Konjunkturell beginnt das Jahr 2024 für die österreichische Wirtschaft besser als gedacht – der Schnellschätzung des Wifo zufolge legte das Wirtschaftswachstum im Schlussquartal 2023 überraschend um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. „Der konjunkturelle Tiefpunkt ist damit durchschritten“, erklärt Karin Kunrath, Chief Investment Officer (CIO) der Raiffeisen KAG.
Allerdings lag die Wirtschaftsleistung im Schlussquartal immer noch um 1,3 Prozent unter dem vierten Quartal 2022. Und auch im Gesamtjahr 2023 schrumpfte die österreichische Wirtschaftsleistung im Jahresabstand um 0,7 Prozent. Treiber für diese negative Entwicklung war der Finanzexpertin zufolge das Umfeld stark steigender Preise, der damit verbundene geringere Konsum sowie der kräftige Anstieg der Energiepreise – und dabei insbesondere für Erdgas, das in der Industrie benötigt wird. „Der Großteil der negativen Wachstumsimplikation ist aber bereits passiert. So sind Gaspreise inzwischen spürbar tiefer“, so Kunrath.
Moderate Wachstumsraten erwartet
Für heuer erwartet die Raiffeisen-Expertin in Österreich ähnlich wie in der Eurozone nur moderate Wachstumsraten. „Die restriktivere Geldpolitik lastet auf der Konjunktur, gleichzeitig fehlen geldpolitische Impulse. Der Arbeitsmarkt zeigt sich vorderhand robust, hier sehen wir jedoch das Risiko einer Abschwächung im Laufe des Jahres und damit Druck auf den privaten Konsum“, betont Kunrath. Für spürbare höhere Wachstumsraten wäre ein externer Impuls vonnöten. Dies wäre am ehesten durch eine Belebung der Auslandsnachfrage oder aber durch ein Ende des Kriegs in der Ukraine denkbar.
Belastend wirkt sich die weiterhin hohe Teuerung in Österreich aus. „Die Inflation drückt auf den österreichischen Inlandskonsum – insbesondere, wenn Löhne unter der Inflation wachsen – und wirkt so wachstumsdämpfend. Gleichzeitig führen höhere Lohnzuwächse als in anderen Ländern Europas mittelfristig zu einem Wettbewerbsnachteil des Standortes. Man kann diese Entwicklung aber auch als eine Auswirkung der verfehlten Energiepolitik der letzten Jahre sehen, die zu sehr auf vermeintlich günstiges Gas setzte“, so Kunrath.
Zinsschritt im Q2 am plausibelsten
Die grassierende Inflation habe aber auch die Geldpolitik im Zugzwang gesetzt, die seit Juli 2022 die Zinsen in einem historischen Tempo angehoben hat. „Der relevante Zinssatz im aktuellen geldpolitischen Set-up mit hoher Überschussliquidität ist die Verzinsung der Einlagefazilität bei aktuell 4 Prozent. Der zuletzt nachlassende Inflationsdruck in der Eurozone eröffnet der Notenbank die Chance, im Laufe des Jahres das geldpolitische Umfeld weniger restriktiv zu gestalten. Hinsichtlich des Timings und des Umfanges werden die Datenveröffentlichungen der nächsten Monate die wesentlichste Rolle spielen“, erläutert Kunrath.
So werde einerseits spürbarer Rückgang des Preisdruckes bei Dienstleistungen und andererseits eine gewisse Beruhigung bei den Lohnanstiegen vonnöten sein. „Aktuell erscheint ein erster Zinsschritt im zweiten Quartal als am plausibelsten. Bis Jahresende scheinen Zinssenkungen im gesamten Ausmaß von 1 bis 1,5 Prozent am wahrscheinlichsten“, erklärt die Chefinvestorin. Die meisten Marktteilnehmer skizzieren ein ähnliches Zukunftsbild. Insofern sollte ein derartiger Zinspfad auch zu keinen größeren Verwerfungen am Kapitalmarkt führen. Konjunkturell würden sich die besseren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Konsumenten – Stichwort Immobilienkredite – aber wohl erst im nächsten Jahr mit etwas höheren Wachstumsraten zu Buche schlagen.