Kampf um die Rüben

Trotz guter Preise sorgen sich die Rübenbauern um ihre Zukunft, denn wichtige Wirkstoffe beim Pflanzenschutz fehlen.

„Ich habe noch eine Zeit erlebt, in der es in Österreich sieben Zuckerfabriken gegeben hat. Jetzt stehen die letzten zwei auf der Kippe und bleiben nur erhalten, wenn die Bauern weiter bereit sind, Rüben anzubauen“, ist der Obmann der Bezirksbauernkammer Mödling, Johann
Tröber, besorgt. Sein Ziel ist es, die Bevölkerung wachzurütteln, bevor es zu spät ist. „Wenn es so weitergeht, sind wir von Importen von jenseits des Äquators und jenseits des Atlantiks abhängig“, sagt der Funktionär bei einem Pressegespräch am Rübenplatz in Münchendorf im Bezirk Mödling. Auch den Berufskollegen wolle er das Gefühl vermitteln, dass sie nicht alleine gelassen werden.

Tröbers Sorgen gelten den Einschränkungen beim Pflanzenschutz. Bei den Rüben war es bis heuer Usus, dass eigentlich verbotene Neonicotinoide über den Weg einer Notfallzulassung erlaubt wurden. Der Wirkstoff wurde dabei in Form einer Beize auf das Samenkorn aufgetragen. „Wir haben immer belegt, dass es, so wie wir diese anwenden, es zu keinen Schäden für Nützlinge und die Natur kommt“, betont der Präsident der Rübenbauern, Ernst Karpfinger. Nach einer Klage durch eine NGO vor dem Europäischen Gerichtshof sind solche nationalen Ausnahmen aber nicht mehr zulässig. „Heuer sind in Folge 4.500 Hektar Zuckerrüben dem Rübenderbrüssler zum Opfer gefallen. Nach dem Versuch wieder anzubauen konnte der Nettoverlust auf 2.000 Hektar begrenzt werden“, so Karpfinger. Damit kann mit der übriggebliebenen Anbaufläche die Versorgung der beiden Zuckerfabriken in Tulln und Leopoldsdorf im Marchfeld für heuer sichergestellt werden.

Bessere Preise 

Um diese auszulasten, braucht es drei Millionen Tonnen Rüben, die in Normaljahren auf rund 38.000 Hektar heranwachsen. Heuer wird witterungsbedingt mit leicht unterdurchschnittlichen Erträgen gerechnet. „Die Fabriken sind extrem sensibel, weil die Fixkosten hoch sind. Sind sie unter hundert Tage in Betrieb, rechnet sich das nicht mehr“, informiert der Geschäftsführer der Agrana Zucker, Josef Eisenschenk. Ihm zufolge würden die Standorte aber keinesfalls vor dem Aus stehen. „Die Zuckerrübe ist weiterhin die Königin der Kulturpflanzen und der Preis ist derzeit sehr interessant.“ Wurde im Jahr 2020 nur der zwischen Agrana und den Rübenbauern vereinbarte Sockelbetrag von 34 Euro je Tonne bezahlt, kosten sie jetzt 65 Euro. Eisenschenk glaubt daher, dass die Landwirte auch in Zukunft für die Agrana anbauen werden.

Fortschritte gegen Schädling

Was die Probleme mit dem Derbrüssler betrifft, verweist die Agrana auf Forschungsansätze bei der RNA-Interferenz-Technologie, mit der spezifisch auf eine Schwachstelle in der DNA des Schädlings attackiert und in dessen Verdauung eingegriffen werden soll. In den USA funktioniert diese Technologie bereits beim Erdapfelkäfer und wird beim Maiswurzelbohrer getestet. Eisenschenk: „Laut Forschung soll das in fünf bis sieben Jahren auch beim Rübenderbrüssler möglich sein. Wir drängen darauf, die Zeit auf drei bis fünf Jahre zu verkürzen.“

Ernst Karpfinger teilt die Hoffnung des Agrana-Managers, will den Käfer aber nicht isoliert betrachten: „Es handelt sich um einen permanenten Prozess, im Rahmen dessen wir bereits 30 Prozent der Wirkstoffe verloren haben. Die wenigsten schaffen eine Wiederzulassung, weil die Kriterien so verschärft wurden.“ Zählen würde dabei nicht die Wissenschaft, sondern die veröffentlichte Meinung. Mit immer weniger zugelassenen Pflanzenschutzmitteln schwindet aber auch die Möglichkeit eines Wirkstoffwechsels. „Damit sind wir in einem Teufelskreis, in dem die Resistenzen zunehmen.“ Europa habe aber einen Versorgungsauftrag, so Kapfinger: „Wir wollen Österreich weiterhin mit Zucker beliefern. Denn alle Alternativen sind für das Klima und die Umwelt schädlicher.“

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