„Ein Computer kann 24 Stunden durcharbeiten, hat keine Schmerzen und ermüdet nicht“, verglich der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung, Kurt Weinberger, „deshalb müssen wir uns alle noch intensiver mit der Digitalisierung auseinandersetzen.“ Als größter Tierversicherer des Landes sehe sich sein Haus dabei in der Verpflichtung, neueste Entwicklungen rund um Robotik und Sensorik aufzuzeigen und die Frage „Wie beeinflusst die Digitalisierung die Tierhaltung?“ zu beantworten. „Bereits heute können Melkroboter, Sensoren zur Erfassung der Wiederkautätigkeit oder digitale Mikrofone zur Erkennung von Husten das Verhalten eines einzelnen Tieres erfassen und Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand geben“, so Weinberger.
Zu den konkreten Auswirkungen auf die Rinderwirtschaft sprach Christa Egger-Danner von der Rinderzucht Austria. Mehr Effizienz bei der Futterverwertung, Ressourcenschonung, Gesundheit und Leistung seien die wesentlichen Bereiche, mit denen sich der Sektor beschäftige. „Die Anwendung von Hochtechnologie schafft jene Konkurrenzfähigkeit, mit der die bäuerlichen Familienbetriebe bestehen können“, meinte Egger-Danner. „Die genomische Selektion hat beispielsweise die Rinderzucht für immer verändert. Aktuell wird jedes achte Fleckviehkalb und jedes zwölfte Brown-Swiss-Kalb genotypisiert.“ Mit den dabei ausgelesenen Informationen lassen sich Anpaarungen viel akkurater planen und das genetische Potenzial besser ausnutzen. Dabei geht es nicht bloß um die reine Milchleistung, sondern auch um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere.
Ein wesentlicher Schritt zu mehr Informationen ist auch der Boom bei automatischen Melksystemen. Standen 2012 noch nicht einmal 100 Melkroboter im Einsatz, sind es heute mehr als 1.500. Sie sammeln bei jeder Melkung wertvolle Daten über die Milch und daraus resultierend über den Zustand der Kuh. Zusätzlich liefern viele andere Sensoren in und am Tier sowie im Stall weitere Zahlenreihen. Die Kunst ist es, diese zu vernetzen und zu interpretieren. Hier kommen die Rinderzucht Austria und ihre Datenbanken ins Spiel. „Der Landwirt sieht damit auch, wie er im Vergleich zu anderen liegt“, meinte Christa Egger-Danner. Die Stärken der bäuerlichen Rinderwirtschaft zu erhalten, gehe nur mit Zusammenarbeit. „Wir müssen für die Praxis leicht verständlich Kennzahlen und Handlungsempfehlungen ableiten.“
Digitale Glocke
Ein anderes Beispiel für den Nutzen der Digitalisierung stellte Thomas Guggenberger von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein mit dem Projekt „WeideGPS“ vor. Mit diesem können Tiere auf der Alm einfacher gefunden werden. „Im Alpenbogen gibt es eine große Tradition der kleinen Wiederkäuer wie Schafe oder Ziegen.“ Deren Weidegang stellt aber nicht zuletzt aufgrund der Rückkehr großer Beutegreifer wie dem Wolf eine zunehmende Herausforderung dar. „Die moderne Glocke hilft bei der Suche und dient jetzt zur Kontrolle“, so Guggenberger, „in Zukunft ist auch ein Alarm, wenn etwas vorgefallen ist, denkbar.“ Zudem könnten sich Almbewirtschaftungspläne daran orientieren, wo sich die Tiere bevorzugt aufhalten. Eine Netzabdeckung mit Edge sei dafür bereits ausreichend und auch in den meisten entlegenen Gebieten vorhanden.
Der Chief Digital Officer im Landwirtschaftsministerium, Reinhard Mang, bezeichnete es als Aufgabe der Verwaltung, die Landwirtschaft bestmöglich beim digitalen Wandel zu unterstützen. „Es herrscht eine große Unterschiedlichkeit bei den 110.000 österreichischen Betrieben mit Nutztierhaltung. Wir wollen jeden dort abholen, wo er sich gerade befindet und eine digitale Kluft verhindern.“
Das Ministerium sehe sich dabei nicht als Treiber der technologischen Entwicklung, wolle aber Rahmenbedingungen schaffen, damit keiner zurückbleibt. Als Beispiel dafür nannte Mang die „Innovation Farm“, mit der digitale Kompetenzen in der Landwirtschaft geschaffen werden sollen. An mehreren Standorten können die Bauern dort die Umsetzung in der Praxis kennenlernen. „Dabei muss die Digitalisierung immer ein Werkzeug und kein Selbstzweck sein“, so Mang.