Nachdem Sie im Oktober bereits aus dem Nationalteam zurückgetreten sind, haben Sie nach der abgelaufenen Saison mit nur 30 Jahren Ihre aktive Karriere beendet. Warum so früh?
Jasmin Eder: Wenn mich im Herbst jemand gefragt hätte, ob ich ans Aufhören denke, hätte ich gesagt: Nein, niemals! Ich dachte, ich spiele mindestens bis 40. Aber dann kam im Jänner so ein Gefühl auf. Ich hatte erstmals seit fünf Jahren drei Wochen am Stück frei, bin komplett runtergefahren und habe viel reflektiert. Zum Beispiel die erstmalige Teilnahme an der Champions-League-Gruppenphase, mit der ein riesiger Traum in Erfüllung ging. Dann kam die Frage auf: Warum nicht aufhören, wenn es wirklich am schönsten ist?
Haben Sie Angst, dass es in den Füßen kribbelt, wenn die neue Saison wieder losgeht?
Eder: Das kann ich mir durchaus vorstellen. Jetzt fragen alle: Wie fühlst du dich nach dem Rücktritt? Nicht anders als sonst, jetzt wäre ja ohnehin Sommerpause. Erst wenn die Vorbereitung startet, die ersten Spiele kommen, dann wird es mich vielleicht nochmal reizen. Ich hatte in den letzten Jahren null Freizeit zwischen meiner Karriere und meinem Vollzeitjob beim ÖFB, da kamen Freunde und Familie zu kurz. Das wird sich jetzt ändern.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn diese Taktung durchbrochen wird?
Eder: Auf das erste Mal laufen gehen, wenn ich nicht laufen gehen muss, sondern weil ich Lust darauf habe. Ich freue mich auf die ganz normalen Dinge, die bis dato nicht drin waren. Essen gehen, Spieleabende am Wochenende, spontane Ausflüge.
Sie haben in St. Pölten eine irrsinnige Erfolgsära geprägt, aktuell den neunten Meistertitel in Serie gefeiert. Werden Meisterfeiern irgendwann zur Gewohnheit?
Eder: Nein, gar nicht! Jeder Titel war anders, andere Mannschaft, andere Spielerinnen und Betreuer, andere Herausforderungen. Dieser Ehrgeiz, sich niemals mit dem Einfachen zufriedenzugeben, war immer in uns drin. Und der Titel jedes Mal die Belohnung für alles, was wir geleistet haben. Jedes Training, jeder Sprint, jede Videoanalyse. Und auch für jeden Verzicht im Privaten. Dafür am Ende die Schale zu stemmen, wurde nie langweilig.
„Du hackelst nicht nur für dich, sondern für jedem Einzelnen aus dem team.“
Jasmin Eder
Gibt es ein Rezept, wie man Erfolgshunger am Leben hält?
Eder: Teamspirit. Der ist allerdings nicht einfach da, den muss man sich erarbeiten. Das hat uns angetrieben: Du hackelst nicht nur für dich, sondern für jeden Einzelnen aus dem Team. Dann macht man es auch gerne. Wir hatten zum Beispiel jeden Freitag eine gemeinsame Jause. Vorher gab es im Training immer irgendeine Challenge, die Verlierer mussten dann das Essen herrichten. So etwas schweißt zusammen. Außerdem hatte jede von uns den unbändigen Willen, international zu spielen. Das geht nur, wenn du Meister wirst. Allein, was bei uns im Champions-League-Herbst los war – genial!
In diesem Herbst gab es mit dem 2:1 gegen Slavia Prag den ersten Sieg in der Gruppenphase überhaupt, aber mit dem 2:8 gegen den späteren Finalisten Wolfsburg auch eine Klatsche. Wo steht der SKN derzeit international?
Eder: Auch beim 3:4 gegen AS Roma hat man gesehen, dass wir das Zeug haben, Größere ärgern zu können. Wolfsburg mit all den Weltklasse-Spielerinnen war allerdings nochmal eine andere Liga. Aber auch ein lehrreiches Spiel, um zu sehen, was uns noch fehlt. Wenn wir es regelmäßig schaffen, uns für die Gruppenphase zu qualifizieren und dann anpeilen, nicht nur ein, sondern zwei oder drei Spiele zu gewinnen, wäre das eine tolle Entwicklung.
Ihr Karriere-Highlight war sicherlich die EURO 2017, als das Team in den Niederlanden sensationell ins Halbfinale stürmte. Wie oft summen Sie den damals entstandenen Song „Scheiß drauf, Holland ist nur einmal im Jahr“ heute noch vor sich hin?
