Green Care: Landwirtschaft mit Mehrwert

Green Care ist eine Initiative, die es Landwirten ermöglicht, ihre Existenz mit einem zweiten, sozial geprägten Standbein abzusichern. Maria Hötschl sorgt als Obfrau des Vereins „Wir für greencare“ dafür, dieses zukunftsweisende Projekt bekannt zu machen.

Frau Hötschl, worum geht es bei Green Care konkret? Wie ist das Konzept aufgebaut?
Maria Hötschl: Green Care ist ein Konzept, das es den Bauernhöfen ermöglicht, sich durch die Übernahme von sozialen Dienstleistungen ein zweites wirtschaftliches Standbein aufzubauen. Es geht darum, den landwirtschaftlichen Betrieb zu erhalten. Das ist ganz wichtig. Das ist das Ziel. Durch die neuen sozialen Dienstleistungen, die wir auch in unserer Gesellschaft so dringend brauchen, ist es für den Betrieb eine Möglichkeit, weiterzubestehen. Und es ist immer eine Win-win-Situation.

Welche Dienstleistungen sind damit gemeint?
Hötschl: In unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft ist es so, dass die Bäuerinnen und Bauern die Landwirtschaft, die Natur oder die Tiere, die sie haben, nutzen können, um soziale Dienstleistungen anzubieten – und zwar für vier Zielgruppen. Das sind zum einen Kinder und Jugendliche: Tiertherapie ist da heute sehr anerkannt. Dort gibt es natürlich Pädagogen, Tiertherapeuten, die dann diese Tiertherapie durchführen, um das Selbstbewusstsein zu stärken, um einfach eine Harmonie zu finden in der Natur, wenn irgendwas nicht in Balance ist. Die zweite Gruppe sind Menschen mit Beeinträchtigung – ganz, ganz wichtig. Da gibt es Bauernhöfe, die eine Tagesstruktur anbieten für Menschen mit Beeinträchtigung, zum Beispiel in der Backstube am Dreierhof in Maria Anzbach. Aber es gibt auch Green-Care-Höfe, die eine wirkliche Bleibe, also inklusive Wohnung, direkt am Bauernhof plus Beschäftigung am Bauernhof haben.

Welche Zielgruppen gibt es außerdem?
Hötschl: Die dritte Zielgruppe sind die Senioren, da geht es bis zu Demenzkranken. Da gibt es auch die Möglichkeit von Tagesstrukturen. Die Demenzkranken werden auf den Hof gebracht, sie verbringen dort einen Tag mit den Tieren, den Bauern, mit der Familie, sie schneiden Schnittlauch fürs Essen oder beschäftigen sich mit den Schafen und Hühnern. Und sie vergessen dabei, dass sie vergessen. Sie haben Freude und eine Aufgabe. Und am Abend gehen sie wieder nach Hause. Es gibt aber mittlerweile auch Höfe, die wie ein kleines Seniorenheim geführt werden.
Und dann gibt es die vierte Zielgruppe, das sind die Gesundheitsbewussten, aber auch Manager oder Menschen mit Burn-Out-Syndrom. Da wird ja sehr, sehr viel angeboten, in Form von Seminaren, von der Kräuterwanderung bis zum Streicheln der Hühner – das hilft einfach, um wieder zu sich zu kommen. 
Ja, und bei den Kindern und Jugendlichen und Menschen mit Beeinträchtigung gibt es auch die Möglichkeit von Kindergarten oder Schule am Bauernhof. Das ist auch ganz beliebt. Diese Kindergärten sind immer ausgebucht, das ist natürlich etwas Großartiges. Geplant ist auch die erste private Volksschule auf einem Green-Care-Hof, die öffentlich anerkannt sein wird als integrative Schule. 

Maria Hötschl über Green Care und ihren gemeinnützigen Verein
Maria Hötschl über Green Care und ihren gemeinnützigen Verein © Bill Lorenz

Können Sie konkrete Beispiele aus den vier Kategorien nennen?
Hötschl: In Maria Roggendorf gibt es eine Bäuerin, die mit ihrem Mann den landwirtschaftlichen Hof bewirtschaftet hat und im Nebenerwerb diplomierte Krankenschwester in Hollabrunn war. Ihr Traum war aber immer zu sagen, „ich will nicht ins Krankenhaus fahren, ich möchte die Leute bei mir am Hof haben“. Dann hat sie sich einen Grund dazu gekauft und zehn Seniorenzimmer gebaut. Da gibt es jetzt einen Gemeinschaftsraum, wo einmal in der Woche die Fußpflege und der Friseur kommen. Sie hat Pflegerinnen auf dem Hof beschäftigt, die sich um die Senioren kümmern. Sie machen das Mittagessen gemeinsam, jeder das, was er noch kann und möchte. Im Hof gibt es rollstuhlgerechte Hochbeete, die Menschen sind in einer Art Großfamilie eingebettet. Von den Kosten her ist es wie in einem Altersheim. 
Oder ein Green-Care-Hof, der Jugendlichen, die straffällig geworden sind oder Gewalt in der Familie erfahren haben, beherbergt. Die können dort eine Heimat finden. Die Nachbarschaft war am Anfang skeptisch, aber sie haben die Bevölkerung zum Beispiel zu Hoffesten eingeladen und damit das Vertrauen der Gemeinde gewonnen. Ich habe dort mit einem Mädchen gesprochen, das gesagt hat, „jetzt habe ich endlich ein Zuhause“. 

