Dass sich die Welt immer weiter digitalisiert, war lange vor Corona abzusehen. Die Pandemie beschleunigte diese Entwicklung jedoch immens und sorgte so für den viel zitierten „Digitalisierungsschub“. Nun – nach dem gefühlten Ende der Pandemie – sind digitale Technologien für das Geschäftsmodell heimischer Unternehmen wieder weniger interessant. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die über 600 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitenden in Österreich befragt wurden.
67 Prozent der Betriebe weisen digitalen Technologien eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung zu – vor einem Jahr waren es noch 80 Prozent. „Wir gehen davon aus, dass sich der Hebel durch die Corona-Krise hier etwas verlangsamt hat“, kommentiert Susanne Zach, Partnerin und Leiterin Data & Analytics bei EY Österreich.
Gleichzeitig ist der Anteil der Unternehmen, für die digitale Konzepte kaum eine oder gar keine Rolle spielen, seit dem Vorjahr sprunghaft von 20 auf 33 Prozent – und damit auf den höchsten Wert seit 2018 – angestiegen. 16 Prozent sagen, digitale Technologien spielen gar keine, für 17 Prozent nur kaum eine Rolle. „Das ist schon ein Warnzeichen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Wenn die mittelständischen Unternehmen nicht auf digitale Technologien setzen, laufen sie Gefahr den Anschluss nicht nur im Vergleich zu den größeren Unternehmen, sondern auch im internationalen Vergleich zu verlieren“, so Zach.
Je größer, desto wichtiger
Die Bedeutung digitaler Technologien variiert natürlich auch von Branche zu Branche. So setzt sich der Finanzsektor am stärksten damit auseinander (43 Prozent), gefolgt von Gesundheit/Life Science (39 Prozent) sowie vom Bereich Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur (36 Prozent). Aufholbedarf gibt es laut Zach bei der Immobilienwirtschaft bzw. dem Baugewerbe (17 Prozent) sowie im Bereich Handel und Konsumgüter als auch im Tourismus.
Die Studie zeigt zudem: Nicht nur die Branche macht einen Unterschied, sondern auch die Unternehmensgröße. Die Bedeutung digitaler Technologien ist bei Unternehmen mit Jahresumsätzen jenseits der 30-Millionen-Euro-Grenze deutlich höher (48 Prozent) als bei Unternehmen mit weniger als zehn Millionen Euro (18 Prozent). Auch hier ortet Zach ein Warnsignal: „Hier zeigt sich eine deutliche Trendwende, denn bei der Vorjahreserhebung lag der Anteil der Unternehmen, der digitalen Technologien eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung beimisst, bei größeren Unternehmen mit 82 Prozent nicht viel höher als bei Unternehmen mit Jahresumsätzen unter zehn Millionen Euro. Da waren es 78 Prozent.“
Das heißt, die großen Unternehmen haben die Kapazitäten, um in digitale Technologien zu investieren. Bei kleineren Unternehmen scheint das nicht der Fall zu sein. Umso wichtiger sei es, durch entsprechende Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen hier zu unterstützen, damit die kleineren Unternehmen auch überlebensfähig bleiben.
Personalmangel als Investitionshürde
„Möchte man weiterhin mit der Transformation durch Digitalisierung Schritt halten, sind Investitionen in Cloud Computing und die damit verbundenen Technologien unverzichtbar“, weiß Christoph Mayer, Partner Cloud Transformation und verantwortlich für die EY Microsoft Service Group bei EY Österreich. 24 Prozent der befragten Unternehmen geben an, in den kommenden zwei Jahren in Cloud Computing als auch in Data Analytics zu investieren – im Vorjahr war der Anteil deutlich geringer (Cloud 16 Prozent, Data Analytics 12 Prozent). Die Steigerung sei erfreulich, aber immer noch zu wenig, meint Mayer: „Wenn man bedenkt, dass neue Technologien wie Artificial Intelligence oder zum Beispiel ChatGPT massiv darauf basieren, dass die Unternehmen in der Lage sind, Cloud Computing richtig einzusetzen.“
19 Prozent möchten im Bereich Robot Process Automation/Automatisierung aufstocken, 15 Prozent planen, Künstliche Intelligenz einzusetzen. Der Anteil der Unternehmen, die in den kommenden Jahren nicht in weitere digitale Technologien investieren will, ist gegenüber dem Vorjahr deutlich von 49 auf 38 Prozent gesunken.
Als größte Hürde für Investitionen in die Digitalisierung wird fehlendes Personal (12 Prozent) genannt, gefolgt von begrenzten finanziellen Möglichkeiten (9 Prozent). 6 Prozent fehlt entsprechendes Know-how. 5 Prozent sehen fehlende rechtliche Rahmenbedingungen als Hemmnis.
„Eine stabile und leistungsstarke Digital-Infrastruktur ist für Unternehmen im Wettbewerb zentral, genau so wichtig sind aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, gerade wenn man an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz denkt und den damit verbundenen AI Act betrachtet. Wir laufen hier Gefahr, gerade für kleinere Unternehmen zu große Hürden aufzubauen und damit den Wirtschaftsstandort Österreich zu schwächen“, so Mayer.