Die Berge sind bereits angezuckert, die Temperaturen winterlich kalt und die Laune ist bestens: In Kaprun, am Fuße des Gletschers Kitzsteinhorn im Salzburger Land, versammelte sich das „Who’s who“ der Wintersportbranche. Das Netzwerk Winter – eine Interessenvertretung von Skiindustrie, Touristikern, Seilbahnbetreibern und Skilehrerverband – diskutierte über Chancen und Herausforderungen.
Was nicht von der Hand zu weisen ist: Skifahren wird auch in der anstehenden Wintersaison teurer, dies zeigen die bereits veröffentlichten Preislisten der österreichischen Seilbahnbetreiber. Die Tageskarten in den größeren Skigebieten nähern sich der 80-Euro-Marke. Davon lassen sich die Gäste aber anscheinend nicht abschrecken, denn für diese Saison sind die Aussichten besonders positiv. „Es steht uns ein guter Winter bevor, die wirtschaftliche Situation der Gäste hat sich verbessert. Die Lust auf Skiurlaub ist wieder gestiegen“, meldete sich Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler in Kaprun per Video-Botschaft zu Wort.
Astrid Steharnig-Staudinger, Chefin der Österreich Werbung (ÖW), konnte diesen Optimismus noch mit Zahlen der aktuellen ÖW-Winterpotenzialanalyse untermauern: „17 Millionen Gäste planen fix einen Winterurlaub in Österreich, 29 Millionen Personen haben das fest oder ziemlich sicher vor.“ Österreich bleibt in neun der zehn untersuchten Märkte unter den Top-2-Wintersport-Destinationen. 82 Prozent der Österreicher wollen Winterurlaub in ihrem Heimatland verbringen, auch für 53 Prozent der deutschen Urlauber ist man die Nummer eins. Die erste Wahl ist man außerdem für Gäste aus den Niederlanden und Ungarn.
Einige Herausforderungen
Doch es gibt auch Herausforderungen: „Wir sehen, dass die Schneesicherheit nicht mehr wie früher gegeben ist. Man kommt aber nicht wegen der Talabfahrt nach Österreich. Wir haben wunderbare schneesichere Gebiete in hohen Lagen“, betont Steharnig-Staudinger.
Auch das Alter der Skifahrer treibt den Tourismusexperten Sorgenfalten auf die Stirn. „Die Menschen hören das Skifahren mittlerweile durchschnittlich mit 50 Jahren auf.“ Die ältere Generation steige dann eher auf Langlaufen oder Tourengehen um. Der durchschnittliche Skifahrer sei 39 Jahre alt. Es gelte also einerseits, ältere Skifahrer wieder zu mobilisieren, und andererseits, auch junge Menschen an den Skisport heranzuführen.
„Das Engagement in der Jugendarbeit wird immer wichtiger“, sagt Steharnig-Staudinger. „Wir haben in großen Städten wie Wien aber beispielsweise einen Migrantenanteil bei Schülern von 40 Prozent.“ Diese Kinder und vor allem auch deren Eltern müsse man für das Skifahren begeistern.
Je früher, desto besser
Das sieht auch der Wiener Sozialwissenschafter Bernhard Heinzlmaier so: „Wintertourismus ist Familienurlaub. Man lernt das Skifahren entweder von den Eltern oder in der Skischule.“ Der Jugendforscher untersuchte in einer vom Netzwerk Winter in Auftrag gegebenen Studie die Motivation junger Menschen, in den Winterurlaub zu fahren. Befragt wurden dabei 14- bis 29-Jährige in Hamburg und Wien. „Je früher die jungen Leute in den Wintersport einsteigen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihr Leben lang diesen Sport ausüben und Winterurlaub machen.“ Je später die Menschen mit dem Skifahren beginnen, desto geringer sei auch die Bindung. „Man muss schauen, dass die Leute mit drei, vier oder fünf Jahren auf den Skiern stehen“, lautet deshalb die Empfehlung von Heinzlmaier.
Vor allem die gehobene Mittelschicht lasse sich für einen Skiurlaub begeistern. Doch selbst gut situierte Menschen würden registrieren, dass der Sport teurer geworden ist. „Das heißt aber nicht, dass diese Menschen nicht in den Winterurlaub fahren. Es ist eher so, dass die Eltern – die den Urlaub bezahlen – Druck machen, den teuren Skipass auch wirklich vollumfänglich zu nutzen“, so Heinzlmaier.
Städter auf der Piste
Das sportliche Erlebnis in der Natur sei das wichtigste Motiv für junge Menschen, in den Winterurlaub zu fahren. „Wir haben es mit gestressten Städtern zu tun, die Urlaub in den Bergen machen und aus ihrem Alltag ausbrechen wollen. Sie wollen raus aus der Betonwelt und erwarten von ihrem Urlaub Heilung und Regeneration“, analysiert Heinzlmaier. Diese Menschen haben auch für Après-Ski kaum etwas übrig. „Die jungen Urlauber gehen früh zu Bett, um möglichst früh wieder auf der Piste zu sein und so das Naturerlebnis vollumfänglich auskosten zu können. Jugendliche wollen einen gemütlichen, naturnahen Winterurlaub genießen“, sagt der Jugendforscher.
