Diversität: „Vielfalt muss zur Selbstverständlichkeit werden“

Im Zentrum beim heurigen Bundeskongress Diversität & Co-Kreation stand der Mensch – egal ob Mann, Frau, alt, jung, anders oder was das Spektrum der Diversität an Unterschieden zu bieten hat. Dabei wurde deutlich, dass sich Gegensätze wunderbar ergänzen können und jeder Einzelne als unentbehrliches Zahnrad zum Erfolg beitragen kann.

Diversität & Co-Kreation Gruppe hält große Buchstaben in die Luft DIVERSITY
© Joseph Kreplan / Robert Six

„Sind Sie noch divers oder schon inklusiv?“ – so die Headline eines Artikels der Harvard Business Review. Diversität steckt, wie man sieht, längst nicht mehr in den Kinderschuhen, sondern hat sich ein breites Feld erarbeitet, von Geschlechterdiversität und unterschiedlichen Rollenbildern über Generationenunterschiede, Migrationsthemen bis zu Inklusion. Ein komplexes Feld, das im Rahmen des 3. Bundeskongresses Diversität & Co-Kreation, der auf Einladung der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien in Wien stattgefunden hat, beleuchtet wurde.  

„Raiffeisen kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Daher ist es wichtig, dass sich die Gesellschaft auch in den Gremien von Raiffeisen widerspiegelt“, unterstreicht der Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes, Erwin Hameseder, und hebt den vor zehn Jahren gegründeten Funktionär­innen-Beirat als gelungenes Beispiel für gelebte Diversität hervor: „Wir haben uns das Ziel gesteckt, kommendes Jahr einen Frauenanteil von 25 Prozent in der Bankengruppe zu erreichen. Und wir befinden uns kurz vor der Umsetzung“, zeigt er sich stolz auf die heuer erreichten 22 Prozent.

Wichtig sei es aber auch, den Jungen Verantwortung zu übertragen und in den Gremien für eine ausgewogene Altersstruktur zu sorgen, betont Hameseder. Mit dem Projekt „Generation next“ sei man hier auf einem guten Weg. „Diversität ist ein Eckpfeiler für uns geworden und wichtig für die Zukunft unseres Sektors“, so Hameseder. Der Generalanwalt wünscht sich, dass nun auch konkrete Maßnahmen folgen: „Geben Sie in Ihrem Wirkungsbereich keine Ruhe. Denn Unruhe schafft Maßnahmen. Vielfalt muss zur Selbstverständlichkeit werden.“

Erwin Hameseder beim 3. Bundeskongress Diversität & Co-Kreation
Erwin Hameseder © Joseph Kreplan / Robert Six

Voneinander lernen

Dass Diversität bei Raiffeisen NÖ-Wien nicht nur eine leere Worthülle ist, betont auch Generaldirektor Michael Höllerer als Gastgeber des Kongresses in seinen Begrüßungsworten: „Wir wollen zeigen, was wir tun und dass wir das Thema ernst nehmen – nicht zuletzt, um auch als Arbeitgeber attraktiv zu sein, voneinander zu lernen und authentisch zu bleiben. Daher haben wir vier Diversitäts-Themen definiert – Geschlecht, Inklusion, Migration und Generation – und jeder der vier Vorstände der RLB NÖ-Wien hat sich einer Kernthematik angenommen.“

Claudia Süssenbacher wurde etwa mit dem Frauen­thema betraut und berichtet über das „Women Mentoring Program“, das sie gemeinsam mit der ehemaligen Frauenministerin und heutigen Unternehmensberaterin Maria Rauch-Kallat ins Leben gerufen hat. Ein individuelles Mentoring zeigt Möglichkeiten auf, damit Frauen in Führungspositionen ihren Platz stärken können und besser sichtbar sind. Dabei geht es Süssenbacher auch um das Gesamtgefüge, bei dem nicht nur Mann/Frau, sondern auch Alt/Jung und alle anderen Gegensätze ihre Berechtigung haben, erläutert sie.

