Wichtiger Meilenstein für Planbarkeit im Agrarsektor

Josef Plank, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiff­eisenverband, analysiert die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein zentraler Politikbereich der Europäischen Union (EU) und eine tragende Säule der Entwicklung der europäischen Landwirtschaft und des europäischen Lebensmittelsektors, da sie den einzigen wirklich vergemeinschafteten Politikbereich darstellt. Daher nimmt der Agrarbereich im europäischen Budget eine Sonderrolle ein. Für die Periode von 2021 bis 2027 sind jährlich rund 378 Milliarden Euro eingeplant. Würde man die nationalen und EU-Förderungen zusammenzählen und mit anderen Sektoren vergleichen, würde der Budgetanteil für die Landwirtschaft unter 2 Prozent ausmachen und damit nicht so stark im Fokus stehen. Für Österreich konnte in Summe – angesichts der Ausgangslage – am Ende ein gutes Ergebnis erzielt werden.

Noch rechtzeitig vor dem Sommer konnten unter portugiesischer Ratspräsidentschaft die finalen politischen Trilog-Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten (Rat), dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission (EK) abgeschlossen werden. Nach der formalen Annahme im Rat und dem EU-Parlament können die nationalen Strategiepläne zu Jahresende bei der Europäischen Kommission eingereicht werden. In Österreich erfolgt gerade die Erarbeitung der Grundlagen dazu. Es wird aber euch in Österreich einen Beschluss über dieses GAP-Paket in der Bundesregierung und im Parlament brauchen. Schließlich müssen auch die Bundesländer ihre Bereitschaft erneuern, wie in der Vergangenheit mitzuzahlen. 

Die Einigung auf EU-Ebene zur GAP war von harten Diskussionen begleitet, da vor allem die Kommission viele Punkte für mehr Ökologie und Nachhaltigkeit einbrachte – ohne dass für diese Mehrauflagen zusätzliche Budgetmittel zur Verfügung standen. Mindestens 25 Prozent der Direktzahlungen sind an Ökoregelungen gebunden, ein mindestens 35-Prozent-Anteil für Umwelt und Klima in der Säule 2 vorgesehen. Es war ein entscheidender Verhandlungserfolg für die österreichische Landwirtschaft, dass Ökoauflagen aus der Säule 2 auch bei den Direktzahlungen anrechenbar sind – zumindest großteils. Damit kann das erfolgreiche und für viele europäische Länder vorbildliche österreichische Programm der Ländlichen Entwicklung mit ÖPUL und Ausgleichszahlungen (AZ) in seiner Grundlinie weitergeführt werden kann. Über das Modell der verpflichtenden Umverteilungszahlung von 10 Prozent der Direktzahlungen (Ähnliches gab es in den österreichischen Zahlungen auch bisher) und des Capping (Obergrenze für Direktzahlungen) muss in Österreich noch die politische Diskussion geführt werden.

Auf Grund der Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Implementierung von Green-Deal-Maßnahmen für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit muss für die Genehmigung des nationalen Strategieplans nach Einreichung bei der Europäischen Kommission gegen Jahresende ein hartes Ringen um die Genehmigung erwartet werden. Schließlich soll deutlich mehr Bodenschutz (Fruchtfolgen), Schutz der Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen, Reduzierung der Nährstoffverluste, Optimierung der Düngepraktiken und Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels im neuen Programm sichtbar werden.

Porträt von Josef Plank, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiff­eisenverband
Josef Plank, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiff­eisenverband (c) ÖRV/Sabine Klimpt

Die erfolgreichen anderen Bereiche des Programms ländlicher Entwicklung wie Investitionsförderung, Kooperationen, Junglandwirteförderung, LEADER und Ähnliches sollen weiter zur Verfügung stehen.

