Noch heuer sollen die ersten Prüfer ihre Zertifizierung in Händen halten. Wieso war dieser Schritt notwendig?
Gerhard Margetich: Eine fundierte Ausbildung zum Bankprüfer ist für uns in den sektoralen Verbänden zwar selbstverständlich, aber außerhalb der dezentralen Sektoren nicht immer auf dem Niveau, das wir anstreben. In der breiten Masse der Abschlussprüfer hat sich die Bankprüfung zu einem gewissen Expertenthema für Wenige entwickelt. In unseren Verbänden ist die Bankprüfung allerdings Thema für alle. Anlass genug, um beim Thema Weiterbildung gemeinsam – als wichtigste Bankprüfer Österreichs – an einem Strang zu ziehen.
Alexandra Tychi: Spätestens mit dem Kriminalfall Commerzialbank Mattersburg ist vielen klar geworden, dass nicht jeder Abschlussprüfer eine Bank prüfen sollte. Darüber hinaus befinden wir uns in einem Wettbewerb um die besten Köpfe der Prüfungsbranche. Derzeit entscheiden sich Talente sehr frühzeitig, ob sie zu den sogenannten „Big Four“ (Anm. den vier größten Wirtschaftsprüfungskanzleien der Welt) gehen wollen oder nicht. Mit der Zertifizierung, die exklusiv durch die dezentralen Bankprüfungsverbände angeboten wird, wollen wir unsere Position als attraktiver Arbeitgeber aufwerten. Es ist wichtig, dass wir das Wissen unserer leitenden Bankprüfungsmitarbeiter, das sie bei einem unserer Verbände erwerben können, einem gemeinsamen Qualitätsstandard unterwerfen. Die ISO-Zertifizierung ist ein attraktives Add-on im Bewerbungsprozess und stellt ein Qualitätssiegel für die umfassende und fundierte Ausbildung in unseren Prüfungsorganisationen dar.
Was sind die Vorteile dieses sektorübergreifenden Ansatzpunktes?
Margetich: Wenn man sich immer in der eigenen Community bewegt, dann droht unter Umständen die selbstkritische Betrachtung verloren zu gehen. Der Blick von außen ist etwas sehr, sehr Wertvolles. Darüber hinaus werden im Zertifizierungsprozess auch Themen angesprochen, die man vielleicht selbst als noch nicht für so relevant wie die anderen Sektoren hält.
Tychi: Mit dem Bankprüferverband haben wir eine ideale Plattform geschaffen, über die wir übergreifende Ausbildungsstandards definieren, die wir auch gemeinschaftlich einhalten und kontrollieren wollen. Damit bekommt die ganze Ausbildung einen zusätzlichen Qualitätsstempel, der in der Außenwahrnehmung ganz wichtig ist. Um am Zertifizierungsprogramm teilnehmen zu können, muss sowohl die praktische als auch theoretische Ausbildung in den Bereichen Abschlussprüfung, Bankrechnungslegung, Kreditprüfung, Treasuryprüfung, Aufsichtsrecht, Gesamtbanksteuerung und Kommunikation & Führung absolviert worden sein. Mit Multiple-Choice-Tests werden die erworbenen Kompetenzen überprüft. Im November findet ein fünftägiges Tutorium unter Mitwirkung der Aufsicht statt, das sich mit aktuellen Themen befasst. Anfang Dezember folgt das kommissionelle Hearing, das von einer externen Zertifizierungsstelle abgewickelt wird.
Mit wie vielen Teilnehmern wird heuer gerechnet?
Tychi: Es wurden bisher zehn Kandidaten nominiert, die den Auftakt machen werden. Von großer Bedeutung war für uns, dass sich auch die Aufsicht, also die FMA und Nationalbank, einbringt und damit die Qualität unserer Ausbildung anerkennt. Die Zertifizierung soll künftig jährlich stattfinden. Auch ein Ausweiten auf die Landesrevisionsverbände des Raiffeisensektors ist denkbar. Die Rolle des Prüfungsmanagers ist für sie ein Zukunftsthema, weil die zu prüfenden Banken immer größer werden – und große Einheiten kann ich nur mit großen Teams prüfen.
Margetich: Wichtig ist uns, dass wir das zunächst für uns selbst ins Laufen bringen wollen und unsere Experten durch die Zertifizierung schicken. Dann können wir bei Bedarf noch nachschärfen und auch andere Interessenten aus den dezentralen Verbänden in einem zweiten Schritt ansprechen. Bisher ist sehr viel Arbeit reingeflossen, von der wir langfristig profitieren werden. Von großer Bedeutung ist natürlich die Kenntnis des Aufsichtsrechts sowie Treasury- und Kreditprüfungskenntnisse. Natürlich muss auch die Expertise der Bankrechnungslegung und immer öfter auch schon jene der Nachhaltigkeitsberichterstattung sitzen. Darüber hinaus tun sich zusätzliche Themen auf, etwa Gendergerechtigkeit und Frauenförderung, nicht nur auf der fachlichen Seite, sondern auch in der Personalentwicklung. Da können wir von den wechselseitigen Erfahrungen sehr gut lernen.
Was spielt neben dem fachlichen Wissen noch eine Rolle in der Bankprüfung?
Margetich: In vielen Ländern sieht man, dass darüber hinaus eine besondere Kenntnis und Expertise in der Verwendung und Prüfung von IT benötigt werden, um eine Bank effizient und nachhaltig zu prüfen. Die besonderen Anforderungen an das Bankgeschäft sind mittlerweile etwas ganz anderes im Vergleich zu einem Handelsunternehmen, bei dem ich in der Regel ins Lager gehen und nachschauen kann, ob die Ware wirklich dort liegt. Eine Bank ist in einem hochkomplexen Regelwerk tätig und besteht abseits von Gebäuden, Filialen und Computerausstattung fast ausschließlich virtuell. Deshalb meiden viele Prüfer das Thema Bank – zu kompliziert und zu schwierig.
Sind auch die Erkenntnisse aus der Causa Commerzialbank in die Ausbildung geflossen?
Margetich: Wir haben uns die Frage gestellt: Wäre das auch uns passiert? Alle Mitglieder eines Revisionsverbandes haben ein Interesse daran, dass die Bankprüfer ihren Job ordentlich machen. Da sind wir in den Sektoren mit Quervergleichen und ökonomischen Analysen ähnlicher Geschäftsmodelle besser aufgestellt als viele Prüfungsgesellschaften außerhalb. Es geht darum, dass unsere Mitarbeiter erklären können, warum ein Geschäftsmodell gut oder schlecht aufgestellt ist.
Was nehmen Sie sich für 2023 vor?
Tychi: Wir planen, die Prüfung jährlich anzubieten und ab 2023 auch die Landesrevisionsverbände miteinzubeziehen. Außerdem wollen wir auch an einer Zertifizierung auf Ebene der verantwortlichen Bankprüfer arbeiten, also derjenigen, welche die Testate unterschreiben.
Margetich: Ab Mitte 2024 stehen die Bankprüfer beim Nachhaltigkeitsthema vor einer riesigen Challenge. Noch ist die Geschwindigkeit bei der Umsetzung dieses Themas in den drei Sektoren unterschiedlich. Aber schon jetzt ist es absehbar, dass uns die ESG-Berichterstattung die nächsten Jahre beschäftigen wird.