Jennifer Klein: „Ich möchte ein Zeichen setzen“

Für Jennifer Klein ist es ein aufregender Herbst. Mit dem Nationalteam sorgte sie in der Nations League für Überraschungen, mit Tabellenführer SKN St. Pölten steht die Champions League vor der Tür. An hohen Zielen mangelt es nicht, wie die 24-Jährige im Interview verrät.

Fußballerin Jennifer Klein auf dem Fußballfeld
© GEPA pictures/ Walter Luger

Am vergangenen Sonntag hätte das Top-Spiel der Admiral Frauen-Bundesliga, St. Pölten gegen Altach/Vorderland, stattfinden sollen, wurde aber wegen der schlechten Wetterverhältnisse auf den 26. November verschoben. Sind Sie in einer heißen Phase wie dieser froh über die erzwungene Pause?
Jennifer Klein: Schwierig. Der Zeitpunkt jetzt wäre an sich gut gewesen, weil nächste Woche für uns die Champions League beginnt. Nun ist das Top-Spiel mitten in der Gruppenphase, es wird eine Herausforderung, den Schalter umzulegen. Andererseits haben wir aktuell ein paar angeschlagene und kranke Spielerinnen, da ist die Verschiebung gar nicht so schlecht.

Sie kommen gerade von der Nationalmannschaft, mit der zwei Siege in der Nations League gegen Portugal gelungen sind. Dazu Liga, Champions League – klingt nach einem heißen Herbst.
Klein: Schon, diese Phase jetzt ist echt heftig. Man muss sich auf jede Herausforderung mental einstellen, darf nichts links liegen lassen, muss immer da sein und alles geben.

Beim 2:1-Heimsieg über Portugal hat das Team in Altach erstmals vor ausverkauftem Haus gespielt, davor wurde in Wien mit mehr als 10.000 Fans der Zuschauerrekord gebrochen. 
Klein: Die Kulissen, die wir gerade geboten bekommen, sind echt cool. Das macht schon etwas mit einem. Das gestiegene Interesse ist ein Sinnbild für das, was in den letzten Jahren geschaffen wurde.

Abgesehen von den Ergebnissen: Warum schafft es dieses Team seit Jahren konstant, die Massen zu emotionalisieren?
Klein: Unsere Mannschaft ist ein Wahnsinn. Der Teamspirit, den wir leben und die Leidenschaft, die wir auf den Platz bringen – das sind Dinge, die die Fans spüren, wenn sie uns zuschauen. Das gilt auch für das Innenleben, junge Spielerinnen und alte Hasen verstehen sich gut und können einfach miteinander.

Zu welcher Gruppe gehören Sie? Sie sind 24 Jahre alt, aber schon seit gut sechs Jahren dabei.
Klein: (lacht) Ich nenne mich immer die goldene Mitte. Wenn wir im Training Jung gegen Alt spielen, bin ich die, die sich die Mannschaft aussuchen kann.

Nach vier von sechs Nations-League-Runden ist Österreich mit sieben Punkten Zweiter. Das liegt über den Erwartungen, oder?
Klein: Intern haben wir uns schon das Ziel gesetzt, so dazustehen. Wir wussten, dass die Gruppe mit Frankreich, Norwegen und Portugal extrem stark sein würde, aber das bedeutet auch, dass jeder jedem Punkte wegnehmen kann. Das haben die Ergebnisse auch gezeigt. Wir wollten die Challenge annehmen, das ist uns gelungen.

Kommuniziert wurde der Klassenerhalt, der wäre mit Platz zwei fix und ist euch nur noch schwer zu nehmen.
Klein: Auf dem Papier schaut es gut aus, das wissen wir. Es kann aber noch viel passieren. Wir müssen als Nächstes in Frankreich antreten, eine schwere Aufgabe. Aber wenn wir dort etwas mitnehmen, stehen wir wirklich top da. Unser Ziel ist es, in diesem Match alles klarzumachen.

Sie sind nicht nur die goldene Mitte, sondern eine von ganz wenigen Nationalspielerinnen, die in der österreichischen Liga spielen. Dabei sind Sie schon mit 19 Jahren zur TSG Hoffenheim gewechselt, kamen nach zwei Jahren aber zurück. Was steckte dahinter?
Klein: Einiges. Ich kam mit dem Umfeld nicht klar und hatte Heimweh. Daher konnte ich meine Leistung nicht abrufen, was mich wiederum unzufrieden machte. Deswegen habe ich die Entscheidung getroffen, in mein gewohntes Umfeld zurückzukehren, um wieder Fuß zu fassen und den Spaß am Fußball wiederzuerlangen. Im Nachhinein war das der genau richtige Schritt. Ich fühle mich pudelwohl und bin zufrieden mit meiner Leistung.

