IV: Wenig Hoffnung auf Aufschwung

Das IV-Konjunkturbarometer sieht Österreichs Industrie in einer trostlosen Situation.

„Die gegenwärtige Lage in der Industrie präsentiert sich trostlos. Die Rezession infolge ungelöster Standortherausforderungen setzt der Industrie weiterhin zu und gefährdet den Wohlstand Österreichs. Insbesondere hat sich die Krise in der Breite der energieintensiven Industrie verfestigt. Die industrielle Wertschöpfung leidet unter hohen Energie- und Lohnstückkosten sowie regulatorischer und abgabenseitiger Überbelastung. Anzeichen für eine Trendwende zum Besseren sind derzeit nicht in Sicht“, fasst IV-Chefökonom Christian Helmenstein die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturerhebung der IV zusammen.

Für IV-Generalsekretär Christoph Neumayer braucht es deshalb „auf nationaler und auch auf EU-Ebene vermehrt Anstrengungen, um die Wirtschaft wieder standortfit zu machen. Der Industrie muss es wieder möglich sein, zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren zu können. Erste positive Signale kamen aus der EU-Kommission, weitere müssen dringend folgen und rasch umgesetzt werden. Wir verlieren permanent an Boden, wenn wir nicht in eine neue wirtschaftspolitische Richtung aufbrechen.“ 

Negative Auswirkungen

In dieselbe Kerbe schlägt auch Helmenstein: „Im Gefolge der nicht mehr wettbewerbsfähigen inländischen Standortbedingungen hat ein Prozess der De-Industrialisierung eingesetzt, der seit zwei Jahren mit atemberaubendem Tempo voranschreitet. Der Verlust an industrieller Bruttowertschöpfung seit 2023 beläuft sich auf nahezu 7 Prozent in realer Rechnung. Würde die Industrieproduktion auf alle Betriebsstätten hypothetisch gleichverteilt stattfinden, stünde inzwischen jeder fünfzehnte Standort leer, die Produktion wäre eingestellt oder ins Ausland verlagert worden und das Unternehmen zur Geschäftsaufgabe gezwungen“, so Helmensteins Befund.

Die negativen Auswirkungen der De-Industrialisierung bleiben keineswegs auf den sekundären Sektor beschränkt. Von den kräftigen Produktivitätszuwächsen der Vergangenheit, dem überdurchschnittlichen Lohnniveau in der Industrie und den wieder preisstabilen Industrieprodukten profitierte Österreich in vielfältiger Weise. Auf Seiten der privaten Haushalte ermöglicht industrieller Erfolg höhere Einkommen und eine gestärkte Kaufkraft, während der tertiäre Sektor Impulse aus der zusätzlichen Nachfrage nach Dienstleistungen erhält. Eine schrumpfende Industrie führt daher zu wirtschaftsweiten Einbußen erheblichen Ausmaßes.

Zugleich ist zu beobachten, dass das Maximum der inländischen Wertschöpfungstiefe in Schlüsselbranchen der österreichischen Industrie durchschritten wurde, sodass die Abhängigkeit von ausländischen Zulieferungen zunimmt und die inländische Kompetenzgrundlage mittelfristig schwindet.

Selbstbewusste EU gefragt

„Die De-Industrialisierung findet statt und wir sehen, dass unsere globalen Konkurrenten Betriebe und damit Know-how aus Österreich abziehen. In den USA erleben wir aktuell einen US-Präsidenten, der Zölle als Druckmittel einsetzt und in rasantem Tempo Maßnahmen setzt, die Europa und somit auch Österreich weiter unter Druck setzen“, erklärt Neumayer und meint weiter: „Die Weltwirtschaft wandelt sich und wir müssen rasch Antworten finden, um mitzuhalten. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder zur stärken, muss Europa selbstbewusst auftreten und durch Abkommen Handelsbeziehungen stärken und erschließen, die Kosten auf Arbeit und Energie müssen sinken und die bürokratische Last muss auf ein sinnvolles Maß zurückgestutzt werden“, so Neumayer.

Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage durch die Unternehmen zeigt, historisch einmalig, ununterbrochen seit nunmehr vierzehn Quartalen keine Verbesserung. Nur 13 Prozent der befragten Unternehmen rechnen auf Sicht des nächsten Halbjahres mit einer Verbesserung der Geschäftslage, während 15 Prozent ein weiterhin schrumpfendes Geschäftsvolumen erwarten. Knapp drei Viertel der Unternehmen – 72 Prozent – stellen sich auf eine stagnative Entwicklung ein.

Per saldo liegt das IV-Konjunkturbarometer, welches als (gewichteter) Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten berechnet wird, bei -8,8 Punkten. Dieses Ergebnis unterstreicht die Erwartung einer prolongierten Rezession in der österreichischen Industrie.

AusgabeRZ6-2025

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