österreichische Konjunktur befindet sich im zweiten Rezessionsjahr. Wie geht es dem Tourismus in diesem herausfordernden Umfeld?
Matthias Matzer: Wir sehen grundsätzlich ein gutes Jahr im Tourismus. Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftssektoren investiert die Branche nach wie vor. Unsere Kunden gehören mehrheitlich zur Qualitätshotellerie bzw. zu den führenden Betrieben in ihrem Segment. Wir finanzieren und fördern ausschließlich Klein- und Mittelbetriebe. Wenn man im Tourismus die gehobene Kundenklientel ansprechen möchte, ist man gezwungen zu investieren und das Angebot laufend weiter zu entwickeln.
Viel wird über die Preise der Gastronomie und der Hotels diskutiert. Dennoch scheint die Ertragskraft in der Branche zurückzugehen. Wie passt das zusammen?
Matzer: Die Menschen spüren, dass alles teurer wird. Das ist bei der Gastronomie ganz eklatant und trifft auch auf die Hotellerie zu. Allerdings bleibt von einer Preiserhöhung kaum etwas bei den Wirten oder Hoteliers hängen. Sie sind oft mit Kostensteigerungen – etwa für Energie oder Mitarbeitende – weit über der Inflation konfrontiert. Die Löhne in der Branche liegen deutlich über dem Kollektivvertrag. Dazu kommen die relativ hohen Abschlüsse in den vergangenen Jahren. Branchenweit betrachtet gehen die Erträge tatsächlich zurück. Schlechtere Erträge bedeuten auch schlechtere Ratings und damit eine geringere Bonität. Das kann sich unmittelbar auf die Finanzierung der Betriebe auswirken.
Die OeHT ist Bank und Förderstelle zugleich. Wie sieht Ihr Geschäftsbereich aus?
Matzer: Im Vorjahr haben wir insgesamt 313 Projekte mit unterschiedlichen Maßnahmen unterstützt und damit ein Investitionsvolumen von insgesamt 412 Millionen Euro im Tourismus ausgelöst. Mit unserem jährlichen BMAW-Förderbudget (Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Anm.) von knapp über 21 Millionen Euro für alle Zuschussformen kommen wir heuer bereits in eine Vollauslastung. Im Vorjahr haben wir selbst Kredite (OeHT und erp-Tourismuskredite) im Ausmaß von 167 Millionen Euro vergeben, heuer sollten es jedenfalls über 200 Mio. Euro werden. Zusätzlich steht uns ein Budget von rund 50 Millionen Euro an erp-Tourismuskrediten jährlich zur Verfügung.
Aus welchem Segment kommen Ihre Kunden?
Matzer: Von den rund 19.000 gewerblichen Beherbergungsbetrieben österreichweit sind etwas mehr als 2.000 OeHT-Kunden. Knapp drei Viertel unserer Klientel sind in der gehobenen Hotellerie – vier Sterne und mehr – tätig. Herausfordernd ist es derzeit für den Vier-Sterne-Flat-Bereich. Es gibt zwar sehr viele Anbieter, allerdings kämpfen diese derzeit am stärksten mit der Preisdurchsetzung. Dies liegt oft am fehlenden Spezialisierungsgrad im Leistungsangebot. Der Wettbewerb ist intensiv und die Preisdurchsetzung dementsprechend schwierig.
Wo ist Ihr Kernmarkt?
Matzer: Absolut in Westösterreich. Wir finanzieren und fördern nur Klein- und Mittelbetriebe. Große Hotelketten, die vielfach in Wien zu finden sind, sind nicht dabei. Zu unserer Klientel zählen aber auch etwa Wiener Innenstadthotels, die noch als klassische Familienbetriebe geführt werden. Da passiert relativ viel. Es ist gut, dass wir uns nicht nur um die Ferienhotellerie, sondern auch um familiengeführte Stadthotels kümmern können.
Wofür werden die Förderungen am häufigsten verwendet?
Matzer: Am meisten wird in die Qualitätsverbesserung, die Modernisierung und die Optimierung der Betriebsgröße investiert. Dabei geht es zum Beispiel um eine Verschiebung der Fläche von Seminarräumen zu weiteren Zimmern oder umgekehrt. Ökologische Maßnahmen wie ein Heizkesseltausch oder die Errichtung einer PV-Anlage sind kleinteiliger und daher nicht so große Kostenblöcke. Investitionen in die grüne Transformation sind aber immer mehr im Kommen, denn ein Umstieg rechnet sich in der Regel auch wirtschaftlich.
Wie ist die Zufriedenheit mit solchen Umweltinvestitionen und -zertifizierungen?
