Hameseder: „Weniger Steuern, mehr Hausverstand“

Generalanwalt Erwin Hameseder skizziert im Vorfeld der Nationalratswahl die Vorschläge des Österreichischen Raiffeisenverbandes, um Österreich als Wirtschaftsstandort zurück an die Spitze zu führen.

Herr Generalanwalt, der Österreichische Raiffeisenverband hat eine klare Botschaft an die nächste Bundesregierung: Die Steuerlast muss spürbar gesenkt werden. Können Sie uns Ihre Forderungen näher erläutern?
Erwin Hameseder: Für einen attraktiven Wirtschaftsstandort ist es essenziell, die Steuer- und Abgabenbelastung deutlich zu reduzieren. Die österreichischen Unternehmen stehen in einem internationalen Wettbewerb, der sich neben der Qualität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie den Lohnkosten auch über die Rahmenbedingungen in den einzelnen Staaten definiert. Daher sind wir im Österreichischen Raiffeisenverband davon überzeugt, dass die Steuerlast und die Lohnnebenkosten stufenweise gesenkt werden müssen.

Warum ist das Ihrer Meinung nach so entscheidend?
Hameseder: Österreich zählt zu den Ländern in der Europäischen Union mit den höchsten Steuer- und Abgabenquoten. Diese hohen öffentlichen Abgaben beeinträchtigen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, sondern belasten auch die arbeitenden Menschen. Neben dem sich abzeichnenden Arbeitskräftemangel und einer gut diversifizierten Energieversorgung ist die Senkung der Steuer- und Abgabenquoten wohl die wichtigste Aufgabe der künftigen Bundesregierung.

Der ÖRV fordert auch die Wiedereinführung einer steuerfreien Behaltefrist für den langfristigen Vermögensaufbau. Warum ist das notwendig?
Hameseder: Die erhöhte Kapitalertragsteuer von 27,5 Prozent auf Wertpapiere sendet ein fatales Signal an den Kapitalmarkt. Es ist wichtig, steuerlich zwischen kurzfristiger Spekulation und langfristiger Investition zu unterscheiden. Für den langfristigen Aufbau von Vermögen brauchen wir steuerliche Anreize. Die steuerfreie Behaltefrist würde es Menschen ermöglichen, langfristig vom Kapitalmarkt zu profitieren und gerade für die Altersvorsorge ausreichend Kapital ansparen zu können. 

Wie stehen Sie zur Kapitalertragsteuer für Erträge auf Sparbücher?
Hameseder: Auch diese Steuer sollte von der nächsten Bundesregierung abgeschafft werden, weil sie gerade auch für kleinere Sparbeträge die Erträge noch immer um 25 Prozent mindert und zu einer stetigen Entwertung der Sparguthaben beiträgt. Die KESt-Befreiung für Einlagen auf Sparbücher und Sparkonten kann sich positiv auf den Vermögensaufbau für breite Schichten der österreichischen Bevölkerung auswirken. 

Erwin Hameseder im Interview
© Eva Kelety

Nach wie vor gibt es in Österreich eine Sondersteuer auf Bankinstitute, die sogenannte Stabilitätsabgabe. Sie wurde für die Kostenbeteiligung der Bankenbranche an vergangenen Bankenrettungen eingeführt. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, diese Abgabe abzuschaffen?
Hameseder: Seit 2011 wurden über 5,5 Milliarden Euro von den Kreditinstituten über die Stabilitätsabgabe an die öffentliche Hand abgeführt. Diese Sondersteuer hat aber mittlerweile ihre Berechtigung verloren. Die österreichischen Banken haben in den letzten Jahren ausreichend Mittel für zukünftige Krisen angespart. Allein in den letzten acht Jahren haben die heimischen Institute zusätzlich zu den üblichen Steuerzahlungen etwa 4 Milliarden Euro in die Krisenvorsorge investiert. So sind mehr als 2 Milliarden Euro in den österreichischen Einlagensicherungsfonds geflossen – allein 800 Millionen Euro davon hat die Raiffeisen Bankengruppe aufgebracht. Ebenso haben die Kreditinstitute rund 2 Milliarden Euro in den europäischen Abwicklungsfonds eingezahlt, davon über 700 Millionen Euro Raiffeisen. Diese Gelder stehen bar eingezahlt als Sicherheit für allfällige künftige Krisen zur Verfügung. Die Stabilitätsabgabe führt heute vor allem zu einem Wettbewerbsnachteil für österreichische Banken im europäischen Kontext. Ihre Abschaffung ist daher dringend erforderlich.

