„Jeder Fall ist einer zu viel“

Die AMA-Marketing erhöht 2023 ihre Kontrollen und will mit mehr Transparenz das Vertrauen in das Gütesiegel stärken.

Ein Schlachtkörper wird mit dem AMA-Gütesiegel gestempelt
© AMA-Marketing

Vor etwas mehr als 100 Tagen hat Christina Mutenthaler-Sipek die Geschäftsführung der AMA-Marketing übernommen – gerade als aufgedeckte Missstände bei einem Hühnermastbetrieb in der Steiermark für Aufsehen und auch Kritik an den AMA-Kontrollen sorgten. Der Betrieb aus dem veröffentlichten Video wurde umgehend für das AMA-Gütesiegelprogramm gesperrt und eine Sofort-Kontrolle durch einen fachkundigen Tierarzt durchgeführt. Weiters reagierte die AMA-Marketing mit der Beauftragung von Schwerpunktaktionen und zusätzlichen Spot-Audits – das sind unangekündigte, tierwohlbezogene Überprüfungen – im Geflügelmastbereich. 

Weitere Maßnahmen zur Stärkung des Kontrollsystems wurden damals ebenfalls angekündigt und nun von Mutenthaler-Sipek als „neue Transparenz- und Qualitätsoffensive“ präsentiert. Vorweg adressierte die Geschäftsführerin das fehlende Bewusstsein für die tatsächlichen Aufgaben und Leistungen der AMA-Marketing. Als hundertprozentige Tochter der Marktordnungs- und Zahlstelle Agrarmarkt Austria (AMA) ist die AMA-Marketing mit dem gesetzlichen Auftrag ausgestattet, für eine „ganzheitliche Qualitätssicherung, die aktive Informationsvermittlung und eine nachhaltige Absatzförderung zu sorgen“.

„Die Qualitätssicherung ist das Herzstück der AMA-Marketing. Über 41.000 Landwirte – also rund ein Drittel alle österreichischen Landwirte – nehmen am AMA-Gütesiegelprogramm teil und verpflichten sich so freiwillig zur Einhaltung von Richtlinien und deren Kontrolle“, unterstreicht Mutenthaler-Sipek. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass zwei Drittel aller österreichischen Landwirte nicht mit dem AMA-Gütesiegel zertifiziert sind. 

Neben den landwirtschaftlichen Betrieben nehmen zudem rund 5.000 Lizenznehmer an AMA-Qualitätsprogrammen teil: Dazu gehören der Lebensmittelhandel, Schlacht- und Zerlegebetriebe, Verarbeitungsbetriebe, Molkereien, Bäckereien und Metzgereien sowie auch 1.500 Gastronomiebetriebe. „Wir sichern die gesamte Wertschöpfungskette ab“, so Mutenthaler-Sipek.

Größtmögliche Wirkung

Bei einem Lebensmittel mit AMA-Gütesiegel stammen alle wertbestimmenden landwirtschaftlichen Rohstoffe aus Österreich. Auch die Be- und Verarbeitung erfolgt im Land. Fleisch darf zum Beispiel nur dann das Gütesiegel tragen, wenn die Tiere in Österreich geboren, gefüttert, geschlachtet und zerlegt wurden. „Aber es gibt nicht das eine Gütesiegel für alles“, betont Mutenthaler-Sipek. Den verschiedenen Produktgruppen liegen insgesamt 18 Richtlinien zu Grunde, die wiederum unterschiedlich weit von den gesetzlichen Mindeststandards entfernt sind. Während beispielsweise die AMA-Richtlinie für Pute die höchsten Standards in der EU vorschreibt, befindet sich die Richtlinie für Schwein noch „näher am Gesetz“.

Diese Richtlinien werden nicht von der AMA-Marketing festgelegt, sondern gemeinsam mit Experten und Praktikern aus der jeweiligen Branche erarbeitet, erklärt die Geschäftsführerin. Beschlossen werden die Richtlinien von den jeweiligen Fachgremien. Diese wiederum setzen sich aus Vertretern der Wertschöpfungskette zusammen. „Das heißt, wir zielen immer auf Branchenabschlüsse ab.“ 

Das AMA-Gütesiegel sei bewusst als „Breitenprogramm“ konzipiert, um eine größtmögliche Wirkung auf viele Betriebe in der Qualitätsverbesserung und Herkunftsabsicherung zu erzielen. „Klar ist, nur mit breiten umsetzbaren Kriterien schaffen wir auch nachhaltige Branchenveränderungen. So zum Beispiel geschehen mit der Einführung standardisierter Fleischetiketten und der Einzel-Ei-Kennzeichnung am landwirtschaftlichen Betrieb.“

Seit 2017 gibt es neben den Richtlinien freiwillige Zusatzzertifizierungen im Bereich der Tierhaltung mit klar unterscheidbarer Kennzeichnung für die Konsumenten wie „mehr Tierwohl“ oder „langsam wachsende Rassen“ im Geflügelbereich. 

