Zukunftsbild für die Landwirtschaft

Traditionsgemäß nutzen die Spitzen der heimischen Agrarpolitik die Rieder Messe Anfang September, um ihre Pläne für den Herbst bekanntzugeben. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig kündigte dabei eine „Vision 2028+“ an.

„In Zeiten stetigen Wandels gilt es, Perspektiven aufzuzeigen. Dazu braucht es ein Zukunftsbild, wohin die Reise gehen soll“, sagt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig beim agrarischen Herbstauftakt in Ried und kündigt die Erarbeitung einer „Vision 2028+“ an, im Rahmen derer ein Leitbild für die heimische Landwirtschaft und den ländlichen Raum erarbeitet werden soll. Dafür sollen neben den Bauern als Kernstück alle Parlamentsparteien, die Wissenschaft, die Sozialpartner und Branchenvertreter eingebunden werden. Ziel sei es, diesen Strategieprozess im Frühjahr 2024 abgeschlossen zu haben und die Ergebnisse zu präsentieren – als Fundament für die politische Arbeit der kommenden Jahre. „Die Zeichen stehen auf Arbeit“, sieht Totschnig einen „Weg für eine Zukunft voller Perspektiven für unsere Bauernfamilien“. 

Gleiche Bedingungen für alle

Großes aktuelles Thema in der europäischen Agrarwirtschaft sind die ukrainischen Getreideexporte. Statt in die Länder des Nahen Ostens und nach Afrika zu gehen, bleiben die Exporte in Osteuropa hängen und blockieren dort die Lagerkapazitäten. Das unschlagbar billige Getreide wird dann auch lokal verkauft, statt wie vereinbart in die Länder des globalen Südens zu gehen. Beim Informellen Agrarrat in Spanien hatte Norbert Totschnig daher einen Ausbau der Transportkapazitäten entlang der Transitroute und in den EU-Häfen sowie ein effektives Monitoring gefordert. In Ried spricht sich der Minister angesichts des Auslaufens des Exportstopps für fünf osteuropäische Anrainerstaaten daher für gleiche Bedingungen für alle Mitgliedsstaaten aus, damit der Binnenmarkt funktioniere. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die ukrainische Ware vermehrt in anderen Mitgliedsstaaten auftauche, so der Minister. 

Die Erbschafts- und Vermögenssteuerpläne von SPÖ-Chef Andreas Babler sieht Totschnig als „trojanisches Pferd“: „Das Modell mag für manche wie ein Geschenk aussehen, enthält aber zahlreiche Belastungen für das wirtschaftliche Rückgrat Österreichs.“ Die Bauern würden Grund und Boden zum Wirtschaften brauchen und könnten davon nicht abbeißen, warnte Totschnig vor einer Besteuerung der Substanz. „Jetzt gilt es unsere Betriebe zu entlasten, anstatt zu belasten.“

Für mehr Transparenz

Bauernbund-Präsident Georg Strasser kündigt als Themenschwerpunkt für den Herbst die Kampagne „#draufgschAUT in der Kantine“ für mehr Transparenz an. Damit will man auf die nun gültige Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung hinweisen. „Wir werden Kantinen besuchen und herzeigen, dass wir einen ersten wichtigen Schritt für mehr Transparenz gesetzt haben. Bereits jetzt gibt es viele gute Beispiele einer transparenten Herkunftskennzeichnung.“ Strasser hebt hervor, dass man daran arbeite, die Herkunftskennzeichnung flächendeckend voranzutreiben. Damit unterstreicht er die Forderung nach einer Ausweisung in allen Verpflegungsbetrieben – was von der Interessenvertretung der Wirte derzeit vehement abgelehnt wird. Strasser fordert generell ein ganz bewusstes Bekenntnis zu heimischer Qualität ein. Aktuell sehe man ein stabiles, leicht wachsendes Premiumsegment und einen stark wachsenden Billigbereich. „Die Produktgruppe dazwischen gerät unter Druck. Nur mit einem klaren Ja zu Rot-Weiß-Rot können wir aber langfristig die Lebensmittelproduktion im Land erhalten“, so der Bauernbund-Präsident. 

Märkte und Lehren berücksichtigen

Die Entwicklung der Märkte steht auch für den Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, im Mittelpunkt: „Die Zielsetzung, einerseits die regionale Versorgung sicherzustellen, und andererseits immer höhere Auflagen einzufordern, geht nicht zusammen.“ Die Entwicklung gehe aktuell so schnell, dass die Bauern gar nicht reagieren können. Moosbrugger übt in diesem Zusammenhang scharfe Kritik an den strengen Zielen und Auflagen im Green Deal und in der Farm-to-Fork-Strategie. Hier müssten die enormen Umwälzungen der letzten Jahre berücksichtigt werden: „Viele Strukturen auf EU-Ebene sind behäbig, ideologieorientiert und werken an der bäuerlichen Realität vorbei. Es gilt, Lehren aus Corona und dem Krieg in der Ukraine zu ziehen und schnellere Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln.“ Moosbrugger fordert die EU-Kommission auf, den Green Deal grundlegend zu überarbeiten. Der Kammerpräsident gibt auch ein Bekenntnis zu höheren Standards ab, verlangt zugleich aber Wettbewerbsfairness: „Wo Österreich eine höhere Qualität hat, muss zumindest die Herkunft besser gekennzeichnet werden. Daher setzen wir uns für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung ein.“ 

AusgabeRZ37-2023

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