Inklusiv und ohne Angst

Andreas Onea beim 3. Bundeskongress Diversität & Co-Kreation
Andreas Onea © Joseph Kreplan / Robert Six

Die Patenschaft für das Thema Inklusion fällt in den Aufgabenbereich von RLB-Vorstand Roland Mechtler. Sein Ziel ist es, weg von der Angst und Scham zu kommen, mit der wir Menschen mit Behinderung oft entgegentreten. Stattdessen möchte er den Blick auf die Stärken richten, die hinter einer offensichtlichen Behinderung stehen. Um Inklusion in den Bankenalltag zu integrieren, sei eine kulturelle Veränderung im Team notwendig. „Wir wollen keine Quoten erfüllen“, betont Mechtler. Sein Ziel ist es, dass auch „besondere“ Mitarbeiter als Bereicherung angesehen werden und man sagt: „So jemanden möchte ich in unserem Team haben.“ Im Moment werden diesbezüglich Jobdescriptions umformuliert, um auch inklusive Mitarbeiter erreichen zu können. 

Dass eine Behinderung keinen Verzicht auf ein erfolgreiches Leben bedeuten muss, beweist Andreas Onea, ORF-Moderator und Paralympics-Schwimmer. Mit 6 Jahren hat er seinen linken Arm bei einem Autounfall verloren. Sein Ehrgeiz, trotzdem all seine Ziele wahrzumachen, ist ihm nicht abhandengekommen. Er hat hart trainiert und Medaillen gewonnen. Oneas Credo: „Es ist wichtig, dass wir uns nicht von der Angst leiten lassen, sondern von ‚was wäre, wenn es klappt?‘.“

Der Mensch als Kraftfeld

Während sich RLB-Vorstand Reinhard Karl dem Generationen-Thema widmet, ist Martin Hauer als Retail-Vorstand für Wien in der RLB NÖ-Wien zuständig für das Thema Migration. „Die Welt ist nicht schwarz-weiß und schon gar nicht gelb-schwarz. Um im Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir offen für neue Gedanken und Kulturen sein.“ Gerade in Wien sei der Anteil von Menschen mit Migrationserfahrung sehr groß. Daher seien interkulturelle Kompetenzen sehr wichtig, weiß Hauer.

Es sind per Definition die sieben Kerndimensionen Alter, ethnische Herkunft, Geschlechtsidentität, Religion & Weltanschauung, soziale Herkunft, sexuelle Orientierung und Beeinträchtigungen, die in der EU unter gesetzlichem Diskriminierungsschutz stehen. Auf Basis dieser Dimensionen sind 2,8 Milliarden Varianten „des Menschseins“ möglich, rechnet der Trainer und Experte für New Leadership Michael Pohl vor. Aber: „Es gibt nur eine Dimension: Mensch. Jeder Mensch ist eine eigene Kategorie“, betont er und ruft im Sinne einer „radikalen Diversität“ dazu auf, sich von der „Kategorisierung von Menschen“ zu verabschieden. „Wenn wir Menschen in der Schublade lassen, wird Entwicklung verhindert“, betont Pohl und erinnert: „Unternehmen, die Diversität leben, sind erfolgreicher, attraktiver, kreativer und resilienter – und damit profitabler.

Michael Pohl beim 3. Bundeskongress Diversität & Co-Kreation
Michael Pohl © Joseph Kreplan / Robert Six

Das perfekte Team

Erfolg entsteht immer durch die gelungene Arbeit eines gut eingespielten Teams. Dieses profitiert von unterschiedlichen Kompetenzen, es muss richtig gemischt sein. „Wer ein Team gut zusammensetzen kann, der hat bereits gewonnen“, spricht LLI-Generaldirektor Josef Pröll aus Erfahrung. Das gilt im Sport genauso wie in der Arbeitswelt. Als Führungskraft sei es dabei wichtig, Diversität zuzulassen und Neugierde zu fördern. Nur wenn man spontan ist, entstehen Dinge, die man vielleicht nicht geplant hat, die aber perfekte Lösungen hervorbringen.

Perfekt muss ein Team auch sein, wenn es in den Weltraum fliegt – denn Fehler hätten dort fatale Folgen. Die Physikerin Laura Winterling bildet Astronauten aus und formt in einem Zeitrahmen von drei Jahren ein eingeschweißtes Team aus ihnen. Erst dann darf dieses auf die Internationale Raumstation ISS. Das Auswahlverfahren sei nervenaufreibend – dabei werden die Kandidaten in Stresssituationen gebracht und ihre Entscheidungen genau beobachtet, erzählt Winterling. „Auch Führungspersönlichkeiten stehen oft vor Herausforderungen, bei denen es gilt, rasch und richtig zu entscheiden“, schlägt sie die Brücke in die Wirtschaftswelt und weiß, was Astronauten und Führungskräfte vereint: Nur die Besten auf ihrem Gebiet schaffen es am Ende ganz nach oben.