Eder: (lacht) Dieses Lied hat seine eigene Geschichte, wir haben damit etwas ganz Besonderes verbunden. In den Monaten nach der EURO habe ich gemerkt: Ich will es nicht tothören, es soll etwas Besonderes bleiben. Darum kommt es bei mir kaum noch vor. Ich bin eher der Mensch, der sich Fotos anschaut, ich habe bestimmt Tausend auf meiner Festplatte. Für unsere Generation war dieses Turnier auch deshalb so speziell, weil wir noch mitbekommen haben, wie es vorher im Frauen-Fußball zuging. Als es noch kein Schwein interessierte, nichts über uns in den Zeitungen stand. Die Entwicklung der letzten Jahre hat alles auf den Kopf gestellt.
Es wurde viel darüber gesprochen, auch über die EURO in England 2021. Wenn Sie eine Sache benennen müssten, die man aus zwei solchen Teilnahmen mitnimmt, welche wäre das?
Eder: Was ich richtig cool fand: Wir waren wochenlang zusammen, da wäre ein Lagerkoller normal gewesen, irgendwelche Streitereien. Das war aber tatsächlich überhaupt nicht der Fall, obwohl wir so verschiedene Charaktere waren. Das gab uns die Energie und Kraft, die man braucht, um in einen solchen Flow zu kommen. Daran sieht man, was man als Underdog erreichen kann, wenn man zusammenhält, einander respektiert und toleriert und offen miteinander umgeht. Das kann man auch aufs normale Leben ummünzen.
Sie sprechen die verschiedenen Charaktere an. Viele der Gesichter des Teams sind mittlerweile nicht mehr dabei. Viktoria Schnaderbeck, Carina Wenninger, Lisa Makas, Nina Burger, Sie und einige mehr. Gibt es genug junge Talente, die diese Lücken füllen können?
Eder: Ich finde den Begriff ‚Lücken füllen‘ nicht ganz passend. Es geht ja für jede einzelne Spielerin darum, ihre persönliche Rolle zu finden und ihre Aufgabe neu zu interpretieren. Wir haben viele talentierte und gute Spielerinnen, die auch schon länger beim Team dabei waren. Die kommen jetzt in einen Prozess, wo sie ihre Rollen erkennen und anpassen müssen. Das Potenzial ist auf jeden Fall da.
Sie waren auch dabei, als das Team im vergangenen Herbst in Schottland die WM-Teilnahme verpasst hat. Hätte man es nach Australien und Neuseeland geschafft, wären Sie dann trotzdem zurückgetreten?
Eder: Nein, sicher nicht, das hätte ich nicht verpassen wollen. Diese Niederlage war sicherlich auch ein Grund, warum ich im Nationalteam den Schlussstrich gezogen habe. Da ist für uns alle ein großer Traum geplatzt. Das nächste Turnier ist 2025, mir war völlig klar, dass ich bis dahin nicht mehr beim Nationalteam dabei bin.
„Taten sind mehr wert als Worte! Es braucht Leute, die mithelfen und anpacken.“
Jasmin Eder
Sie haben bereits vor geraumer Zeit begonnen, beim ÖFB zu arbeiten. Wie kam es dazu und was genau ist Ihre Aufgabe beim Verband?
Eder: Im April 2018 bot mir Isabel Hochstöger (Anm.: Leiterin der Abteilung für Frauen- und Mädchenfußball) eine Stelle an, da war mein erster Gedanke: Jackpot! Ich war total happy, dass diese Vollzeitstelle mit meinem Leben als Profifußballerin vereinbar war. Mittlerweile bin ich für die 2. Frauen-Bundesliga und die U14-Bundesländer-Nachwuchs-Meisterschaft zuständig.
Wie kann man daran arbeiten, den Frauen-Fußball noch populärer zu machen, vor allem, was die Liga angeht? Die fliegt ja immer noch etwas unter dem Radar.
Eder: In den letzten Jahren ist viel passiert, das ist positiv und schön. Es ist aber nach wie vor wichtig, zu sensibilisieren und aufzuzeigen, was noch im Argen liegt. Da spielt Sichtbarkeit eine entscheidende Rolle. Es dürfen nicht nur Lippenbekenntnisse sein zu sagen, man will Mädchen- und Frauen-Fußball fördern. Da gilt: Taten sind mehr wert als Worte! Es braucht Leute, die mithelfen und anpacken.
Für das Männer-Nationalteam stehen jetzt zwei Highlights in der EURO-Qualifikation auf dem Programm, zunächst in Belgien und dann das von Raiffeisen präsentierte Spiel gegen Schweden im Happel-Stadion. Ihr Tipp als Fachfrau: Wie viele Punkte sind drin?
Eder: Ich hoffe, so viele wie möglich und tippe realistischerweise auf vier Punkte. Ein Remis in Brüssel und ein Heimsieg gegen Schweden wären eine zufriedenstellende Ausbeute.