Doch wie weckt man die Faszination fürs Skifahren? „Die Jugend wird stark digital getriggert, man kommt um digitale Werbung nicht herum“, betont Heinzlmaier. Neue Werbespots können bei Plattformen wie TikTok, Snapchat oder Instagram durch die Decke gehen. „Es geht immer um spektakuläre Bilder, das Wort hat nur wenig Bedeutung.“
Der Wintersport in den Medien trage dagegen nichts zur Mobilisierung junger Menschen bei. „Mit Lindsey Vonn können die meisten noch etwas anfangen, aber niemand kennt Skirennläufer Manuel Feller, den Sieger der Slalomwertung im Vorjahr“, erklärt Heinzlmaier. Besonders beliebt bei jungen Menschen seien eher „Freeride-Shows“.
Skikurs in 26 Sprachen
Eine wichtige Rolle bei der Jugendarbeit nehmen die Skischulen ein. Richard Walter, Präsident des österreichischen Skilehrerverbands, weiß: „50 Prozent aller Kinder, die mit ihren Familien nach Österreich kommen, werden in lokalen Skischulen unterrichtet.“ Zwei Millionen Gäste werden jährlich durch die 707 Skischulen betreut. Die Ausbildung zum Skilehrer sei in Österreich die schwierigste weltweit. „Das ist ein Gütesiegel“, so Walter. 12.000 Skisportlehrer werden jährlich ausgebildet, davon kommen 40 Prozent aus wichtigen touristischen Herkunftsmärkten.
„Dadurch sind wir in der Lage, Skiunterricht in allen Sprachen anzubieten.“ In der Skischule Arlberg, der größten Skischule Österreichs, habe man vergangenes Jahr Kurse in 26 Sprachen anbieten können. „Die Skilehrer sind oftmals Studierende, die nach ihrem Aufenthalt wieder nach Hause gehen und als Botschafter fungieren. Diese Menschen kommen immer wieder zum Skifahren nach Österreich.“
Nachhaltiger Fokus
Auch das Thema Klimaschutz wird für Touristen immer relevanter. Franz Hörl, Obmann der österreichischen Seilbahnen, unterstreicht die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit im Wintertourismus. 90 Prozent der Energie für die technische Beschneiung kommen aus erneuerbaren Energieträgern, die Seilbahnen werden zu 100 Prozent mit Elektromobilität betrieben. „Wir sind sehr nachhaltig unterwegs“, versichert Hörl.
Einer Studie des Umweltbundesamts zufolge entfällt auf den Wintertourismus ein Anteil von 0,9 Prozent am jährlichen österreichischen Energieverbrauch. „Wenn man Energieverschwender suchen will, dann findet man diese nicht bei uns“, so Hörl. Auch im Bereich Mobilität gebe es wegweisende Konzepte. Allerdings reist nach wie vor die große Mehrheit der Skiurlauber mit dem Auto an.
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ist für Franz Föttinger, Sprecher der österreichischen Skiindustrie, auch das Modell der Verleih-Ausrüstungen zukunftsweisend. 50 Prozent der Skiausrüstungen werden Schätzungen zufolge weltweit verliehen. In Österreich sind es sogar noch mehr. Allerdings – das gehört zur Wahrheit dazu – drückt diese hohe Verleihquote auf den Verkauf. Der Absatz neuer Skiausrüstungen hat sich jährlich hierzulande bei 386.000 Paar Skiern in Österreich eingependelt. Weltweit wurden 3,6 Millionen Paar verkauft. „Österreichische Marken wie Atomic, Blizzard, Fischer und Head sind führend in der Skiindustrie“, so Föttinger.
Neue Zielgruppen gewinnen
Die Branche gibt sich in Kaprun also grundsätzlich optimistisch. Künftig, da sind sich aber alle Experten einig, sei es essenziell, neue Zielgruppen zu erschließen. „Auch die Wiedereinsteiger sind ein interessanter Kundenstamm, den es zu erreichen gilt. Die Gruppe ist groß“, weiß Holger Sicking, der das Team Tourismusforschung & Data Analytics bei der Österreich Werbung leitet.
Zudem müsse Urlaub in Österreich in allen Facetten beworben werden. Neben den jungen Menschen und den Wiedereinsteigern rücken vor allem die Begleitpersonen der Skifahrer in den Fokus, die man bisher als Zielgruppe eher vernachlässigt habe. „Dabei geht es nicht nur um Wellness, sondern auch um Unterhaltung“, erklärt Sicking. Das Angebot müsse noch ausgebaut werden.
Der Hauptfokus liege aber nach wie vor auf dem Skisport. Mit Blick auf die langfristigen Chancen des Wintertourismus sagt Sicking: „Schnee ist nicht alles. Ohne Schnee ist jedoch alles nichts.“