Bereits zum dritten Mal hat die Oesterreichische Nationalbank im Rahmen der International Survey of Adult Financial Literacy der OECD die Daten über das heimische Anlegerverhalten und Finanzwissen erhoben. Ziel der OECD ist es, das allgemeine Verständnis von grundlegenden Finanzbegriffen wie Zinsen, Inflation und Risikostreuung abzuprüfen. Österreich belegt im Vergleich zu den 40 teilnehmenden Ländern eine Spitzenposition und muss sich in der Sparte Finanzwissen nur Deutschland geschlagen geben.
Trotz dieser Ergebnisse scheinen viele Sparer in Österreich bei der eigenen Geldanlage einen konservativen Weg zu verfolgen. So liegen allein in der Steiermark rund 6,4 Mrd. Euro auf Girokonten, wo das Geld das Sparpotenzial nur bedingt entfalten kann. Girokonten seien primär als Zahlungskonten konzipiert und nicht zur langfristigen Anlage von Geld geeignet, erklärt Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, und berichtet: „In vielen Beratungsgesprächen haben wir gemerkt, dass es einen großen Bedarf an der Steigerung von Finanzkompetenzen seitens der Kunden gibt. Speziell im Veranlagungs- und Wertpapierbereich fehlt es oft noch am nötigen Wissen.“ Diese Wissenslücken führe dazu, dass viele Menschen ihr Geld auf Girokonten parken, anstatt es produktiver anzulegen.
Interaktion ohne Risiko
Stefan Palan, Professor am Institut für Banken und Finanzierung an der Karl-Franzens-Universität Graz, bestätigt, dass man in Österreich traditionell auf konservative Anlageformen setzt. Er betont, dass viele Sparer unsicher im Umgang mit den Kapitalmärkten sind und daher eher auf Sparbücher und Girokonten zurückgreifen.
Beim Überwinden dieser Unsicherheit kann Gamification, also die Vermittlung von Wissen und Inhalten durch einen spielerischen Ansatz, eine signifikante Rolle spielen, ist Palan überzeugt: „Eines der mächtigsten Instrumente, um Wissen zu vermitteln, ist jemandem die Chance zu geben, Dinge selbst zu erleben.“
Solche interaktiven Tools geben den Nutzern die Möglichkeit, sich risikofrei auszuprobieren, Ängste vor den Dynamiken der Kapitalmärkte zu nehmen und sich langsam mit den Anlagemöglichkeiten vertraut zu machen. So wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Sicherheit im Umgang mit Wertpapieren gefördert. Ein solches Tool entstand zuletzt in einer Kooperation der Raiffeisen-Landesbank Steiermark und der Karl-Franzens-Universität Graz.
Das Projekt „fit2invest“ wurde von Roland Roitner, Veranlagungsexperte der RLB Steiermark, konzipiert und im Zuge des internen Innovationsprogramms „Hummelflug“ präsentiert. Das erklärte Ziel war es, mit diesem Spiel eine innovative Lösung im Bereich der Finanzbildung zu entwickeln, um die Nutzer virtuell an den Kapitalmarkt und die unterschiedlichen Anlagestrategien heranzuführen.
Aufschlussreiche Finanzsimulation
Gleich zu Beginn des Spiels muss der Nutzer über die Höhe des Anlagevermögens, die Anlagestrategie und die Anlagedauer entscheiden. Er kann dabei zwischen der teilweisen oder vollständigen Einlage auf ein Sparbuch oder der Investition in den Kapitalmarkt wählen. Mit dem Start der Simulation werden dann die Auswirkungen der Marktentwicklung und der Sparzinsen auf das virtuelle Vermögen simuliert.
Die Grundlage für diese Entwicklungen bilden die realen Marktdaten von 1972 bis heute. Aber, so Roland Roitner: „Der Clou dabei ist: In welchem historischen Zeitraum man agiert, wird erst am Ende enthüllt.“ Die Unsicherheit der Märkte, die für viele der Grund dafür ist, ihr Geld nicht zu investieren, ist damit ein zentraler Bestandteil der Simulation. Am Ende der jeweils festgelegten Laufzeit steht eine ausführliche Analyse des Spiels. Das Ergebnis soll den Nutzern dabei helfen, die emotionale Schwelle beim Einstieg in den realen Markt zu senken. Denn: „Mit fit2invest kann man Veranlagungsstrategien spielerisch und gleichzeitig wissenschaftlich fundiert erlernen. Dabei werden gängige Mythen ausgeräumt und nachhaltig erfolgversprechende Anlageregeln vermittelt“, wie Stefan Palan erklärt.
Oder wie Roland Roitner die Möglichkeit von „fit2invest“ zusammenfasst: „Bei diesem Tool ist es erstmals möglich, in ein Finanzinstrument einzusteigen und eine Probefahrt zu machen. Ich kann dabei persönlich entscheiden, ob ich einen Beifahrer – also Berater in der Filiale – haben will, oder ob ich allein fahren möchte.“
Das Spiel ist unter https://fit2invest.at für alle zur freien Verfügung.