Österreichs Wirtschafts- und Fiskalpolitik steht nach einem jahrelangen Reformstau nun vor einer gewaltigen Belastungsprobe. Mit dem Doppelbudget 2025/26 machte der neue Finanzminister Markus Marterbauer einen ersten Schritt, um den Staatshaushalt in den Griff zu bekommen. Wifo-Leiter Gabriel Felbermayr nahm im Klub der Wirtschaftspublizisten eine Standortanalyse vor: „Nach dem Budget ist vor dem Budget. Es müssen Strukturreformen gemacht werden, um die Spielräume über das Jahr 2026 zu eröffnen. Damit es wieder Zuversicht gibt, braucht es eine Reformagenda und einen langfristigen Plan.“
Vor allem „kraftvolle Signale“ bis in die Wirtschaft hinein seien in der angespannten Wirtschaftslage besonders wichtig. Im Fokus sollten dabei vor allem die Lohnnebenkosten, die Energiekosten, ein Bürokratieabbau, aber auch die so wichtige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit etwa im Außenhandel stehen. So sollten unter anderem die Lohnnebenkosten um einige Prozentpunkte abgesenkt werden, was eine Gegenfinanzierung brauche. Dafür könnte ein Abbau klimaschädlicher Subventionen sorgen.
„Das muss man dringend angehen. Mit einem Sparpaket allein ist es nicht getan“, so Felbermayr. Man brauche einen „glaubwürdigen“ Plan für die Reformen mit Daten, bis wann diese umzusetzen seien. Erst dann werde sich die Stimmung bei den Unternehmen aufhellen und die Investitionstätigkeit könnte wieder anspringen. „Wir brauchen ein Investitionsklima. 2023 und 2024 sind die Bruttoinvestitionen preisbereinigt in den zwei Jahren um 4 Prozentpunkte gefallen“, so Felbermayr.
Defizitpfad
Auf gesamtstaatlicher Ebene sollen heuer rund 6,4 Mrd. Euro und im Jahr 2026 weitere 8,7 Mrd. Euro 2026 konsolidiert werden, wodurch das geplante Budgetdefizit auf 4,5 bzw. 4,2 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden soll. Hätte man nichts getan, würde das Budgetdefizit allein heuer bei 5,8 Prozent zum Liegen kommen, was in einer Zeit ohne eine akute Krise „jenseits von Gut und Böse“ sei. Im historischen Vergleich habe das geschnürte Konsolidierungspaket ein relativ großes Volumen. Mittelfristig sei das Budget aber nicht „krisenfest“, da die Schuldenquote weiter steige und der Spielraum, auf eine eventuelle Krise zu reagieren, kaum gegeben sei. Bis 2029 soll das staatliche Budgetdefizit dem Finanzministerium zufolge auf 2,8 Prozent gesenkt werden.
„Österreich hat kein Einnahmenproblem – und das ist keine ideologische Aussage“, betont der Ökonom angesichts der ohnehin hohen heimischen Steuer- und Abgabenquote, die aufgrund der neuen Maßnahmen 2026 auf voraussichtlich 45,5 Prozent steigen wird. Österreich habe zum Teil „falsche Steuern“, so Felbermayer. Mit einer besseren Struktur des Steuer- und Abgabensystems könnte auch die Abgabenlast insgesamt sinken, zeigten Modellberechnungen. Darüber hinaus sei klar, dass man mit einigen der beschlossenen Maßnahmen nicht dauerhaft rechnen könne. Dazu zählt der Ökonom neben den Sonderdividenden der staatlichen Beteiligungen, die in der ÖBAG gehalten werden, auch die Erhöhung der Bankenabgabe. „Wenn die Zinsen wieder sinken, sind auch die guten Zeiten für die Banken vorbei“, so Felbermayr.
Reformen notwendig
Wenig Freude mache dem Wirtschaftsforscher, dass auch das letzte Drittel der sogenannten „kalten Progression“ nicht angetastet wurde. Damit lukriert der Finanzminister automatisch Mehreinnahmen bei steigenden Lohneinkommen, weil die progressiven Einkommensteuertarife nicht entsprechend angepasst werden. „Es ist kein gutes Steuersystem, in dem der Finanzminister und die Inflation beste Freunde werden“, kommentierte Felbermayr.
Einen dringenden Handlungsbedarf sieht er beim staatlichen Pensionssystem, da die Zuschüsse aus dem Budget in der Vorschau bis zum Jahr 2029 stark steigen: „Wenn man langfristig Spielräume eröffnen will, wird man dort Reformen vornehmen müssen, wo die Dynamik am stärksten ist.“