Zivilisationen kommen und gehen – nicht zuletzt wegen klimatischer Veränderungen. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass unsere eine Ausnahme sein wird“, sagt dazu Helga Kromp-Kolb. Mit dieser Ansicht ist die Klimaforscherin und Meteorologin als eine Vertreterin der Wissenschaft nicht alleine. Auch die Versicherungswirtschaft beobachtet die Auswirkungen des Klimawandels bereits seit Jahrzehnten, wie Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, bestätigt: „Die Erderwärmung ist längst auch in Österreich angekommen.“ Fakten sprechen dabei für sich: „Während wir in den 70er-, 80er-Jahren im Schnitt noch 10 Hitzetage, also Tage mit mehr als 30 °C hatten, sind es jetzt knapp 30 Hitzetage, also das Dreifache.“ Spürbar ist die Erderwärmung aber auch an den zunehmenden Wetterextremen, die die Landwirtschaft mit der Werkstatt unter freiem Himmel unmittelbar treffen. Alleine im heurigen Jahr 220 Millionen Euro, in den letzten fünf Jahren rund eine Milliarde Euro Gesamtschaden.
Ein hausgemachtes Problem ist dabei der Bodenverbrauch. In den letzten 25 Jahren wurden 150.000 Hektar Äcker und Wiesen durch Verbauung aus der Produktion genommen. Das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. „Mit immer mehr verbauter Fläche gefährden wir aber weiter die Lebensmittelversorgungssicherheit Österreichs. Zudem nehmen die Schäden durch Überschwemmung und Dürre mangels Wasser- und CO2-Speicher zu“, erklärt Weinberger. Der Bodenschutz brauche ein Maßnahmenbündel, etwa durch eine Revitalisierungsoffensive der mehr als 40.000 Hektar an leerstehenden Immobilien, ehe weitere Äcker und Wiesen verbaut werden. „Oder es gehört die Kommunalsteuer auf Bundesebene organisiert und im Wege des Finanzausgleichs nach Umweltkriterien an die Gemeinden verteilt“, fügt er hinzu.
Gerade weil ein wesentlicher Teil der Klimaveränderung selbstgemacht ist, muss rasch und mutig gehandelt werden, sind sich Weinberger und Kromp-Kolb einig. „Rückgängig machen können wir das Geschehene nicht – jedenfalls nicht kurzfristig. Aber bei einem Klima stabilisieren, das für den Großteil der Menschen noch erträglich ist, an das wir uns als Zivilisation anpassen können. Das liegt noch in unserer Macht“, betont die Klimaforscherin.
Weniger verbrennen
Durch kollektive Intelligenz konnte die aktuelle Pandemie durch Impfung stabilisiert werden. So muss es wohl auch gelingen, unseren Planeten gemeinschaftlich vor einer Klimakatastrophe zu retten. Dazu ist die Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtung, wie der Vertrag von Paris, eine Grundvoraussetzung. Aber auch national sind Anstrengungen für mehr Klimaschutz dringend erforderlich. Das Hauptproblem des mangelnden Klimaschutzes in Österreich kommt aus den CO2-Emissionen des Verkehrs. Trotz Verkehrsrückgangs infolge der Corona-Pandemie verursachte dieser Sektor in Österreich im Vorjahr um fast 50 Prozent mehr Emissionen als im Jahr 1990. Pkw sind die Hauptverursacher der klimaschädlichen Verkehrsemissionen. Die Fahrgäste des Öffentlichen Verkehrs haben eine noch schlechtere Klimabilanz verhindert. Denn pro Personenkilometer verursacht ein Pkw mit Verbrennungsmotor laut Umweltbundesamt im Schnitt fast vier Mal so viel CO2 wie ein Linienbus und sogar 17 Mal so viel wie die Bahn. Wer beispielsweise beim Pendeln auf der Strecke Wels – Linz von einem Pkw mit Verbrennungsmotor auf die Bahn umsteigt, vermeidet pro Jahr rund 2.200 Kilogramm an direkten CO2-Emissionen, wie ein Beispiel des VCÖ (Verkehrsclub Österreich) zeigt.