Die Ausgleichszahlungen der GAP haben in der Vergangenheit strukturbremsend gewirkt, da kleinere Unternehmen in der Regel etwas höhere Flächenzahlungen bekommen haben. Die Frage, ob das ausreichend war, wurde und wird heftig diskutiert. Es gilt Wege zu finden, bei denen Familienbetriebe, die investieren und die Einkommen für ihre Familien absichern, nicht plötzlich als die „Großen“ dastehen. Mittlere und größere Betriebe sichern die Vermarktungsstrukturen und sind damit die Basis für eine vielfältige Lebensmittelproduktion und Versorgung. Daher ergeben sich folgende Entwicklungen: 

  • Schon jetzt ist klar, dass bei ähnlichen Ausgleichszahlungsbeträgen höhere Umweltleistungen zu erbringen sein werden. Auch wird erstmals ein Blick auf die Einhaltung von Rechten von Arbeitnehmern gelegt. 
  • Eine positive Einkommensentwicklung für die Betriebe wird bei erwartbaren, steigenden Kosten daher eher nicht aus den Ausgleichszahlungen kommen können, sondern nur über Kostensenkungen, Größenwachstum oder einen höheren Anteil an der Wertschöpfungskette bzw. neuen Produkten und Dienstleistungen. Diese Potenziale werden genutzt werden müssen. 
  • Die neue GAP wird grüner werden – Herausforderungen aus dem Klimaschutz und Schutz des Artenverlustes (Biodiversität) und Tierwohlfragen werden stärker Berücksichtigung finden.
  • Alle diese Themen werden in der agrarischen Produktion bedeutender – vor allem aber in der Kommunikation mit den Abnehmern der Lebensmittel – den Verbrauchern. Viele Unternehmen des Lebensmittelsektors werden zukünftig verpflichtet oder angehalten, Berichte über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten und Zielsetzungen zu legen. Vieles wird Auswirkung auf die agrarische Produktion und Vermarktungskette haben. Schon jetzt gibt es erste Unternehmen, die ihren Weg für eine klimaneutrale, nachhaltige Produktion erarbeiten.
  • Für den langfristigen Erfolg braucht es aber verlässliche und faire Bedingungen für alle Akteure in der Wertschöpfungskette. Es wird weder der Umwelt noch den Menschen helfen, wenn in der EU die Produktionsauflagen extrem angezogen und die Produkte in der Folge aus Drittländern importiert werden. In den Handelsabkommen der EU finden die berechtigten Anliegen des „Green Deals“ bisher keine Berücksichtigung – sind aber Voraussetzung für den Erfolg in Europa.
  • In den letzten Jahrzehnten haben Bauern und Verarbeiter immer weniger von dem erhalten, was Verbraucher für Lebensmittel bezahlen. Die Marktmacht der Abnehmer ist enorm gestiegen und steigt noch immer. Unfaire Geschäftspraktiken durch Ausnützung dominanter Positionen auf den Märkten müssen aufhören. Regionale Produkte auf regionalen Märkten allein werden nicht reichen. 

Die Gemeinsame Agrarpolitik ist eine entscheidende Weichenstellung für die Bauern und darüber hinaus für den ganzen Agrar- und Lebensmittelsektor. Die große Vielfalt der europäischen Agrar- und Lebensmittelproduktion sollte zukünftig besser berücksichtigt werden können. Es gibt Anlass für Optimismus, dass mit der neuen GAP zukünftig ein erfolgreicher österreichischer Weg gegangen werden kann. Gerade bei den Bauern reicht es nicht, ihnen ihre Ausgleichszahlungen vorzuwerfen und gleichzeitig für Lebensmittel immer weniger zu bezahlen. Ein guter, selbstbewusster Dialog mit der Gesellschaft wird wichtig sein, denn es wird auch die Anerkennung der einzigartigen Leistungen der Land- und Forstwirtschaft, aber auch der Lebensmittelproduktion in einer stark, veränderten Zeit brauchen – und das Verständnis, dass Lebensmittelversorgung viele Menschen braucht, die auch in der Zukunft gut davon leben können.

Der Österreichische Raiffeisenverband wird sich in den kommenden Monaten verstärkt diesen langfristigen Herausforderungen widmen, denn es wird auch einen engen Austausch zwischen den Akteuren in der Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft brauchen. Durch gute Abstimmung und Kooperation kann und soll Nachhaltigkeit zu einem Erfolgsmodell werden – ein lohnendes und am Ende auch umsetzbares Ziel.

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