Zum 15. Mal lud die Raiffeisenbank Kleinmünchen/Linz Kunden und Geschäftspartner zum „Talk im Schloss“. Eine Veranstaltung, bei der „authentische Statements aus der wirtschaftlichen Praxis“ Einblicke und Orientierung geben sollen, sagt Vorstand Bernhard Sommerauer. Momentan sei das aber alles andere als leicht. Früher ließen sich Konjunkturzyklen und volkswirtschaftliche Entwicklungen prognostizieren und lieferten damit eine wichtige Grundlage für Investitions- und Veranlagungsentscheidungen. „Heute sind die Gewissheiten der Vergangenheit einfach weg“, so Sommerauer.
Geopolitische Spannungen, technologische Sprünge und sich überlagernde Krisen hätten die Planbarkeit stark eingeschränkt. Ausdruck dieser Unsicherheit sei die steigende Sparquote: Laut OeNB legten die Österreicher im Jahr 2024 rund 30,4 Mrd. Euro zusätzlich zurück. Das Geldvermögen der privaten Haushalte wuchs damit auf 896 Mrd. Euro, die Sparquote lag bei rund zwölf Prozent des Einkommens.
Ein Großteil des Ersparten liegt kurzfristig verfügbar auf Konten. „Auf der hohen Kante für schlechte Zeiten – und damit auch der Volkswirtschaft vorenthalten“, gibt Sommerauer zu bedenken. Er fordert neue Anreize, um privates Kapital wieder stärker in Investitionen zu lenken: „Dieses Geld muss wieder in die Wirtschaft gepumpt werden.“
Unambitionierte Pläne
Monika Köppl-Turyna, Ökonomin und Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria, nennt die demografische Entwicklung als größtes Problem der österreichischen Wirtschaft: Laut Prognosen wird das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und älteren Menschen bis 2060 auf 3:1 sinken. Migration könne diesen Trend nur teilweise abfedern – aber auch hier werde es zunehmend schwieriger, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen, denn in Europa haben die meisten Länder mit demselben Problem zu kämpfen.
Bereits heute fließt jeder siebte Euro der Wirtschaftsleistung in Pensionen. Damit sei die Thematik „der Elefant im Raum der Budgetkrise“. Reformen werden zwar diskutiert, doch die aktuellen Pläne der Regierung sieht Köppl-Turyna als „unambitioniert“. Als positives Vorbild nennt sie das schwedische Modell, das eine kapitalgedeckte Komponente integriert und so auch Investitionen in die Wirtschaft fördert.
Neben der Demografie bleibe die Energiekrise ein strukturelles Problem: Gas- und Strompreise haben sich laut der Ökonomin dauerhaft auf höherem Niveau eingependelt. Für heimische Unternehmen bedeutet das einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Standorten mit niedrigeren Energiekosten. Als mögliche Gegenmaßnahme wird die Wiedereinführung der Strompreiskompensation ins Spiel gebracht – ein Instrument, das viele andere EU-Staaten bereits nutzen, mahnt Köppl-Turyna zur Eile. Die hohen Lohnabschlüsse der letzten beiden Jahre und steigende Bürokratiekosten sorgen darüber hinaus für eine schlechtere Wettbewerbsfähigkeit.
Disruption als Chance
Dass sich die Wirtschaft von längerfristigen Planungen verabschieden müsse, betont auch Elisabeth Stadler, Aufsichtsratsmitglied bei der Voestalpine, Andritz sowie der Wiener Städtischen Versicherung und Aufsichtsratsvorsitzende der Österreichischen Post AG. Statt klassischer Fünfjahrespläne seien heute Szenarien- und Optionsplanungen gefragt. „Hohe Anpassungsfähigkeit und rasches Entscheidungsmanagement sind das neue Kapital“, bekräftigt Stadler.
Die Digitalisierung erleichtere mittlerweile flexible Anpassungen, entscheidend sei aber eine gute Abstimmung innerhalb der Organisation – Silodenken habe keinen Platz mehr. „Strategische Stabilität in unsicheren Zeiten heißt nicht, an einem Plan festzuhalten, sondern schnell zwischen vorbereiteten Optionen wechseln zu können“, erklärt Stadler. Disruption könne so auch Wachstumschancen eröffnen. Wichtig sei dabei der Faktor Mensch: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen eine zentrale Rolle für die Anpassungsfähigkeit. Sie mitzunehmen und positiv gegenüber Veränderung zu stimmen, ist extrem hilfreich.“
Den Anlegern rät Stadler zu Gelassenheit: Panik sei bei der Geldanlage nie angebracht, da sich die Märkte historisch stets erholt hätten. Eine breit gestreute Veranlagung sei die beste Antwort auf Unsicherheit: „Möglichst divers auf die Zukunft einstellen und nicht auf alle Krisen reagieren.“