Die Qual der Kulturwahl

Aufgrund einer herausfordernden Witterung und einer turbulenten Marktsituation geht man von einer geringeren Getreideernte 2024 aus.

Mähdrescher am feld als Symbolbild für Getreideernte
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Insbesondere feuchte Anbaubedingungen im vergangenen Herbst, aber auch unattraktive Marktpreise haben zu einer im Vergleich zu 2023 um 2,5 Prozent geringeren Getreideanbaufläche von rund 507.000 Hektar geführt. „Derzeit wird mit einer geringeren durchschnittlichen Getreideernte von 2,87 Mio. Tonnen gerechnet. Das entspricht einem Minus von 5,4 Prozent gegenüber der Vorjahresmenge und einem Minus von 4,8 Prozent im mehrjährigen Durchschnitt“, berichtet Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich.

Zu Beginn der Ackerbausaison vergangenen November und Dezember erschwerten häufige Niederschläge die Soja-, Zuckerrüben- und Maisernte und daher auch den nachfolgenden Anbau, vorwiegend von Winterweizen, ergänzt Niki Berlakovich, Vorsitzender des LKÖ-Pflanzenbau-Ausschusses und LK-Burgenland-Präsident. „Wir gehen sehr sorgsam mit unseren Böden um. Wenn sie zu feucht sind, fahren wir nicht mit schweren Maschinen ins Feld, um die Bodenstruktur nicht zu zerstören“, erklärt Berlakovich den Rückgang der Winterweizenfläche weiter. 

Enttäuschende Rapserträge

Jänner und Februar zeigten sich sehr trocken, wobei eine kurze Phase mit extremen Minus-temperaturen dazu führte, dass einige Getreideflächen abfroren, insbesondere im Herbst angebaute Sommergerste. Die darauffolgende Wärmephase bewirkte, dass die Vegetation um mindestens drei Wochen früher begonnen habe als in den vergangenen Jahren, so Berlakovich.

Von Mitte April bis Anfang Mai haben tiefe Temperaturen von bis zu minus 7 Grad vor allem dem blühenden Raps geschadet. „Wir sehen das jetzt bei den ersten, sehr enttäuschenden Rapserträgen“, unterstreicht Berlakovich. Insgesamt werde aber von einem „klassischen“ Getreidewetter mit wüchsigen Temperaturen bis zu 25 Grad bei guter Wasserversorgung gesprochen. „Im Mai und Juni herrschten jedoch in vielen Regionen Extremniederschläge und Überschwemmungen, sodass Befahrung und dringend notwendige Pflegemaßnahmen teilweise unmöglich waren“, so der Ausschuss-Vorsitzende weiter. 

Auch im Grünland sei der viele Regen eine Herausforderung. Vor allem im Berggebiet konnte der erste Schnitt trotz der sehr frühen, fortgeschrittenen Vegetation – wenn überhaupt – erst in den letzten Tagen eingebracht werden.

Weniger Weichweizen

Großer Verlierer bei den Anbauflächen ist mit 13.000 Hektar weniger (-2,5 Prozent) das Getreide (ohne Mais). Im Vergleich zum langjährigen Mittel sind es sogar um 25.000 Hektar (-4,7 Prozent) weniger. Mais verlor über 12.400 Hektar (-5,9 Prozent), Silomais wurde mit einem Plus von 2.300 Hektar (+2,7 Prozent) etwas ausgeweitet.

Die bedeutendste Getreidekultur Weizen habe in Summe inklusive Dinkel wegen der nassen Herbstwitterung um 9.600 Hektar (-3,7 Prozent) gegenüber 2023 abgenommen. Aber auch Roggen sei aufgrund unattraktiver Preise um 16,3 Prozent weniger angebaut worden, ebenso wie Triticale mit einem Minus von 4,9 Prozent.

„Profitiert von dieser Entwicklung hat erstmal wieder Sommergerste, die um 1.800 Hektar bzw. 8 Prozent ausgeweitet wurde, aber im Vergleich zu früheren Jahren mit in Summe 24.600 Hektar weiterhin wenig Bedeutung in der Fruchtfolge hat. Auch die Wintergerstenfläche wurde um knapp 1.600 Hektar bzw. 1,6 Prozent ausgeweitet und ist nach Weichweizen und Körnermais die drittwichtigste Kultur. Hartweizen setzt seinen Aufwärtstrend mit einem Plus von 2.900 Hektar bzw. 12,3 Prozent fort“, bilanziert Berlakovich.

