Aktuelle Entwicklungen und künftige Herausforderungen der österreichischen und der europäischen Milchwirtschaft standen bei der diesjährigen Tagung des Raiffeisenverbandes Oberösterreich für Funktionäre von Molkereigenossenschaften in Linz auf der Tagesordnung.
„Die Nachfrage nach Milchprodukten ist gut, wir können eine stabile Bilanz ziehen“, stellte Genossenschaftsanwalt Walter Lederhilger bei der Begrüßung der rund 70 Genossenschaftsvertreter im Bildungshaus St. Magdalena fest. Zugleich gebe es jedoch auch Entwicklungen, die Sorge bereiten: „Die Wettbewerbsfähigkeit ist nicht nur in der Milchbranche, sondern gesamtwirtschaftlich ein großes Thema“, so Lederhilger, der auch auf die hohe Staatsverschuldung mit einem Budget-Defizit von 3,7 Prozent hinwies.
Angesichts dieser Problematik seien Genossenschaften hilfreich, die durch ihre regionale Verankerung einen essenziellen Beitrag zur Stabilität wirtschaftlicher Kreisläufe leisten können. „Früher wurden Genossenschaften als ein bisschen verstaubt wahrgenommen, das hat sich geändert“, betonte der Genossenschaftsanwalt und verwies auf eine Umfrage des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV), wonach Genossenschaften als zukunftsfähig wahrgenommen und mit positiven Attributen wie Integrität, Regionalität und Nachhaltigkeit assoziiert werden.
Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung
Verbandsdirektor Norman Eichinger widmete sich den steigenden Anforderungen durch ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Er erläuterte, wie sich neue regulatorische Vorgaben auf die strategische Ausrichtung von Molkereien auswirken könnten: „Wenn Sie künftig einen Kredit brauchen, werden Sie mit dem Thema Sustainable Finance immer mehr konfrontiert werden.“
Dazu erläuterte er, dass Banken zunehmend verpflichtet sind, Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Kreditvergaben einzupreisen, was sowohl Landwirte als auch Genossenschaften betrifft. Eichinger zeigte jedoch auch die Schwierigkeiten in der Umsetzung der sogenannten EU-Taxonomie-Verordnung auf. Dieses gemeinsame Klassifizierungssystem der EU definiert, was als „nachhaltig“ gilt. „Von den 450 größten Unternehmen in Europa sind nur 30 Prozent der Umsätze taxonomiefähig, lediglich 7 Prozent erfüllen die Kriterien“, so der Verbandsdirektor.
Effiziente Abhilfe schaffe hierbei der ESG-Data-Hub der Österreichischen Kontrollbank: Unternehmen können sich das zeitaufwändige Ausfüllen bankspezifischer Formulare sparen und ihre Nachhaltigkeitsdaten einfach für die jeweilige Bank freischalten. Eichinger: „Das wurde vom europäischen Vertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen als Musterbeispiel der Umsetzung angesehen.“
Blick über den Tellerrand
Eine internationale Perspektive brachte Alexander Anton, Generalsekretär der European Dairy Association (EDA) und der European Whey Processors Association (EWPA), bei der Tagung ein. Die EDA ist die Interessenvertretung der milchverarbeitenden Unternehmen in der EU, repräsentiert sowohl genossenschaftliche als auch private Molkereien und zählt etwa den Milchverband Österreich (MVÖ) zu seinen Mitgliedern. Welch große Bedeutung die Milchbranche in Europa hat, verdeutlichte der Gastreferent mit bemerkenswerten Zahlen: „Im vergangenen Jahr wurden durch Milchexporte 20 Milliarden Euro an Überschuss für die europäische Handelsbilanz erwirtschaftet.“
Anton erklärte auch, weshalb sich die EDA als europäischer Milchindustrieverband gegen eine verpflichtende nationale Herkunftskennzeichnung ausspricht. Diese widerspreche dem Prinzip des EU-Binnenmarkts und sei ein „Rückschritt in unserer europäischen Evolution“. Außerdem gebe es Beispiele, wo die Kennzeichnung ad absurdum geführt wird. Etwa, wenn Milch aus Österreich nur wenige Kilometer weiter in Südtirol verarbeitet wird, aber dennoch „italienische Milch“ auf dem Etikett stehen muss. Deshalb plädierte Anton stattdessen für eine freiwillige Kennzeichnung, dafür mit klaren Standards: „Wenn eine Flagge auf der Verpackung ist, muss die Milch zu 100 Prozent aus der Region kommen.“ Vorstellbar wäre für ihn auch eine grenzübergreifende regionsbasierte Kennzeichnung.
Ähnlich argumentierte er im Hinblick auf die Milchbezeichnung: „Käse wird aus Milch gemacht. Wenn man Milchbestandteile durch Pflanzenfett ersetzt, darf er nicht mehr als Käse bezeichnet werden.“ Das sei extrem wichtig zum Schutz des Verbrauchers, aber auch zum Schutz der Industrie.
Bei der Frage nach einer Haltungskennzeichnung gab Anton zu bedenken, wie schwierig es sei, eine einheitliche europäische Haltungsform zu definieren: „Die Geflügel- oder Schweineproduktion funktioniert im Prinzip überall gleich. Bei der Milch gibt es jedoch eine derartig große Biodiversität der Produktionsmethoden, da schaut jeder Betrieb anders aus.“