Gentechnik: Mit der Genschere gegen Hexenkraut

Die Gen-Editierung ermöglicht es, größere Schädlingsresistenzen zu erzielen. In Kenia soll so die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln abgesichert werden.

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Das parasitäre Unkraut Striga – auch bekannt als Hexenkraut (Witchweed) – sorgt auf afrikanischen Getreidefeldern regelmäßig für Ernteausfälle und bedroht somit den Lebensunterhalt vieler Kleinbauern. Denn Striga befällt die Wurzeln der Kulturpflanzen und entzieht ihnen so die Nährstoffe. Richtig effektive Pflanzenschutzmittel gibt es nicht. Das heißt, das Unkraut muss in Handarbeit vom Feld entfernt werden. Hinzu kommt, dass jede Striga-Pflanze bis 100.000 neue Samen produzieren kann, welche bis zu Jahrzehnten im Boden bleiben und immer wieder neu keimen. „Ist ein Feld verseucht, bleibt es auch verseucht“, weiß Hermann Bürstmayr vom Institut für Biotechnologie in der Pflanzenzüchtung an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).

Da Striga weder in Europa noch in den USA wächst, muss eine lokale Lösung für das Problem gefunden werden. Dieser Aufgabe hat sich Steven M. Runo von der Abteilung für Biochemie und Biotechnologie an der Kenyatta Universität Nairobi angenommen. Mittels „Grüner Gentechnik“ und dem Einsatz der Genschere CRISPR/Cas hat er einen Weg gefunden, Hirse resistent gegen das Unkraut zu machen, wie er im Rahmen eines Gentechnik-Symposiums an der BOKU präsentierte. 

Offener Zugang

Im Zuge der Grundlagenforschung konnten Wildhirsesorten identifiziert werden, bei denen das parasitäre Unkraut nicht an den Wurzeln andocken kann. Die für die Resistenzen verantwortlichen Gene werden dann per Genom-Editierung in kultivierte Hirsesorten eingebracht. „Wir befinden uns bereits im Feldversuch und hoffen in ein bis zwei Jahren in die Breite zu bekommen“, sagt Runo. 

Dass eine Kommerzialisierung vergleichsweise schnell geht, liegt an der kenianischen Regulierung. Pflanzen mit Mutationen, die mithilfe von Gentechnik herbeigeführt wurden, aber auch auf natürlichem Wege – durch Mutationen oder Kreuzungen – entstehen hätten können, werden als natürlich angesehen. Für die behördliche Bewilligung einer gentechnisch veränderten Sorte muss nachgewiesen werden, dass im Genom kein fremdes DNA-Material enthalten ist und die Sorte somit nicht transgen ist. Das heißt, dass kein Gen eines anderen Organismus eingesetzt wurde. 

Wesentlich schneller

Ein Zugang, der auch in Europa wünschenswert wäre, finden BOKU-Professor Bürstmayr und Ortrun Mittelsten Scheid vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Akademie der Wissenschaften. Bereits 2023 hat man sich mit einem offenen Brief an politische Entscheidungsträger, Interessensvertretungen und NGOs gewandt, dass entstehende Pflanzen nach ihren Eigenschaften und nicht nach der Methode ihrer Erzeugung geprüft werden sollen.

„Uns geht es darum, das Feld der Gentechnik nicht nur den ‚Immer-Dagegen-Seienden‘ zu überlassen, sondern das Thema auf wissenschaftlicher Basis zu diskutieren“, sagt Bürstmayr. Durch Gen-Editierung konnten in mehr als 700 erforschten Beispielen in über 40 Pflanzenarten – Striga ist nur eines davon – bereits größere Schädlingsresistenzen, verbesserte Eiweiß- oder Fettsäurezusammensetzungen oder weniger unverträgliche Inhaltsstoffe erzielt werden. Mit Blick auf den Klimawandel rücken bei der Forschung zudem trocken- und hitzeresistentere Pflanzen mit weniger Bodenverbrauch und höherer Resilienz in den Fokus.

Ähnliche genetische Veränderungen könnten auch durch konventionelle Züchtung auftreten, sind durch konventionelle Methoden jedoch wesentlich langsamer zu erreichen. Die Methode der Gen-Editierung ist wesentlich schneller und gezielter als herkömmliche Verfahren, betont Bürstmayr.

Hermann Bürstmayr, Ortrun Mittelsten Scheid und Steven M. Runo informieren über Grüne Gentechnik
Hermann Bürstmayr, Ortrun Mittelsten Scheid und Steven M. Runo © BOKU/Wolfgang Leitl

Vernünftigere Regeln

Aktuell liegt der Vorschlag für eine neue EU-Regulierung, die den Einsatz von Verfahren wie CRISPR/Cas erleichtern soll, ähnlich wie in einigen afrikanischen und südamerikanischen Ländern, noch auf Eis. Zu viele offene Punkte und Änderungsvorschläge der Mitgliedstaaten erschweren das Weiterkommen. Ortrun Mittelsten Scheid ist dennoch zuversichtlich und sie ist überzeugt, dass die „Einsicht besteht, dass eine neue, vernünftigere Regulierung auf alle Fälle wichtig ist“. 

Zu befürchten sei aber, dass die neue EU-Regelung wieder „sehr kompliziert“ ausfällt und Europa durch die damit verbundenen bürokratischen Hürden ins Hintertreffen gerät, wenn es um das Feld der Neuen Gentechnik geht. „Wir laufen sehenden Auges in neue Abhängigkeiten hinein“, warnt auch Mittelsten Scheid in Hinblick auf große Player wie China und die USA.

AusgabeRZ7-2025

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