Versorgungssicherheit im Mittelpunkt

Weltweit bereitet die Versorgung mit Brotgetreide Kopfzerbrechen. Für Österreich gibt die Agrarpolitik bei einem Lokalaugenschein in Mold im Waldviertel Entwarnung. Sowohl Anbaufläche als auch die erwartete Erntemenge sind im Plus. Die Herausforderungen sind dennoch groß.

Mähdrescher am Feld bei der Getreideernte
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Im vergangenen Herbst haben Österreichs Landwirte wieder mehr Winterweizen, Wintergerste, Dinkel und Winterroggen ausgesät. Nach einem Tief 2021 wurden die Getreideflächen um 3 Prozent auf 530.000 Hektar ausgeweitet. Neben Soja sind die genannten Kulturen damit die Gewinner in der Statistik. Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre wurden zwar dennoch um 2 Prozent weniger Ackerflächen mit Getreide bestellt. Ein etwas überdurchschnittlicher Hektarertrag dürfte eine 6 Prozent größere Erntemenge als im Vorjahr und 3 Prozent mehr als im langjährigen Schnitt einbringen.

„Angesichts vielfältiger Herausforderungen sind die aktuellen Prognosen nicht nur eine gute Nachricht und Glück“, meinte Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger bei der Begehung im Waldviertel. Sie seien vielmehr das Ergebnis eines umfangreichen Know-hows der Ackerbaubetriebe und intensiver Beratung. „Trotz schwieriger Witterungsbedingungen und enormer Betriebsmittelkosten konnten die richtigen Anbau- und Kulturpflegemaßnahmen getroffen werden“, sagte Moosbrugger. Bis Anfang Mai hatte es nämlich alles andere als rosig ausgesehen. In Laa an der Thaya und Gänserndorf hatte es bis dahin im gesamten Kalenderjahr deutlich weniger als 100 Millimeter Niederschlag gegeben. Dass daraus dennoch keine Totalausfälle resultieren, liegt am doch noch einsetzenden Regen und den wassersparenden Bewirtschaftungsformen, die immer häufiger zur Anwendung kommen.

„Wir sind mit dem, was auf den Äckern steht, den Umständen entsprechend zufrieden“, meinte Niederösterreichs Pflanzenbaudirektor Manfred Weinhappel. Es werde aber große Ertragsdeltas zwischen den Regionen und auch den einzelnen Betrieben geben. Auf schlechteren Böden und wo zehrende Vorfrüchte kultiviert wurden, werden die Mähdreschertanks nicht gerade übervoll werden. Auf besseren Standorten, wo die Feuchtigkeit noch rechtzeitig gekommen ist, wird die Menge hingegen gut ausfallen. Zuversichtlich ist Weinhappel auch, was Herbstkulturen wie Mais oder Zuckerrüben betrifft: „Natürlich ist das eine Momentaufnahme. Aber momentan ist das Wasser da und es ist warm und dennoch nicht zu heiß.“ 

Hoch sind auch die Preise, zu denen Getreide momentan an den Börsen notiert. Angesichts der weltweiten Angebotsverknappung und der Dürre in wichtigen Anbaugebieten wie Frankreich und Italien dürfte es auch mittelfristig zu keinem Rutsch nach unten kommen. Prognosen zu treffen ist aber noch schwieriger geworden, als dies schon zu Normalzeiten ist, meint der Pflanzenbaudirektor: „Es ist viel Verunsicherung und Hysterie in den Märkten drinnen. Jede neue Schlagzeile aus der Ukraine sorgt für Preisausschläge. Veränderungen, die bisher zwei bis drei Monate dauern, finden jetzt in zwei oder drei Tagen statt.“ 

Keine goldenen Zeiten

Außerdem darf man nicht glauben, dass aufgrund der hohen Produktpreise goldene Zeiten für den Ackerbau ausgebrochen sind. Denn auch Betriebsmittel wurden zugleich exorbitant teurer. „Der Dünger, der heuer auf den Feldern ausgebracht wurde, ist größtenteils zu immens hohen Preisen eingekauft worden. Eine Verdreifachung belastet den Deckungsbeitrag pro Hektar mit mehreren hundert Euro.“ Die Mengen, die gestreut wurden, seien daher nochmals strenger kalkuliert worden, die Grunddüngung vielfach ausgesetzt worden. „Die Landwirte müssen bereits jetzt den Anbau für die Ernte 2023 planen und zu sehr hohen Preisen Betriebsmittel einkaufen“, unterstrich Moosbrugger die Bedeutung des Versorgungssicherungspaktes, der von der Bundesregierung gewährt wurde. In dessen Rahmen werden 110 Mio. Euro an Extraprämien an die Bauern ausgeschüttet, um die gestiegenen Vorkosten abzufedern. Dies sei ein unverzichtbares Unterstützungssignal an die Landwirtschaft, so der Vorarlberger. 

Zugleich sei es aber auch wichtig, die Herkunftsgarantie mit dem Ausbau des AMA-Gütesiegels bei Getreide zu verstärken, ergänzte Burgenlands Kammerpräsident Nikolaus Berlakovich: „Unsere bäuerlichen Familienbetriebe kommen trotz aller Widrigkeiten ihrem Versorgungsauftrag nach. Beim Weich- und Hartweizen haben wir einen hohen Selbstversorgungsgrad.“ Quer über alle Getreidesorten beträgt dieser 80 Prozent, wobei hohe Qualitäten etwa zur Nudelproduktion nach Italien exportiert und niedrige für Futter oder industrielle Verwendung aus dem Donauraum importiert werden. Eine Ausweitung des Gütesiegels auf Getreideprodukte würde eine Win-win-Situation für Produzenten und Konsumenten darstellen“, meinte Berlakovich.

Technik-Kompetenz in Mold

Präsentiert wurde im Rahmen der Exkursion ins Waldviertel auch die neue LK-Technik Mold. Dort bündelt die Landwirtschaftskammer Niederösterreich künftig ihre Kompetenzen in den Bereichen Landtechnik, Digitalisierung und Erneuerbare Energien. Schon bisher hat man sich am Standort mit technischen Fragen beschäftigt. Nun richte man diesen neu aus, erklärte Niederösterreichs Kammerpräsident Johannes Schmuckenschlager. „Unter dem Dach der LK-Technik geht es künftig darum, noch schneller und besser auf die rasanten Veränderungen und Herausforderungen in der Landtechnik reagieren zu können.“ Den Bauern soll es damit auch möglich sein, einen Überblick über die für den Betrieb sinnvollen Anwendungen zu bewahren. „Smart Farming und Precision Farming könnten dabei helfen, Ressourcen wie Dünger oder Pflanzenschutzmittel effizienter einzusetzen. Am Standort Mold werden die neuesten Techniken getestet, auf Praxistauglichkeit geprüft und den Landwirten nähergebracht. All diese innovativen Maßnahmen sind geeignet, Umwelt und Geldbörse zu entlasten und punkto Klima- und Umweltschutz-Zielerreichung voranzukommen“, so Schmuckenschlager.