Bei den siebten Seefelder Tourismusgesprächen diskutierten – auf Einladung der Raiffeisenbank Seefeld-Leutasch-Reith-Scharnitz – Tiroler Branchengrößen über aktuelle Entwicklungen sowie bevorstehende Herausforderungen im Fremdenverkehr. Passend zum Veranstaltungsmotto „Neue Wege gehen“ eröffnet Geschäftsleiter Horst Mayer: „Es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ Vor allem wenn es um die Entscheidungsfreiheit der Branche gehe. Während der Pandemie habe diese durch Auflagen und Verbote besonders gelitten und wird nun wieder angehalten, aufgrund der steigenden Energiepreise auf die Bremse zu treten.
„Wir wollen wirtschaften und nicht um Förderungen betteln“, betont Mario Gerber, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Tiroler Wirtschaftskammer. Ihm stoßen im Moment „etwaige Regeln aus Wien“ auf, die Einschränkungen hinsichtlich dem Betrieb von Schneekanonen oder Außenpools vorsehen. Außerdem soll seiner Meinung nach die Politik alles dafür tun, um „die Menschen wieder in eine Leistungsgesellschaft zurückzuholen“. Die junge Generation dürfe nicht im Glauben bleiben, dass man mit einer 20-Stunden-Woche sein Leben bestreiten und finanzieren kann, denn der Sozialtopf sei nur für Menschen da, die Unterstützung daraus tatsächlich benötigen, meint Gerber.
„Am Ende geht es darum, junge Menschen an unserer Zukunftsgestaltung zu beteiligen. Wir müssen ihnen eine Perspektive geben und sie in der Bildung, in der Politik und in der Arbeitswelt mitgestalten lassen“, unterstreicht Simon Schnetzer, einer der führenden Jugendforscher in Europa sowie Experte für die Generation Y, Z und Alpha. Der Autor erforscht seit 2010, welchen Einfluss die Trendthemen Digitalisierung, Klima und Corona auf Jugendliche in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben und weiß, dass junge Menschen Seismographen für gesellschaftliche Veränderungen sind. Schnetzer: „Wer als Arbeitgeber, Gastronom oder Gastgeber in Zukunft erfolgreich sein will, muss die Jungen verstehen und lernen, Ziele gemeinsam mit ihnen zu erreichen.“
Image aufpolieren
Die Tiroler Tourismusexperten sind sich in einem Punkt einig: Das Image der Branche muss dringend aufpoliert werden, man muss nicht nur gute Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter schaffen, sondern auch hinsichtlich Arbeitszeitmodellen flexibel bleiben. „Man sollte gerade den Einheimischen wieder zeigen, welche tollen Arbeitsplätze die Sparte zu bieten hat“, meint Elias Walcher, Geschäftsführer des Tourismusverbands Seefeld, und ergänzt: „Man kann die Krise nutzen, um das volle Potenzial zum Vorschein zu bringen, denn wir Tiroler wissen im Grunde ganz genau, was sehr guten Tourismus ausmacht.“
Um die Branche für Arbeitnehmer wieder attraktiver zu machen, sei es laut Ingrid Schneider von der Tirol Werbung auch wichtig, an der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu arbeiten. Sie denkt hierbei an arbeitszeitgerechte Kinderbetreuung und an das Vorantreiben der Digitalisierung: „Man muss den Tourismus der Zukunft beleuchten und schauen, wo man Ressourcen einsparen kann.“ Dabei zeigt der Blick in die Glaskugel: Ein vielfältiges Angebot im Tourismus wird immer wichtiger. Die Nächtigungen in den 4- und 5-Sterne-Häusern stiegen in den vergangenen Monaten, gleichzeitig wurden Ferienapartments und Selbstversorgung zum Trend. Gäste nutzen also sämtliche Segmente und wollen individuellen Urlaub. „Touristiker müssen prüfen, wo sie wertschöpfungsstarke und wettbewerbsfähige Produkte haben, welche die Krise überstehen können“, empfiehlt die Staatssekretärin für Tourismus, Susanne Kraus-Winkler, die davon überzeugt ist, dass „die Vielfalt, die Österreich zu bieten hat, Österreich auch ausmacht“. Gleichzeitig sprach Kraus-Winkler von „Tourismus-Bashing“, da kaum eine andere Branche ständig derart kritisiert werde: „Man muss wieder in Ruhe arbeiten können, ohne ständig wachsende Vorschriften.“
Hin zur Sinn-Gesellschaft
Laut Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Beratungsgruppe, sind vor allem jene Tiroler Tourismusbetriebe wirtschaftlich erfolgreich, die bereit sind neue Wege zu gehen: „Diese Betriebe hinterfragen sich ständig selbst und optimieren ihren Betrieb laufend. Besonders wichtig ist es, die Zielgruppe zu kennen und die eigene Performance laufend zu überprüfen.“
Dass Erfolg kein Zufall ist, weiß auch Kira Grünberg. Die ehemalige Stabhochspringerin erklärte, warum Veränderung wichtig ist: „Man muss den Mut haben, neue Wege zu gehen. Wer nichts Neues ausprobiert, wird nie herausfinden, ob es gut oder schlecht ist.“
Ein Thema, das gerade den Tourismussektor in Zukunft stark beschäftigen wird, ist die Nachhaltigkeit. Denn Banken ziehen bereits jetzt neue Kennzahlen in Betracht, die die Nachhaltigkeit eines Betriebes definieren und das Rating beeinflussen. Die Experten waren sich einige, dass Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial gedacht werden müsse. „Wir bewegen uns hin zu einer Sinn-Gesellschaft. Die Botschaft, dass der Tourismus sinnvolle und wertgeschätzte Arbeitsplätze zu bieten hat, muss raus in die Welt“, meint Christian Haselsberger vom Tourismusverband Wilder Kaiser. Wohin es in Sachen Inflation, Teuerung und Preissteigerungen gehen wird, wagten die Experten jedoch nicht zu sagen.