Während die Schlüsseltechnologie Künstliche Intelligenz (KI) weltweit rasant an Bedeutung gewinnt, fällt Österreich im internationalen Vergleich zurück, zeigt eine Studie von McKinsey („State of AI in Austria 2025“). Um ein umfassendes Bild über die KI-Reife zu bekommen, wurden mehr als 60 österreichische Betriebe aus unterschiedlichen Branchen analysiert und zusätzlich Interviews mit den Technologie-Verantwortlichen geführt. Die Ergebnisse wurden mit mehr als 750 Unternehmen weltweit verglichen. Demnach hat Österreich ein deutliches Entwicklungspotenzial: Während knapp ein Fünftel der österreichischen Unternehmen auch global gesehen zum oberen Fünftel zählen, befinden sich 68 Prozent der heimischen Betriebe in den unteren 40 Prozent der globalen Wertung, so McKinsey.
Diese Einstufung ergibt sich aus dem sogenannten AI-Quotienten (AIQ), den McKinsey zur Messung der KI-Reife von Unternehmen entwickelt hat. Dabei werden die KI-Fähigkeiten in sechs Dimensionen analysiert: Strategie, Betriebsmodell, Talent, Daten, Technologie und Einführung & Skalierung. Der durchschnittliche AIQ-Wert liegt in Österreich bei 30 und damit unter jenem der EU (34) und deutlich unter dem globalen Wert (36).
„Österreichische Unternehmen haben eine gute Basis, um KI effektiv auszurollen. Derzeit konnte in vielen Unternehmen noch wenig bis keine Produktivitätssteigerung erzielt werden“, betont Patrick Wollner, AI-Experte bei McKinsey.
Große Unterschiede
Das Gefälle bei der KI-Reife zwischen den einzelnen Branchen ist österreichweit relativ groß, zeigt die Studie. Führend sind naturgemäß Technologie-, Medien- und Telekommunikationsunternehmen mit einem AIQ-Wert von 47, gefolgt von der Finanzindustrie (35) und Energie- und Versorgungsunternehmen (34). Aufholbedarf besteht vor allem in den Branchen Konsumgüter (21) und Maschinenbau (25). Obwohl drei von vier Unternehmen von starker Unterstützung durch das Topmanagement berichten, bleiben messbare Effekte aus dem KI-Einsatz weitgehend aus: 61 Prozent sehen bisher keine oder nur geringe Produktivitätssteigerungen. Dazu kommt, dass nur wenige Führungskräfte über vertiefte KI-Expertise verfügen, was die Umsetzung ambitionierter Zielbilder erschwere, heißt es in der Studie.
Mängel gibt es auch beim strukturierten Einsatz: Nur 20 Prozent der Betriebe haben eine ausformulierte KI-Strategie, Finanzinstitute liegen mit 50 Prozent hier deutlich vorne, während andere Branchen erst am Anfang stehen. Über die Hälfte der Unternehmen arbeitet ohne Roadmap – besonders im Mittelstand (70 Prozent) ist der Nachholbedarf enorm, während Großunternehmen (40 Prozent) schon weiter sind.
Ohne klare Ausrichtung bleiben viele Projekte fragmentiert und wirkungslos, warnen die Studienautoren. Die Mehrzahl der Unternehmen folgt laut der Untersuchung einer Fast-Follower-Logik: Sie wollen nicht zwingend als Erste starten, setzen aber darauf, zum richtigen Zeitpunkt skalieren zu können. Diese Haltung könne vorteilhaft sein, erfordere jedoch klare Standards bei Datenqualität, Governance und Systemintegration.
„KI-Welle reiten“
Für die Industriellenvereinigung (IV), die eine eigene KI-Task-Force etabliert hat, stehe Österreich, aber auch Europa am Scheideweg. Einerseits bedrohen hohe Kosten, geopolitische Spannungen und der verschärfte globale Technologiewettbewerb die Wettbewerbsfähigkeit. Andererseits eröffnen gerade neue Schlüsseltechnologien wie KI enorme Chancen für Wachstum, Produktivität und Innovation.
„Wir sind mitten in der KI-Welle. Wir plädieren dafür, dass wir die Welle reiten“, betont IV-Generalsekretär Christoph Neumayer bei der Studienpräsentation. Für Thomas Arnoldner, Vorsitzender der IV-Task-Force KI und Deputy CEO der A1-Telekom-Austria-Gruppe, sei die Studie „ein Weckruf“: „Ein Großteil der Unternehmen muss noch eine klar ausformulierte KI-Strategie entwickeln. Aber wir haben auch Stärken: Österreich liegt bei Datensicherheit und Compliance über dem EU-Schnitt. Das sind wertvolle Startpunkte.“ Richtig eingesetzt, könne KI „ein Motor für Wachstum und Innovation“ sein. Dazu brauche es auch bessere Bedingungen für den Wirtschaftsstandort, vor allem weniger Bürokratie, stärkere Investitionsanreize und eine „innovationsfreundliche“ Umsetzung der KI-Regeln der EU („AI Act“). „Unser Zeitfenster ist klein, wer zu spät handelt, wird abgehängt“, warnt Arnoldner in Richtung Politik.