Welche Höfe können sich bei Green Care bewerben, welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
Hötschl: Der Antragsteller muss einen aktiven land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb haben, mit einer Mindestgröße von einem Hektar. Dann wird gemeinsam mit einem Berater der Green Care GmbH, die in jedem Bundesland in der Landwirtschaftskammer Projektverantwortliche hat, ein Businessplan erarbeitet. Dabei werden Räumlichkeiten oder Möglichkeiten für Gemeinschaftsräume geprüft, da muss man schauen, welche Fachkenntnisse vorhanden sind, ob neben den landwirtschaftlichen Meistern und Fachkräften auch andere Qualifikationen im Betrieb sind. Viele Bäuerinnen haben ja einen anderen Beruf im Nebenerwerb, oft sind sie Pädagoginnen, Krankenschwestern oder im Bereich der Pflege. Und man überlegt, wer aus der Umgebung noch angestellt werden könnte, denn ein Ziel ist es auch, mehr Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu schaffen. Mein Traum ist es eigentlich, irgendwann eine richtige Green-Care-Gemeinde zu haben. Am Ende bekommen unsere Höfe eine sogenannte Green-Care-Zertifizierung von einer externen Zertifizierungsstelle und eine Green-Care-Hoftafel. 

Wird das Projekt finanziert bzw. welche Kosten entstehen für den Betrieb?
Hötschl:
Der Vorgang der Beratung durch die GmbH bis der Businessplan steht, der Hof zertifiziert ist und als Green-Care-Hof starten kann, ist für den Bauern gratis – aufgrund einer EU-Förderung. Mein Bruder Robert Fitz­thum hat Green Care vor 12 Jahren im Rahmen der Landwirtschaftskammer Wien ins Leben gerufen. Die EU hat damals zu 100 Prozent gefördert. Jetzt sind es nur mehr 80 Prozent. Deshalb hat mich mein Bruder, als ich in Pension gegangen bin, gefragt, ob ich mit meiner Kompetenz – ich war 15 Jahre Marketingdirector bei Kelly – helfen kann. Mein Mann und ich haben dann spontan ja gesagt und das 1. Charity Golfturnier veranstaltet. Auf einen Schlag haben wir 6.000 Euro Reinerlös gehabt. Dann haben wir im Dezember 2023 den gemeinnützigen Verein „Wir für greencare“ gegründet, wir veranstalten Charity-Events, suchen Wirtschaftspartner und betreiben Fundraising für Green Care. Wir haben ein Personenkomitee gegründet, mit Vertretern wie zum Beispiel Hubert Neuper, Elisabeth Gürtler, NÖM Generaldirektor Alfred Berger, Designer Guido Maria Kretschmer, Raiffeisen NÖ-Wien Generaldirektor Michael Höllerer oder RWA Generaldirektor Christoph Metzker. Am 5. September wird es wieder ein Charity Golfturnier geben mit 300 Losen – und jedes Los gewinnt, die wertvollsten werden versteigert. Da wird es unter anderem Wellnesstage im Sacher geben, exklusive Führungen durch die Heidi Horten Collection, und Michael Höllerer hat uns sechs Karten für die VIP-Lounge von Rapid zur Verfügung gestellt.

Warum liegt Ihnen das Projekt so am Herzen? Sie machen ja alles ehrenamtlich.
Hötschl: Meine Großeltern waren Landwirte in Niederösterreich, mein Vater und mein Bruder haben ihre berufliche Aufgabe im Bereich der Landwirtschaft gefunden. Viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend am Bauernhof bei der Ernte und im Umgang mit Tieren haben mich geprägt. In meiner langen beruflichen Tätigkeit als Marketingmanagerin in der lebensmittelverarbeitenden Industrie habe ich die Leistung der bäuerlichen Betriebe in Österreich kennen- und schätzen gelernt und konnte schöne Erfolge feiern. Heute möchte ich mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit der Gesellschaft ein wenig zurückgeben. Und Green Care ist ein Konzept, dass nicht nur in Österreich existiert, aber das in Österreich zur Hochblüte gebracht wurde. Es ist sicherlich eines der inklusivsten Projekte, würde ich sagen. 

AusgabeRZ36-2025

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