Es muss ein imposanter Anblick gewesen sein: 150 Tonnen weißer Kunstschnee türmten sich in der Nordwestbahnhalle an der Wiener Taborstraße. Auf der rund 3.000 Quadratmeter großen Fläche gab es eine Rodelbahn, eine Skisprungschanze und zwei Pisten. Am 26. November 1927 sperrte der „Schneepalast“ in Wien auf, damals die weltweit erste Skihalle.
Geht es nach Susanne Kraus-Winkler, Obfrau der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich, sind Skihallen in Österreich ein Konzept für die Zukunft. „Es könnte helfen, mehr Menschen für den Wintersport zu begeistern“, sagte Kraus-Winkler bei der Tagung der Initiative „Allianz Zukunft Winter“ in Kaprun. Die Interessengemeinschaft verbindet Skiindustrie, Skilehrerverband, Touristiker und Seilbahnbetreiber mit dem Ziel, den Wintertourismus zu stärken.
Im Ausland setzt man längst auf künstlichen Schnee in Innenräumen, weltweit gibt es mehr als 150 Skihallen, darunter in den Niederlanden, Dubai oder China. Erst 2024 wurde mit 90.000 Quadratmetern in Shanghai die größte Skihalle der Welt eröffnet. Nun ist Schnee in Shanghai eine echte Rarität, das ist in Österreich freilich anders. Obwohl derzeit viele Landesteile von einer weißen Schneedecke überzogen sind, wird bei der Tagung in Kaprun am Fuße des Kitzsteinhorn-Gletschers deutlich: Die Branche benötigt Strategien für eine Zukunft, in der Schnee keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Hohe Abhängigkeit
Die Abhängigkeiten vom Wintertourismus sind enorm. Das zeigt eine Studie der Prodinger Tourismusberatung zum regionalwirtschaftlichen Wert des Tourismus. Am Beispiel der Pinzgauer Gemeinde Zell am See wird beleuchtet, welche direkten, indirekten und induzierten Effekte der Tourismus für Kommunen haben kann. „Das Geld der Gäste wird zu Löhnen, Steuern und Investitionen. Tourismus wirkt stark in den lokalen Wirtschaftskreislauf. Am Ende ist auch der neugebaute Kindergarten vom Tourismus bezahlt“, sagte Josef May von Prodinger. Etwa 70 Hotels und Lokale sorgen in Zell am See für rund 105 Millionen Euro Wertschöpfung und 990 Arbeitsplätze. Auch der Sommer zieht in Zell am See Touristen an, die Nächtigungszahlen sind im Vergleich zum Winter sogar relativ ausgeglichen. Das gilt allerdings nicht für die Wertschöpfung: Im Winter geben die Gäste rund 20 Prozent mehr Geld aus. Christoph Bründl, Obmann des Tourismusverbandes in Kaprun und Geschäftsführer der Bründl Gruppe, sagte: „Wertschöpfung bringt Wertschätzung.“ Er betonte: „Wir als Sporthändler machen 70 Prozent unseres Umsatzes direkt mit Gästen und 30 Prozent mit Einheimischen. Von den 30 Prozent hat aber so gut wie jeder einen Job in der Gastronomie oder Hotellerie. Das heißt, wir sind zu 100 Prozent abhängig vom Tourismus.“
Optimismus für Saison
Grundsätzlich zeigen sich die Vertreter der heimischen Tourismusbranche zuversichtlich für die kommende Saison. Laut Winterpotenzialstudie 2025/26 der Österreich Werbung (ÖW) planen 16,5 Millionen Menschen aus zehn europäischen Ländern diesen Winter einen Urlaub in Österreich, 9,1 Millionen einen Ski- oder Snowboardurlaub. „Das Interesse für Winterurlaub ist in diesem Jahr auf höchstem Niveau“, sagte der Wiener Tourismusberater Richard Bauer. In Krisenzeiten investieren Leute laut Bauer mehr in Erlebnisse als in Anschaffungen. „Der Preis rückt in den Hintergrund. Menschen kaufen keine Produkte, sondern Gefühle.“
