wiiw: Osteuropa bleibt Wachstumsmotor 

Die Wirtschaftsleistung der Region wird auch im kommenden Jahr mehr als doppelt so schnell zulegen wie in der Eurozone.

Der wirtschaftliche Aufholprozess in Osteuropa setzt sich weiter fort. Das Wirtschaftswachstum in Mittel-, Ost- und Südosteuropa soll laut Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) heuer mit
2,2 Prozent und 2026 mit 2,6 Prozent deutlich stärker ausfallen als in der Eurozone, die heuer um 0,9 Prozent und 2026 um 1,4 Prozent wachsen soll. Länder in Osteuropa, die wirtschaftlich stark mit der kriselnden deutschen Automobilindustrie verbunden sind, würden ein schwächeres Wirtschaftswachstum verzeichnen, sagte wiiw-Direktor Mario Holzner bei der Präsentation der Konjunkturprognose für insgesamt 23 Länder der Region. Im Vergleich zum Sommer senkten die Wirtschaftsforscher die Wachstums-prognose 2025 für die Region um 0,1 Prozentpunkte und für 2026 um 0,2 Prozentpunkte.  

Die wiiw-Ökonomen orten eine Verschiebung der wirtschaftlichen Dynamik: „Während bisher der private Konsum der Haupttreiber des Wachstums in den EU-Mitgliedern Ostmitteleuropas war, gehen wir davon aus, dass angesichts eines abkühlenden Reallohnwachstums die Investitionen privater Firmen und der öffentlichen Hand an Bedeutung gewinnen“, so der stellvertretende Direktor des wiiw und Hauptautor der Herbstprognose, Richard Grieveson. Auch die stark steigenden Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten in der Region würden das Wachstum stützen.

Holzner wies auf den starken Rückgang der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern hin. Im Jahr 2021 lagen die FDI-Zuflüsse in diesen Ländern bei 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und sanken seitdem auf zuletzt
2 Prozent. Die Investoren halten sich mit Investments zurück, unter anderem wegen des Ukraine-Kriegs, der hybriden Kriegsführung Russlands und der US-Zölle. „Unsicherheit, das ist Gift für Investitionen. Investoren überlegen sich dreifach, ob sie sich langfristig binden“, sagte Holzner.

Österreich profitiert von der engen wirtschaftlichen Verbindung zu Osteuropa, besonders in Jahren mit schwacher Wirtschaftsentwicklung. Insgesamt werden die 23 Staaten der Region 2025 einen positiven Beitrag zum österreichischen BIP-Wachstum von 0,11 Prozentpunkten leisten. Für heuer wird ein Wirtschaftswachstum in Österreich von 0,3 bzw. 0,4 Prozent erwartet. Österreichs Unternehmen, die in Mittel-, Ost- und Südosteuropa produzieren, werden den Strukturwandel weg vom Modell „verlängerte Werkbank“, das auf niedrigen Lohnkosten basierte, hin zu einem Wachstum, das mehr auf Investitionen und privatem Konsum beruht, spüren, so die wiiw-Expertin Doris Hanzl-Weiß. Außerdem würden in Osteuropa produzierende österreichische Unternehmen durch die steigenden Lohnkosten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Tiefe Spuren in der Ukraine 

Für die von der russischen Invasion gezeichnete Ukraine verdüstern sich die Aussichten weiter: Das wiiw prognostiziert dem Land für 2025 ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent, eine Revision nach unten um 0,5 Prozentpunkte gegenüber der Sommerprognose. 2026 soll die ukrainische Wirtschaft dann um 3 Prozent wachsen, eine Reduktion der Prognose um einen ganzen Prozentpunkt. Die wiiw-Ökonomen gehen davon aus, dass sich der seit 2022 andauernde Krieg mit seinen negativen ökonomischen Auswirkungen noch bis 2027 hinziehen wird – wesentlich länger als bisher angenommen. „Die immer größeren Zerstörungen an der Infrastruktur durch die schweren russischen Luftangriffe und der grassierende Arbeitskräftemangel aufgrund von Mobilisierung und Flucht dämpfen die Wachstumsaussichten der ukrainischen Wirtschaft“, so die wiiw-Ukraine-Expertin Olga Pindyuk. 

Aggressor Russland steuert aufgrund der restriktiven Geldpolitik der Zentralbank und niedrigerer Ölpreise laut Einschätzung der Wirtschaftsforscher auf eine „Beinahe-Stagnation“ zu. Das wiiw erwartet ein Wachstum der russischen Wirtschaft im laufenden Jahr von 1,2 Prozent und im kommenden Jahr von 1,4 Prozent. Zum Vergleich: 2023 und 2024 wuchs Russlands Wirtschaftsleistung noch um 4,1 bzw. 4,3 Prozent. Dennoch sind die wiiw-Experten überzeugt, dass Russland den Krieg noch lange finanzieren kann. apa/lov

AusgabeRZ44-2025

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