Die GAP-Nebel lichten sich

Alle sieben Jahre werden die Regeln für die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union neu definiert. Diesmal dauerten die Verhandlungen besonders lange. Zum Jahreswechsel gab es nun zumindest etwas mehr Klarheit für die heimischen Bauern.

Turnusmäßig ist die bisherige Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ja bereits mit Ende 2020 abgelaufen. Der Förderzeitraum, über den bis zuletzt verhandelt wurde, macht also eigentlich die Jahre 2021 bis 2027 aus. Ein Blick auf den Kalender bestätigt aber, dass das so nicht mehr richtig sein kann. Die Wahlen zum Europäischen Parlament, die Bildung einer neuen EU-Kommission und die Pandemie haben die Entscheidungsfindung, nicht zum ersten Mal, hinausgezögert. Zudem wird die Konstruktion der Agrarzahlungen unter den neuen Spielregeln nicht unbedingt einfacher. Denn um besser auf nationale und regionale Gegebenheiten eingehen zu können, gibt die EU bei der Landwirtschaft Kompetenzen an ihre Mitgliedsstaaten ab. Jedes Land muss einen nationalen Strategieplan erarbeiten, wie es die übergeordneten Ziele der GAP erreichen will. Diesen muss die Europäische Kommission genehmigen. Das bringt mehr Flexibilität, kostet aber zusätzlich Zeit. Also starten die europäischen Landwirte gerade in das zweite Übergangsjahr mit alten Regeln.

Kurz vor Weihnachten hat die österreichische Bundesregierung nun zumindest bekanntgegeben, welchen Plan sie nach Brüssel senden wird. Damit lichten sich die Wolken um die Grundlagen der Agrarpolitik in den kommenden Jahren. Als Überschrift stellt Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger „Stabilität für Familienbetriebe“ über den Kompromiss. Schwerpunkte seien die Erhaltung einer flächendeckenden Landwirtschaft durch weitgehend stabile Direktzahlungen, die Abgeltung verstärkter Umweltambitionen, mehr Tierwohl, der Fortbestand kleinstrukturierter Familienbetriebe sowie der Biolandbau. „Mehr als 40 Prozent der EU-Mittel werden in Österreich für klimarelevante Maßnahmen verwendet. 15 der 19 neuen Agrarumweltprogramm-Maßnahmen bringen maßgebliche Verbesserungen für die biologische Vielfalt, das Budget im Agrarumweltprogramm wird um über 25 Prozent aufgestockt. Damit entwickelt sich die GAP deutlich weiter und wird gleichzeitig wesentlich grüner“, sagt Köstinger. Pro Jahr sind demnach 1,8 Mrd. Euro an nationalen und EU-Mitteln für die heimische Agrarwirtschaft eingeplant.

Unterschiedliche Prioritäten

Ihre Handschrift als Koalitionspartner finden auch die Grünen im Kompromiss wieder. Deren Agrarsprecherin Olga Voglauer hebt die 40 Mio. Euro hervor, die es zusätzlich für die biologische Landwirtschaft geben wird. Ein Anliegen ist der Nationalratsabgeordneten aus Kärnten auch die Umverteilung der Mittel hin zu kleineren Höfen: „Mit dem Förderdeckel bei 100.000 Euro und der verbesserten Zahlungen für die ersten 20 Hektar unterstützen wir genau jene Betriebe, die am meisten vom Strukturwandel betroffen sind.“ Auch die Aufstockung der Prämie für den Almauftrieb auf rund 90 Mio. Euro wird der alpinen Landwirtschaft in den benachteiligten Gebieten helfen. Voglauer sieht viele Bausteine, die in Richtung einer Ökologisierung des Agrarsektors deuten: „Erstmals wird es zum Beispiel eine Förderung für Schweine-Freilandhaltung geben. Außerdem werden die gentechnikfreie Fütterung und die Haltung von Schweinen mit ausschließlich unkupierten Ringelschwänzen zusätzlich unterstützt.“

Ihr ÖVP-Gegenüber als Agrarsprecher im Parlament, Georg Strasser, spricht von einer „sinnvollen Lösung für eine erfolgreiche Zukunft unserer Familienbetriebe“. So hebt er das Modulsystem im Rahmen des Agrarumweltprogramms ÖPUL hervor, bei dem die Bauern künftig besser aussuchen können, was zu ihrem Betrieb passt. „Die Öko-Regelungen und das Agrarumweltprogramm stellen sicher, dass jene, die mehr beitragen, auch mehr Leistungsabgeltungen erhalten.

Seinen Sanctus gibt auch Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger, wenn auch da und dort Abstriche nötig waren: „Wir wissen, dass es höchst herausfordernd war, die unterschiedlichsten Prioritäten unter einen Hut zu bringen.“ Dem Vorarlberger ist es wichtig, dass sich im Verhandlungsergebnis neben ökologischen Fragen auch wirtschaftliche Aspekte wiederfinden: „Nur Bäuerinnen und Bauern, die von ihrer harten Arbeit leben können, werden auch künftig umwelt- und klimafreundlich wirtschaften können. Andernfalls werden sie zum Aufhören gezwungen und es wird noch mehr importiert.“

Kritik an Förderdeckelung

Für den Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen im Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV), Josef Plank, ist es vor allem wichtig, dass die Eckpunkte noch vor dem Jahreswechsel festgemacht werden konnten. „Die Europäische Kommission nimmt sich jetzt drei Monate Zeit für eine Beurteilung. Bis Jahresmitte müssen die Bauern aber wissen, womit sie zu rechnen haben.“ Er unterstreicht die Bedeutung der Direktzahlungen als Rückgrat der Einkommensabsicherung auf den Höfen. „Die Perspektiven darüber hinaus werden wir uns aber auf den Märkten holen. Wir brauchen die Ausgleichszahlungen aus der GAP aber als Basis, um überhaupt im globalen Kontext mitspielen zu können.“ Plank kritisiert in diesem Zusammenhang die Idee, diese Zahlungen bei 100.000 Euro pro Betrieb zu kappen. „Das mag in der europäischen Diskussion nachvollziehbar sein. In Österreich ist der Effekt, den man durch die Umverteilung erzielen kann, aber gering. Größere Betriebe bekommen damit ein Problem, den kleineren hilft es aber kaum.“ Letztlich würden die Förderobergrenzen ohne Berücksichtigung der Zahl der Arbeitskräfte rasch auch familiengeführte Betriebe betreffen, denen man das Signal gebe, dass man sie eigentlich nicht haben will. „Im Ackerbau werden die Betriebe weiter wachsen und davon vermehrt betroffen sein“, so Plank.

Generell sieht der ÖRV-Experte kooperatives Wirtschaften und das Genossenschaftswesen als einen der Schlüssel für die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft. „Die Zielsetzung innerhalb der Agrarpolitik darf nicht alleine der einzelne Betrieb, sondern muss auch die Infrastruktur in einer Region sein. Dabei ist es wichtig, dass es in einem Tal zum Beispiel mehrere Betriebe gibt, damit sich die Abholung der Milch auszahlt.“ Die Ressourceneffizienz wird dabei mehr in den Mittelpunkt rücken. „Die große Herausforderung der nächsten Jahre wird es sein, mit weniger Input an Betriebsmitteln einen ähnlichen Output zu erwirtschaften.“

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