Christophe Hansen ist seit Dezember 2024 EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung. Als eines der ersten Länder besuchte er im Rahmen der heurigen Wintertagung des Ökosozialen Forums (ÖSF) auf Einladung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Österreich. Der Agrarkommissar ließ sich auf einem Ackerbaubetrieb im niederösterreichischen Weinviertel aus erster Hand berichten, mit welchen Herausforderungen Österreichs Bauernfamilien aktuell konfrontiert sind, welche Folgen der Klimawandel mit sich bringt und welche innovativen Lösungsansätze in der Praxis erprobt werden.
Seine Prioritäten für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft fasste der aus Luxemburg stammende EU-Kommissar bei seinem Antrittsbesuch in Österreich wie folgt zusammen: „Europa braucht eine starke und wettbewerbsfähige Land- und Forstwirtschaft. Dafür ist es notwendig, Bürokratie abzubauen, ein starkes EU-Agrarbudget sicherzustellen und junge Hofübernehmer zu unterstützen.“ Landwirte seien Unternehmer und brauchen Stabilität und Berechenbarkeit für ihre langfristigen Investitionen.
Vor allem, um die jüngere Bauern-Generation nicht zu verlieren, müsse die Agrarpolitik vereinfacht werden: „Wenn wir jüngere Generationen für den Agrarsektor gewinnen wollen, müssen wir auch die Politik vereinfachen. Die Landwirte sollten ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können und sich nicht mit Papierkram herumschlagen müssen“, betonte der seit Anfang Dezember amtierende Agrarkommissar, der selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt. Der EU-Spitzenvertreter verwies auf die vergleichsweise vielen Jung-Landwirte in Österreich. Über 20 Prozent der österreichischen Bauern sind jünger als 40 Jahre, im EU-Schnitt sind es 12 Prozent. „In Österreich wird etwas richtig gemacht“, so Hansen, der schon bis zum Sommer entsprechende Vorschläge zum Bürokratieabbau vorlegen will.
Hansen will die EU-Agrarpolitik aber nicht komplett umkrempeln und wird voraussichtlich Reformvorschläge für die Förderperiode 2028-2032 heuer im Herbst vorstellen. „Die nächste GAP-Reform wird keine Revolution werden“, sagte der neue EU-Kommissar. Es gebe „viele gute Elemente“ in der GAP, einiges würde „weniger gut funktionieren“. Unter anderem will Hansen Vereinfachungen bei den Auflagen und Meldepflichten.
Landwirtschaftsminister Totschnig hofft auf einen Bürokratieabbau durch den neuen EU-Agrarkommissar. „Die überbordende Bürokratie ist eine der größten Sorgen in der Landwirtschaft“, sagte der ÖVP-Politiker. „In den kommenden Monaten fallen in Brüssel richtungsweisende Entscheidungen für die Zukunft unserer Landwirtschaft.“ Das Budget für die neue Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) müsse „der hohen Inflation der vergangenen Jahre Rechnung tragen“.
ÖSF-Präsident Stephan Pernkopf wünscht sich von Hansen „einfachere Regelungen und eine Inflationsanpassung der Agrar-Direktzahlungen“. „Ein Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion in Europa, ob durch Kriege, unfaire Handelsabkommen oder überbordende Auflagen, wäre eine Gefahr für die Sicherheit“, so Pernkopf. „Wir müssen uns jederzeit selbst versorgen können.“