Ist Ihr Ziel trotzdem noch das Ausland?
Klein: Aktuell nicht. Ich befinde mich derzeit im Studium (Anm.: Volksschullehramt in Baden), das abzuschließen, hat erste Priorität. Der Abschluss ist für 2024 geplant, mein Vertrag in St. Pölten läuft bis 2025. Dann wird sich zeigen, was noch auf mich zukommt.

Ist es Ihnen wichtig, neben dem Fußball ein zweites Standbein zu haben?
Klein: Für mich persönlich schon. Wenn man in einer Top-Liga wie Deutschland, England oder Frankreich spielt, muss man nach dem Karriereende nicht sofort etwas haben, mit dem man Geld verdient. Ich bin ein Typ, der gerne Sicherheit hat im Leben. Der Profisport ist generell sehr kurzlebig.

Das wissen Sie nur zu gut. 2017 schafften Sie als jüngste Spielerin den Sprung in den EURO-Kader, der am Ende Dritter wurde, vier Jahre später in England verpassten Sie den Cut knapp.
Klein: Das waren wirklich zwei krasse Extreme. Der unglaubliche Erfolg in den Niederlanden, dann die große persönliche Enttäuschung bei der EURO 2021. Man sieht, dass immer super Spielerinnen nachrücken, der Druck ist immer enorm hoch, von außen wie von innen. Wenn du da nicht permanent Top-Niveau abrufst, bist du ganz schnell draußen. Da heißt es immer dranbleiben.

St. Pölten ist in der Tabelle wieder ganz vorne und zusammen mit Altach/Vorderland mit sieben Siegen in sieben Spielen in die Saison gestartet. Warum lässt der Ehrgeiz auch mit neun Meistertiteln in Folge nicht nach?
Klein: Beim SKN herrscht ein extrem hoher Ehrgeiz, wir pushen uns gegenseitig zu Höchstleistungen. Es ist uns auch gelungen, den Abgang von Jasmin Eder im Sommer zu kompensieren, auch wenn das alles andere als leicht war. Sie war nicht nur als Spielerin, sondern auch als Kapitänin außerhalb des Platzes sehr wichtig. Ihre Mentalität hat uns zu Beginn etwas gefehlt, wir konnten das allerdings dank unserer hohen fußballerischen Qualität ausgleichen.

Am Dienstag beginnt das Abenteuer Champions League mit einem Heimspiel gegen Brann Bergen (Anstoß 18.45 Uhr), in der Gruppe spielen noch Slavia Prag und Olympique Lyon. Wie sehr kribbelt es bereits bei dem Gedanken?
Klein: Total. Wir haben einen großen Anreiz, den zweiten Platz und damit den Aufstieg in die K.o.-Phase zu schaffen. Es ist keine Gruppe, wo du sagst, wir genießen den Moment und freuen uns auf die Erfahrung. Es sind Spiele, die auch sportlich machbar sind und wir nehmen uns viel vor. 

Die Gruppenphase findet zum zweiten Mal statt, bei der Premiere in der Vorsaison habt ihr Slavia Prag geschlagen, aber auch eine 2:8-Klatsche gegen Wolfsburg kassiert. Was konnte man davon mitnehmen?
Klein: Uns wurde klar aufgezeigt, welche Dinge uns noch fehlen, davon haben wir profitiert. Das gilt es in dieser Saison umzusetzen. Gerade wenn es gegen Lyon geht, ein Team mit absoluten Top-Spielerinnen. Rational betrachtet muss man in erster Linie hoffen, hinten stabil zu stehen und nicht zu viele Gegentore zu bekommen. 

Lyon scheint übermächtig, Slavia habt ihr bereits geschlagen. Kommt daher dem Spiel gegen Brann Bergen besondere Bedeutung zu?
Klein: Wahrscheinlich schon. Auch Slavia ist eine sehr unangenehme Mannschaft, gegen die es nicht leicht wird, aber wahrscheinlich ist diese Aufgabe eine Spur leichter als Brann Bergen. 

Und hoffen Sie gegen Lyon, das seit 2011 stolze achtmal die CL gewonnen hat, auch auf eine Rekordkulisse?
Klein: Ja, schon, das ist eine Weltklasse-Mannschaft. Man kann einerseits Spielerinnen auf Top-Niveau sehen und uns andererseits dabei zuschauen, wie wir uns mit der absoluten Elite messen. Und wer weiß, vielleicht können wir sie ja mit einer coolen Atmosphäre so richtig beeindrucken.