Ob beim täglichen Einkauf, bei Kleidung, Ernährung, Energieverbrauch oder ganz grundsätzlich der Lebensweise – Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr, sondern allgegenwärtig. Und zwar nicht nur auf persönlicher Ebene jedes Einzelnen, sondern auch wirtschaftlich: In den vergangenen Jahren hat sich das Thema Nachhaltigkeit vom rein regulatorischen Faktor zum strategischen Leitmotiv entwickelt. Denn: Nachhaltige Unternehmen – also jene, die im Bereich ESG (Environmental, Social, Governance) gut performen, sind wirtschaftlich erfolgreicher, stabiler und weniger insolvenzgefährdet. Zu diesem Ergebnis kamen bereits in der Vergangenheit mehrere Studien, das vor kurzem auch hierzulande bestätigt wurde.
Ende August stellte die bislang größte Analyse von 420.000 Unternehmen in Österreich, durchgeführt von der Wirtschaftsauskunftei CRIF, einen direkten Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Erfolg fest. Die österreichische Studie bestätigt damit die weltweiten Ergebnisse von CRIF, die 144 Länder mit über 500.000 Unternehmen umfasst.
Bundesweit gutes Ergebnis
Laut der ESG-Analyse von CRIF schneiden die Unternehmen in Österreich in Sachen Nachhaltigkeit mit einem durchschnittlichen ESG-Wert von 2,48 insgesamt „gut“ ab. Rund ein Drittel (34 Prozent) erreicht dabei eine sehr gute oder gute ESG-Performance (Wert 1 oder 2 auf einer Skala von 1 bis 5). Besonders interessant: Diese nachhaltigeren Unternehmen sind nicht nur um 15 Prozent wirtschaftlich stabiler als Firmen mit schlechter ESG-Bewertung (Wert 4–5), sondern auch deutlich erfolgreicher – sie erwirtschaften 69 Prozent des Gesamtumsatzes aller untersuchten Unternehmen.
Grundlage der Untersuchung waren zwei zentrale Kennzahlen: Zum einen der CRIF-Score, der als Maß für die wirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens dient und Aussagen zur Bonität sowie Zahlungsfähigkeit ermöglicht. Zum anderen der ESG-Indikator, der auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (ungenügend) die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens bewertet – basierend auf einer analytischen Berechnung verschiedener Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien.
Ruth Moss, Head of Sustainability bei CRIF Österreich, sieht einen Paradigmenwechsel: „Es geht nicht mehr um die Frage, ob wir uns Nachhaltigkeit leisten können. Vielmehr zeigt sich, dass nur nachhaltiges Wirtschaften Unternehmen langfristig erfolgreich und zukunftsfit macht.“
Gerade in den aktuell wirtschaftlich unsicheren Zeiten sehen sich viele Unternehmen mit hoher Inflation, steigenden Kosten oder gar drohender Insolvenz konfrontiert. Österreich droht heuer das dritte Rezessionsjahr in Folge, die Inflation stieg zuletzt auf über vier Prozent. Gerade in dieser Situation könnten die Studienergebnisse Orientierung für Unternehmen bieten, so Moss: „Nachhaltigkeit ist kein Luxus, sondern das Fundament, auf dem Stabilität, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aufbauen.“
Unterschiede zwischen Ländern und Branchen
Bei detaillierter Betrachtung offenbaren sich jedoch deutliche regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern: Unternehmen aus Salzburg erreichen mit einem ESG-Wert von 1,87 die mit Abstand beste Bewertung. Auch Tirol (1,91) und Wien (2,41) schneiden stark ab und liegen damit über dem österreichweiten Durchschnitt. Ganz anders das Burgenland: Mit einem Wert von 2,79 liegt es am Ende des Rankings. Im Mittelfeld finden sich Vorarlberg (2,56), Oberösterreich (2,60), Kärnten (2,66), die Steiermark (2,67) und Niederösterreich (2,74).
Neben regionalen Unterschieden offenbart die CRIF-Analyse auch erhebliche Differenzen zwischen einzelnen Branchen. Besonders gut schneiden Unternehmen der Immobilienwirtschaft mit einem ESG-Wert von 1,99 ab, gefolgt von der Energieversorgung (2,13) und den Finanzdienstleistungen (2,21). Deutlich schwächer performen hingegen das Baugewerbe (2,57) und der Handel (2,73). Die Logistikbranche weist mit einem Wert von 4,23 den niedrigsten ESG-Wert auf und unterstreicht damit den dringenden Handlungsbedarf in diesem Sektor.
Integration statt Isolation
Handlungsbedarf scheint trotz der guten Ergebnisse der heimischen Unternehmen auch noch bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit zu bestehen. So kommt eine Anfang August veröffentlichte Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsorganisation EY zu dem Ergebnis, dass zwischen Nachhaltigkeitsstrategie und Unternehmensstrategie oftmals eine Lücke klafft. Demnach erzielen Firmen, die Nachhaltigkeit fest in ihre Gesamtstrategie integriert haben, bessere Geschäftsergebnisse als jene, die sie isoliert betrachten. Im Rahmen der EY-Studie wurden 200 Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte großer europäischer Unternehmen befragt.
Laut Willibald Kaltenbrunner, Partner bei EY Denkstatt, lassen die Ergebnisse auch Rückschlüsse auf die heimische Firmenlandschaft zu: „Österreichs Unternehmen sind ambitioniert, aber oft noch operativ fragmentiert aufgestellt. Wer Nachhaltigkeit ernst meint, muss sie vom Reporting-Ziel zur Steuerungslogik entwickeln.“