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Anteil der jährlich fahrenden Skifahrer in Österreich, Deutschland, Niederlande und Tschechien ist laut Winterpotenzialstudie gesunken. Da gilt es gegenzusteuern. Der Blick geht dabei in die Ferne, die Internationalisierung soll vorangetrieben werden. Wichtige Zukunftsmärkte seien vor allem die USA und China, betonte Erich Egger, Vorstand der Schmittenhöhebahn in Zell am See und stellvertretender Obmann des Fachverbandes der österreichischen Seilbahnen. „60 Prozent der Amerikaner können sich einen Winterurlaub in Österreich vorstellen“, sagte Egger. Kommen Gäste von weit her, seien sie auch weniger preissensibel. „Gäste, die aus den USA kommen, sind kulturell interessiert. Das passt für ein Land wie Österreich super.“
Viel Potenzial für KI
Alles steht und fällt mit guten Bedingungen auf den Pisten, die Schneesicherheit ist ein wesentlicher Faktor im internationalen Standortwettbewerb. Kommt kein Schnee von oben, übernimmt die Beschneiungsanlage die Arbeit. Jährlich werden von den österreichischen Seilbahnen 500 Mio. Euro in Verbesserungsmaßnahmen bei Liften und Beschneiung investiert.
Doch auch KI könne helfen, das positive Urlaubserlebnis zu steigern, sagte Teresa Karan, bei der Österreich Werbung für Technische Systeme und Channel-Entwicklung zuständig. Ein Pilotprojekt der Tirol Werbung möchte beispielsweise mit Daten die Bedingungen am Berg für die Gäste verbessern. KI-Modelle sollen für intelligente Besuchersteuerung und mehr Sicherheit auf den Pisten sorgen. „Die Vision sind Skigebiete, die sich in Echtzeit an Ströme und Bedürfnisse der Gäste anpassen“, sagte Karan. Das Fortschreiten der Künstlichen Intelligenz macht auch vor dem Wintersporttourismus nicht Halt. 31,2 Millionen Menschen seien allein in Deutschland offen für KI in der Reiseplanung. Laut der Winterpotenzialanalyse lassen sich bereits 17 Prozent der Ski- und Snowboardurlauber durch ChatGPT für ihren Winterurlaub inspirieren. Die KI-Tools können für die Ideenfindung, Angebotsvergleiche oder Empfehlungen vor Ort genutzt werden. KI mache effizienter und befreie „schlaue Menschen von dummen Prozessen“, sagte Karan.
Faktor Skischule
In einem Punkt sind sich alle Touristiker einig: Die Nachwuchsarbeit ist essenziell für die Zukunft der Branche. Zwei Millionen Gäste werden jährlich durch die 707 Skischulen in Österreich betreut und mit Skitechnik ausgestattet. 50 Prozent aller Kinder, die mit ihren Familien zum Skiurlaub nach Österreich kommen, werden in lokalen Skischulen unterrichtet. „Das Skischulwesen ist der tragende Pfeiler des Wintertourismus“, sagte Richard Walter, Präsident des Österreichischen Skilehrerverbands.
Ist die Nachwuchsarbeit also ein Argument für Skihallen in schneearmen Regionen Österreichs? Der Erfolg des „Schneepalasts“ damals in Wien war mäßig, aus wirtschaftlichen Gründen musste die Halle im Frühjahr 1928 bereits wieder zusperren. Deutlich besser läuft es in Nordrhein-Westfalen: In der Skihalle Neuss lernen jährlich mehr als 50.000 Anfänger, davon rund 30.000 Kinder, das Skifahren. Das Salzburger Land und der Alpenpark Neuss kooperieren seit 2001, um Skifahrer aus Nordrhein-Westfalen für Winterurlaube im Salzburger Land zu gewinnen. „Skihallen kreieren Nachwuchs“, betonte Wolfgang Mayrhofer, Atomic-Chef und Sprecher der Österreichischen Skiindustrie. Und Richard Walter sagte: „Wenn es uns nicht gelingt, die Kinder und Jugendlichen auf die Ski zu bringen, ist jede Diskussion umsonst.“








