Energiesicherheit in turbulenten Zeiten

Die neu gegründete Energiegenossenschaft Alland zeigt, dass auch für globale Probleme regionale Antworten gefunden werden können, wenn man zusammenhilft.

Es ist kurz nach 19 Uhr, der Gemeindesaal Alland zum Bersten voll. Längst sind nicht nur die rund 60 Sitzplätze besetzt, sondern auch stehend findet sich kaum mehr Raum für die vielen Interessierten, um gemeinsam den historischen Moment zu begehen: die Gründung der Energiegenossenschaft Alland, eine sogenannte Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft (EEG) in der Form einer Genossenschaft. Mit ihr soll der 2.600-Einwohner-Ort im Biosphärenpark Wienerwald durch organisierten Einsatz von Photovoltaik (PV) eigenständiger und nachhaltiger werden. 

„Mit dem heutigen Tag ist das Skelett gebaut. Ab jetzt liegt es an uns allen, es mit Fleisch zu befüllen“, sagt Gemeinderätin und Obfrau der Energiegenossenschaft, Andrea Mayer. Angesichts des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Verwerfungen an den europäischen Energiemärkten sei Energiesicherheit aktueller denn je. Die Genossenschaft war ihrer Zeit allerdings weit voraus, hatte die Planung doch bereits Mitte 2021 begonnen. Unter tatkräftiger Mithilfe der Energiezukunft Niederösterreich (EZN), ein Unternehmen des Landes Niederösterreich und der EVN, wurde aus einer Idee eine fertige Genossenschaft. Dementsprechend hoch ist jetzt das Interesse: Bereits 197 Haushalte sind für einen Beitritt vorgemerkt – knapp das Doppelte der ursprünglich als „kritische Masse“ angesehenen 100 Mitglieder. 

Regional und sicher

Ziel der Energiegenossenschaft Alland ist es, die Stromversorgung regional und preissicher zu gestalten. Für rein verbrauchende Genossenschaftsmitglieder will man einen günstigeren Strompreis als bei großen Energieunternehmen anbieten, während produzierende Genossenschafter – also jene mit eigener Photovoltaik-Anlage – einen fairen Preis für ihren Strom bekommen sollen. So bleibt das Geld in der Region und stärkt die Kreislaufwirtschaft. Dieser Preis wurde vorerst auf 22 Cent pro Kilowattstunde (kWh) festgelegt und kann, falls erforderlich, alle sechs Monate angepasst werden.

Dass diese 22 Cent im Moment aufgrund der erratischen Strommärkte noch viel Diskussionspotenzial bieten, zeigt sich unmittelbar nach der Verkündung im Gemeindesaal. Alois Zach, einer der Gründerväter der Genossenschaft und Vorstandsmitglied sowie ehemaliger Geschäftsleiter der Raiffeisen Regionalbank Mödling, beruhigt: Es sei völlig klar, dass hier noch diskutiert wird. Manche Verbraucher hätten noch alte Verträge mit nur einstelligen Cent-Beträgen pro Kilowattstunde. Bei Erzeugern wären beim Verkauf ihres PV-Stroms momentan 30 Cent am Markt zu lukrieren. „Aber die alten Verträge laufen bald alle aus. Daher macht es für jeden mittelfristig Sinn, der Genossenschaft beizutreten“, sagt Zach. 

Die RRB Mödling ging gleich mit gutem Beispiel voran: Nur wenige Minuten nachdem bei der Gründungsversammlung die Beitrittserklärungsformulare live per E-Mail an die vorgemerkten Personen versendet wurden, trat die Bank der Energiegenossenschaft Alland bei. Mit der Photovoltaik-Anlage am Dach der Raiffeisenbankstelle Alland wird in Zukunft Genossenschafts-Strom erzeugt. 

„Nächstes Ziel ist, dass in absehbarer Zeit 50 Prozent aller Haushalte in Alland – das wären rund 400 – Teil der Genossenschaft sind“, erzählt Zach von den ambitionierten Wachstumsplänen. Momentan bleibt jedes Mitglied auch weiterhin am öffentlichen Stromnetz, um in der Nacht oder bei wenig Tageslicht ebenfalls versorgt zu sein.

 Und auch wenn völlige Autarkie erklärterweise nicht das Ziel ist, fehlt es nicht an Ideen: Zachs Augen leuchten, wenn er von großen Energiespeichern mit viel Kapazität oder einem eigenen Bürgerkraftwerk träumt. Auch E-Autos der aktuellen Generation könne man als Pufferspeicher verwenden, indem man sie mit Sonnenenergie lädt und anschließend ins Netz zurück speisen lässt, wenn keine Sonnenenergie verfügbar ist und sie gerade nicht gebraucht werden. Zukunftsmusik oder doch schon bald Realität? Das Skelett muss sich – wie es scheint – keine Sorgen um sein Fleisch machen.


Wie eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften funktioniert und warum sich das Modell der Genossenschaft am besten dafür eignet, erklärt Josef Plank vom Österreichischen Raiffeisenverband.

Weiter Informationen finden Sie unter energiegenossenschaften.kooperieren.at

AusgabeRZ39-2022

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