GRAFIK: Ernteerwartungen, Fläche in Hektar nach Kulturen

Mehr Zuckerrüben

Mit rund 86.600 Hektar hat sich die Soja-anbaufläche um 0,6 Prozent verringert. „Im europäischen Vergleich ist Österreich damit im Sojaanbau aber immer noch ganz vorne mit dabei“, betont Berlakovich. Raps setzt seinen Abwärtstrend fort und erreicht mit 23.700 Hektar einen neuen Negativrekord. Die Anbaufläche hat sich erneut um 10,5 Prozent verringert. Auch die Sonnenblumenfläche wurde um 1.500 Hektar (-6,2 Prozent) auf nur mehr 22.700 Hektar reduziert.

Zulegen konnte vor allem die Zuckerrübe. Aufgrund besserer Preise wurde die Anbaufläche um 8.300 Hektar (+23 Prozent) auf 44.500 Hektar ausgeweitet. „Noch mehr Zuckerrüben wurden zuletzt vor 2015 angebaut“, kommentiert Berlakovich. Auch die Ölkürbisfläche konnte wieder gesteigert werden – um 4.700 Hektar (+16,2 Prozent) auf insgesamt 33.700 Hektar. Ebenso wurde der Erdäpfelanbau um 1.300 Hektar (+6,9 Prozent) auf rund 20.000 Hektar ausgeweitet. Auch die Leguminosen Körnererbse und Ackerbohne nahmen jeweils um mehr als 10 Prozent an Fläche zu.

„Die Entwicklung der Anbauflächen verdeutlicht, wie genau Bäuerinnen und Bauern kalkulieren und ihre Kulturwahl an aktuelle Gegebenheiten anpassen müssen. Neben der Witterung waren die Preise für unterschiedliche Ackerfrüchte in dieser Saison ein wesentliches Kriterium für die Anbauentscheidung“, fasst LKÖ-Präsident Moosbrugger zusammen.

Regional entwickeln

Einen ausreichenden Pflanzenschutz zu bewerkstelligen, wird angesichts der herausfordernden Witterung immer schwieriger. Aber auch das Wegfallen effizienter Saatgutbeizmittel erschwert die Situation, weiß Moosbrugger: „Bei vielen Schadinsekten sieht man, dass bisher eingesetzte Pflanzenschutzmittel nicht mehr ausreichend wirksam sind. Dieses Phänomen kennt man auch bei Ungräsern. Die Herausforderungen mit Schädlingen und Schaderregern werden immer größer. Deshalb ist es wichtig, dass künftig ausreichend effektive Möglichkeiten zum Schutz unserer Nahrungsmittel zur Verfügung stehen“, so der LKÖ-Präsident.

Um den volatilen Getreidepreisen etwas entgegenzusetzen, will man „mehr regionale Märkte entwickeln“, sagt Moosbrugger und verweist dabei auf das neue AMA-Gütesiegel-Programm für den Bereich Ackerfrüchte: „Wir müssen die hohen Standards in der heimischen Produktion sichtbarer machen und auch kennzeichnen, um Marktanteile zu sichern und Wertschöpfung und Wertschätzung für den heimischen Ackerbau zu fördern.“

Die Landwirtschaftskammer Wien unterstützt ihre Betriebe beispielsweise dabei, sich entlang regionaler Wertschöpfungsketten zu vernetzen. „Projekte wie das Wiener Bier aus regionaler Braugerste und Wiener Bio-Tofu aus heimischen Sojabohnen sind Erfolgsgeschichten, die die Abhängigkeit von Preisschwankungen reduzieren und die Qualität lokaler Produkte sichtbar machen. Diese Initiativen stärken nicht nur das positive Image der Stadtlandwirtschaft Wien, sondern erhöhen auch die Wertschöpfung für unsere Ackerbauern und -bäuerinnen“, ergänzt LK Wien-Vizepräsidentin Irene Maria Trunner.