Matzer: Jene Betriebe, die den Weg der Umweltzertifizierung gegangen sind, sagen, dass es sich auszahlt. Man muss sich in der Regel einige Monate mit dem Thema intensiv beschäftigen. Danach sieht man aber das eigene Unternehmen mit anderen Augen und weiß viel besser, wo die Stellschrauben und weitere Einsparungspotenziale liegen. Oft kommt man im Zuge solcher Projekte auch auf neue Investitionsideen.
Wie hoch sind die Durchschnittsdarlehen?
Matzer: Sie liegen bei den Eigenkrediten bei rund 2 Millionen Euro und bei 1 Million Euro beim erp-Tourismuskredit. Wir finanzieren Projekte ja immer zusammen mit den Hausbanken der Unternehmen, denn wir können maximal 70 Prozent der Projektkosten finanzieren bzw. für maximal 80 Prozent des Kreditvolumens eine Haftung übernehmen. Die Raiffeisenbanken sind für uns ein sehr wichtiger Vertriebspartner. Kredite bis zu einer Million Euro können monatlich und jene bis zu unserer Kreditobergrenze von fünf Millionen Euro quartalsweise bewilligt werden.
Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit im Kreditgeschäft?
Matzer: Wir machen bei jeder Finanzierung einen ESG-Check (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, Anm.) und fragen insgesamt neun Parameter ab, unter anderem den Energie- und Wasserverbrauch, die Fluktuation im Unternehmen und die Anzahl der Frauen in Führungspositionen. Das dient allein der Bestandsaufnahme und damit wissen wir, von welchem Niveau die Förderungen gestartet sind. Das sind aber keine Ausschlusskriterien. Wir wollen vor allem Betriebe ansprechen, die noch nicht in Umweltthemen investiert haben und ihnen einen Impuls geben, die grüne Transformation in Angriff zu nehmen.
Was bietet die OeHT diesen Betrieben an?
Matzer: Seit Mai gibt es den „Grünen Tourismuskredit“ bis zu einer Million Euro, der ein sogenanntes „Greenium“ – also sozusagen ein Incentive für grüne Investitionen – enthält. Der übliche Zinszuschuss von 2 Prozent p.a. wird bei Umweltinvestitionen auf 3 Prozent p.a. erhöht. Voraussetzung dafür ist, dass zumindest 20 Prozent der förderbaren Projektkosten die Energieeffizienz verbessern, Ressourcen einsparen oder Emissionen reduzieren. Wir sehen in unserer Pipeline bereits, dass die Nachfrage groß ist. Die erste Tranche an Grünen Tourismuskrediten ist auch bereits in Bewilligung.
Die EZB hat die Zinswende nach unten vollzogen und seit Juni drei Zinsschritte gesetzt. Wird das die Investitionsfreudigkeit steigern?
Matzer: Ich hoffe schon, dass die Zinswende einen weiteren Rückenwind bedeutet. Viele in der Branche vermuten, dass die Zinsen noch weiter hinuntergehen werden. Daher rührt auch das Interesse an variabel anstatt fix verzinster Kredite. Außerdem scheinen die Baukosten etwas zu sinken, was ein vielleicht noch größerer Impuls sein könnte.
Die Corona-Förderungen haben die Wirtschaft unterstützt, im Nachgang wurde aber einige Kritik geübt. Wie lautet Ihr Resümee?
Matzer: Die OeHT-Förderungen in der Pandemie waren in erster Linie Überbrückungsfinanzierungen in Form von Haftungen, die geholfen haben, Bankfinanzierungen zu bekommen. Von den insgesamt bewilligten 1,6 Milliarden Euro haben wir noch rund eine halbe Milliarde in den Büchern. Der Großteil davon läuft im kommenden Jahr aus. Bisher liegen die Ausfälle mit rund 2,4 Prozent im sehr niedrigen einstelligen Bereich. Damit liegen wir deutlich unter den damaligen Prognosen.
Für uns ist das ein Musterbeispiel dafür, wie eine Förderung funktionieren soll: Sie war schnell da, hat bei den Bankfinanzierungen geholfen, ist gut angenommen worden und hat kaum Kosten für den Steuerzahler verursacht. Eine Überförderung sehen wir bei diesem Instrument absolut nicht.
2025 steht vor der Tür. Wie lautet Ihr Ausblick?
Matzer: Wir sind gut unterwegs, unsere „Auftragsbücher“ sind recht voll und es kommen laufend Anträge rein. Ich rechne damit, dass wir auch im nächsten Jahr wieder über ein Kreditvolumen von über 200 Millionen Euro kommen. Mit ein wenig Glück springt auch die Industrie an und es geht auch mit der Konjunktur bergauf. Das sollte dafür sorgen, dass die Menschen auch weiterhin gerne in den Urlaub fahren.