Die Immobilienbranche steckt aktuell in der Krise. Welche Probleme sehen Sie hier?
Hameseder: Die Bedingungen für Immobilienfinanzierungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Kreditvergabebeschränkungen, kombiniert mit den gestiegenen Leitzinsen und hohen Baukosten, haben zu einem Einbruch der Immobilienkreditvergabe geführt. Es ist entscheidend, dass nun gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, um die schwächelnde Immobilienbranche wiederzubeleben. 

Wie kann die Politik Ihrer Meinung nach die Immobilienbranche unterstützen?
Hameseder: Zum einen gibt es nach wie vor die Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) der österreichischen Finanzmarktaufsicht, die im Juni 2025 ausläuft. Diese sollte keinesfalls verlängert werden, weil sie in Zeiten eines Immobilienbooms und Nullzinsen erlassen worden ist. Ebenso würden in der aktuellen Phase zusätzliche Eigenmittelanforderungen der Aufsicht für Immobilienfinanzierungen die Kreditvergabe komplett zum Erliegen bringen. Außerdem sollten die Bundesländer wieder mehr Geld für die Wohnbauförderung in die Hand nehmen, um langfristig leistbares Wohnen zu gewährleisten und das Immobilien- und Baugewerbe wieder zu stimulieren. 

Unsere kleinteilige genossenschaftliche Bankenstruktur macht uns im Vergleich zu anderen Ländern sicherer, widerstandsfähiger und vertrauenswürdiger.

Erwin Hameseder

Ein großes Thema ist auch die Stärkung der Regionalbanken. Welche Herausforderungen sehen Sie hier?
Hameseder: 15 Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise hat sich das Umfeld für Genossenschaftsbanken stark geändert. Aufgrund des hohen regulatorischen Drucks in den letzten Jahren ist die Anzahl der Regionalbanken stark zurückgegangen. Die Anforderungen, die ursprünglich für Großbanken gedacht waren, werden oft auch auf kleine Genossenschaftsbanken angewendet. Diese Überregulierung ist problematisch für unsere kleinteilige Bankenstruktur, die nicht nur ein wichtiger Bestandteil der regionalen Wirtschaft ist, sondern uns im Vergleich zu anderen Ländern sicherer, widerstandsfähiger und vertrauenswürdiger macht.

Welche Lösungen schlagen Sie vor?
Hameseder: Wir brauchen eine angemessene Regulierung, die den speziellen Anforderungen von Genossenschaftsbanken gerecht wird. Auch innerhalb der Aufsichtsbehörden wäre wichtig zu erkennen, dass Genossenschaftsbanken, die keine Gewinne ausschütten, sondern in der Region investieren, einen Mehrwert für die Finanzmarktstabilität haben. Zudem muss es ein Ende haben, dass Verwaltungs- und Aufsichtsaufgaben ständig von der öffentlichen Hand auf die Unternehmen und Banken übertragen werden. Sie sollten eher wieder dem Staat rückübertragen werden. Dafür brauchen wir – wie in Deutschland – auch hierzulande einen hochrangigen Beauftragten für den Bürokratieabbau, der sich solcher Themen annimmt.

Auch im Agrarbereich werden die Klagen über zu viel Bürokratie lauter. Wie könnte man diesem Umstand Ihrer Meinung nach entgegentreten?
Hameseder: Ich würde mir hier mehr Hausverstand wünschen. Wir haben den Anspruch, weiterhin die Versorgung der Bevölkerung in Österreich sicherzustellen. Dafür braucht es aber auch das Bewusstsein der Entscheidungsträger für eine ausreichende Planbarkeit und die richtigen Rahmenbedingungen der Lebensmittelversorgung in Österreich. Versorgungssicherheit wird nicht durch übertriebene Dokumentationspflichten, sondern durch eine Unterstützung der Betriebe sichergestellt. Hier braucht es ein Umdenken in manchen Bereichen der nationalen Politik. 

Abschließend noch eine Frage zur Energieversorgung: Wie steht der ÖRV zu den Erneuerbaren Energiegenossenschaften?
Hameseder: Diese Genossenschaften spielen eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Seit drei Jahren können sich Bürger und Unternehmen auf lokaler Ebene zusammenschließen, um Energie aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen und zu nutzen. Die Nachfrage nach Energiegenossenschaften ist ungebrochen hoch. Mittlerweile gibt es österreichweit fast 120 Energiegenossenschaften, die bei Raiffeisen gegründet wurden. Wir fordern, dass diese Energie-Pioniere von der österreichischen Bundesregierung weiterhin stark unterstützt werden, um die Energiewende noch weiter beschleunigen zu können.

AusgabeRZ36-2024

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