Vor Corona, im Jahr 2019, wurden in Österreich mit Bahn, städtischen öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Linienbus und Reisebus rund 31 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Im Vergleich zur Fahrt mit Pkw wurde damit der direkte Ausstoß von rund vier Millionen Tonnen CO2 vermieden, verdeutlicht der VCÖ. „Im Vergleich zu 2019 ist eine Reduktion der CO2-Emissionen des Verkehrs um rund 70 Prozent nötig, um die von der EU angepeilten Klimaziele für das Jahr 2030 erreichen zu können. Das ist nur erreichbar, wenn künftig weniger mit dem Auto gefahren wird und der Anteil des Öffentlichen Verkehrs an der Mobilität stark steigt“, stellt VCÖ-Experte Michael Schwendinger fest. Dafür brauche es Angebotsverbesserungen im Öffentlichen Verkehr, bessere politische Rahmenbedingungen und Maßnahmen auch außerhalb des Verkehrssektors.
Ein wichtiger Faktor, der Preis, wird mit dem Klimaticket nun angegangen. Günstige Jahresnetzkarten führen dazu, dass der Öffentliche Verkehr auch für Fahrten in der Freizeit häufiger genutzt wird, wie sich in Wien und Vorarlberg, wo Jahresnetzkarten bereits vor einigen Jahren eingeführt wurden, gezeigt hat. In Wien fuhren im Jahr 2019 um 25 Prozent mehr Personen täglich oder mehrmals die Woche mit den Öffis als im Jahr 2011, in Vorarlberg waren es um 37 Prozent mehr, wie eine VCÖ-Analyse auf Basis von Daten der Statistik Austria zeigt. Zum Vergleich: In Kärnten war die Zahl der häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln Fahrenden im Jahr 2019 um 25 Prozent niedriger als im Jahr 2011.
Der VCÖ hat zudem 250 Fachleute befragt, welche Maßnahmen des Öffentlichen Verkehrs darüber hinaus vorrangig sind, damit mehr Menschen häufiger mit Bahn und Bus fahren. Als am allerwichtigsten wird ein dichtes Netz mit häufigen Verbindungen genannt. Für die Regionen sind auch nachfrageorientierte Angebote, wie Gemeindebusse und Anrufsammeltaxis, als Ergänzung zum Linienverkehr wichtig. Potenzial sehen die Fachleute auch in der Verbesserung der Erreichbarkeit von Bahnhöfen mit dem Fahrrad und dem Ausbau der Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen. Wo es bei der Rad-Infrastruktur zum Bahnhof und bei den Rad-Abstellplätzen Verbesserungsbedarf gibt, erhebt der VCÖ nun gemeinsam mit Fahrgästen. Auf der VCÖ-Website können die Bahnhöfe bewertet sowie Mängel bei der Rad-Infrastruktur zum Bahnhof eingetragen werden.
Auch die rasche Umsetzung einer ökosozialen Steuerreform sehen die befragten Fachleute als eine zentrale Voraussetzung dafür, dass der Verkehr seine Klimaziele erreichen kann. Anreize und Begünstigungen für das Autofahren würden das Ziel behindern, den Anteil des Öffentlichen Verkehrs an der Mobilität zu erhöhen. Dazu würden beispielsweise die Steuerbegünstigung für Firmenautos und für Diesel zählen. „Klimaverträgliches Mobilitätsverhalten ist zu belohnen, der Ausstoß von CO2 ist endlich verursachergerecht zu bepreisen. Die zehn Prozent der wohlhabendsten Haushalte stoßen durch ihre Mobilität siebenmal so viel CO2 aus wie die Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen. Und dabei sind die Urlaubsflüge noch gar nicht berücksichtigt“, macht Schwendinger aufmerksam.