Null-Toleranz-Haltung

Die AMA-Qualitätssicherung fußt auf einem dreistufigen Kontrollsystem. Die Basis sind betriebliche Eigenkontrollen. Jeder Vertragspartner ist verpflichtet, zum Beispiel jährliche Checklisten auszufüllen und vorzulegen. Die zweite Stufe umfasst die externen Routine-Kontrollen. Diese werden von unabhängigen, akkreditierten Kontrollstellen durchgeführt. Die dritte Stufe ist die Überkontrolle und dient zur Überprüfung der externen Kontrolle, des gesamten Kontrollsystems und zur Evaluierung der Richtlinie. Sie wird von Mitarbeitern der AMA-Marketing oder von externen unabhängigen Experten durchgeführt. Hinter dem Kontrollsystem steht ein fünfstufiger Sanktionskatalog, der von 0, keine Beanstandung, bis zu 5, dem Ausschluss aus dem AMA-Gütesiegelprogramm, reicht. 

„Alle 30 Minuten findet eine AMA-Gütesiegelkontrolle statt. 2022 wurden rund 20.000 durchgeführt. Bei 80 Prozent der Betriebe gab es keine Beanstandungen. 59 Betriebe mussten wir im vergangenen Jahr aus dem Programm ausschließen oder für Lieferungen ins AMA-Gütesiegelprogramm sperren, wir befinden uns also im Promillebereich. Trotzdem ist jeder Fall einer zu viel. Die AMA-Marketing hat in solchen Fällen ganz klar eine Null-Toleranz-Haltung“, bekräftigt Mutenthaler-Sipek.

Drei Maßnahmenpakete

Nichtsdestotrotz zieht man die Maschen des Kontrollsystems jetzt noch enger: So werden 2023 die Kontrollen um 10 Prozent auf 22.000 erhöht sowie zusätzlich 1.000 unangekündigte Spot-Audits durchgeführt. „Die AMA-Marketing ist keine Veterinärbehörde. Wir können nicht jeden Betrieb 24 Stunden am Tag kontrollieren. Wir können aber die Effizienz unseres Systems steigern“, so Mutenthaler-Sipek bei der Präsentation der neuen Transparenz- und Qualitätsoffensive. Weiters soll im Herbst 2023 das „Kontroll-Informations-System“ (KIS) in den Testbetrieb gehen. In der Datenbank sollen amtliche sowie die AMA-Kontrolldaten zusammengeführt werden, um eine übergreifende Risikoanalyse mit Frühwarnsystem zu etablieren 

Das zweite Maßnahmenpaket zielt auf die Qualität und Zusammenarbeit ab: „Wir werden viel stärker in den Austausch mit den AMA-Gütesiegel-Betrieben treten, um den Wert unseres gemeinsamen Qualitätsprogramms stärker im Bewusstsein der Betriebe zu verankern. Jeder Betrieb muss sich seiner Verantwortung gegenüber den Tieren, den Konsumenten und auch gegenüber den Berufskollegen bewusst sein“, sagt Mutenthaler-Sipek. Zudem setzt man auf Prävention durch Information und Sensibilisierung. Dazu organisiert die AMA-Marketing Schulungen, Webinare und bietet digitale Eigenkontroll-Check-Listen an. Da bei den Konsumenten Nachhaltigkeit und Tierhaltung immer wichtiger werden, arbeitet man laufend an der Weiterentwicklung der jeweiligen Richtlinien. 

Das dritte Paket steht ganz im Zeichen der Kommunikation. Vor allem die Rolle der AMA-Marketing, wofür sie steht, was ihre Aufgaben sind und wo ihre Grenzen liegen, soll klar kommuniziert werden. Außerdem hat man sich vorgenommen, noch stärker den Wert der Lebensmittel und regionalen Lebensmittelproduktion in den Vordergrund zu stellen und ein besonderes Augenmerk auf wertgebende Kommunikation zu legen sowie eine realitätsnahe Produktion und Haltungsformen zu zeigen. Dafür ist zu Beginn des Jahres die neue Plattform haltung.at online gegangen. Zur transparenten Darstellung wurde mit April 2023 auch ein Kontroll-Ticker, der wöchentlich anonymisiert über den Status der AMA-Kontrollen informiert, integriert. 

All diese Bemühungen seien notwendig, um auch in Zukunft Branchenverbesserungen zu erzielen, sagt Mutenthaler-Sipek: „Für uns ist wichtig, weiterhin eine nachvollziehbare Herkunft und geprüfte Qualität im leistbaren Segment zu garantieren. Wir werden den Weg der Lebensmittelgüte und den Regionalitäts-Gedanken weiter verfolgen und stärker auf die Partnerschaft entlang der Wertschöpfungskette eingehen. Alle sind gefordert. Unser großes gemeinsames Ziel ist, die Zukunft der Land- und Ernährungswirtschaft zu sichern.“