Der Ausblick auf das Wirtschaftsjahr 2023 hat sich in Europa seit dem Jahresbeginn unter anderem dank niedriger Gaspreise, voller Gasspeicher und eines relativ milden Winters aufgehellt. Die EU-Kommission erwartet für 2023 nun ein leichtes BIP-Wachstum in der Eurozone von 0,9 Prozent und in der gesamten EU von 0,8 Prozent. Damit hebt sie ihre Erwartungen im Vergleich zum Herbst um 0,5 bzw. 0,6 Prozentpunkte an. Die erwarteten Wachstumsraten für 2024 bleiben bei 1,5 Prozent für den Euroraum und 1,6 Prozent für die EU unverändert. Für Österreich wird heuer ein unterdurchschnittliches BIP-Plus von 0,5 Prozent prognostiziert, allerdings wurde auch dieses im Vergleich zum Herbst um 0,2 Prozentpunkte angehoben. 2024 soll die Wirtschaftsleistung um 1,4 Prozent weiter zulegen.
„Der Konsum läuft weiter recht gut und die Konjunktur-Vorlaufindikatoren wie Einkaufsmanagerindizes der Industrie sowie im Dienstleistungsbereich haben in Europa bereits wieder nach oben gedreht. In den USA zeichnet sich ebenfalls eine diesbezügliche Bodenbildung ab. Parallel gehen die Inflationsraten dies- und jenseits des Atlantiks bereits spürbar zurück. Einzig Österreich hinkt dieser Entwicklung etwas hinterher“, betont Christian Prugger, Leiter des Private Bankings in der Raiffeisen-Landesbank Tirol. Aufgrund der Entspannung bei der Inflation sei die Furcht vor Zinserhöhungen abgeebbt.
Entspannung erst ab 2024
Die Wirtschaft wird vor allem von den Energiepreisen belastet, was aber auch positive Entwicklungen bei Energieeffizienz und Investitionen mit sich gebracht hat und auch bringt. „Vor allem auf den Spotmärkten gibt es seit einiger Zeit bereits wieder eine rückläufige Entwicklung. Allerdings wirken diese in einigen energieintensiven Branchen nach wie vor als Kostentreiber, abhängig von den jeweiligen Kontrakten mit den Energieversorgungsunternehmen, und bleiben damit ein nicht unbeträchtlicher Unsicherheitsfaktor“, so Prugger. Gerade bei international agierenden österreichischen Großunternehmen sei dadurch auch ein Wettbewerbsnachteil zu befürchten.
Auf der anderen Seite unterstützt diese Situation neben den regulatorischen Anforderungen der EU-Taxonomie-Verordnung möglicherweise zusätzlich die Investitionstätigkeit in nachhaltige erneuerbare Energielösungen. Denn die Unternehmen werden sich voraussichtlich nicht nur auf angekündigte staatliche Preisregelungen verlassen. Allerdings könnte das inzwischen deutlich gestiegene Zinsniveau ein dämpfender Faktor für die künftige Investitionstätigkeit sein. Und dies zusätzlich neben den weiterhin bestehenden Unsicherheiten wie Arbeitskräftemangel, Inflation bzw. Verteuerung der Arbeitsleistung, den nach wie vor bestehenden Lieferkettenproblemen, der Energiepreisentwicklung und dem Konsumentenverhalten angesichts der Teuerung. Eine diesbezügliche langsame Entspannung dieser Einflussfaktoren sehen namhafte Ökonomen erst ab dem Jahr 2024.
Arbeitskräfte im Fokus
Ein zunehmend dringenderes Problem für die Unternehmen ist der Arbeits- und Fachkräftemangel. In immer mehr Fernseh- und Plakatwerbungen steht anstatt der Produkte die Suche nach Arbeitskräften im Mittelpunkt. „Vor Corona ging es tatsächlich primär um Fachkräfte, heute in ähnlichem Ausmaß um Pflegepersonal, Handwerker, Lehrer, Tourismusmitarbeiter, Lehrlinge bis hin zu geringer qualifiziertem Personal. Der Mangel zieht sich praktisch durch alle Berufsgruppen. Teilweise führt dies auch zu Umsatzeinbußen für Unternehmen, da sie den einen oder anderen Auftrag gar nicht mehr annehmen können“, weiß Prugger aus vielen Gesprächen mit Firmenkunden.
Für Unsicherheit sorgt auch die anhaltend hohe Inflation vor allem in Österreich. „Die Unternehmen befürchten hohe Kollektivvertragsabschlüsse und damit verbunden einen potenziell dauerhaften Wettbewerbsnachteil im internationalen Vergleich“, so Prugger. Historisch gesehen liegen in Österreich die Arbeitskosten pro Stunde ohnehin schon im EU-Spitzenfeld. Da schmerze es zusätzlich besonders, wenn in vielen Ländern Europas – etwa aufgrund von effektiven Energiepreisdeckeln – die Inflationsraten bereits merklich zurückgehen, während diese in Österreich noch im Jänner auf über 11 Prozent hinaufschoss.