Die Grüne Woche in Berlin steht heuer im Schatten der Proteste zehntausender Bäuerinnen und Bauern. Sie demonstrieren mit ihren Traktoren in ganz Deutschland aufgrund von Förderkürzungen der Ampelregierung. Österreichs Agrarspitze mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Landwirtschaftskammer Österreich-Präsident Josef Moosbrugger und Bauernbund-Präsident Georg Strasser zeigt sich solidarisch, übt aber harsche Kritik an der Regulierungspolitik der EU-Kommission.
„Es ist verständlich, dass die deutschen Bäuerinnen und Bauern auf die Straße gehen. Ein systemrelevanter Sektor, der für die Lebensmittelversorgung zuständig ist, braucht die Unterstützung der gesamten Gesellschaft“, ist Totschnig überzeugt. Anders als in Deutschland seien in Österreich die Landwirte direkt in der Bundesregierung vertreten. Dennoch zeigten die Bauernproteste, wenn von ihnen Unmögliches abverlangt wird, sei die Versorgung mit gesunden, heimischen Lebensmitteln gefährdet, unterstreicht der Minister und betont: „Wir stehen an der Seite der Bauern“.
Gleichzeitig gefährde der Regulierungsdruck seitens der EU die Wettbewerbsfähigkeit, so Totschnig. „Viele Bäuerinnen und Bauern haben das Gefühl, dass die Vorhaben der EU-Kommission realitätsfern und Ziele ideologischer formuliert werden. Allein beim Green Deal sprechen wir von 136 Rechtsakten in unterschiedlichen Umsetzungsstadien.“ Das bringe viele an ihre Grenzen. Die EU entwickle sich immer stärker weg von den vier Grundfreiheiten hin zu den 10.000 Regulierungen. Es brauche daher dringend eine Kurskorrektur der EU-Politik, so Totschnig, der bereits seit seinem Amtsantritt das Thema Versorgungssicherheit trommelt und Allianzen für eine realitätsnahe und praxistaugliche EU-Politik bildet.
Gegen billigen Populismus
Auch für Moosbrugger sind die Vorgaben des Green Deal „längst überholt“ und lassen Praktikabilität vermissen. „Wir fordern daher eine neue EU-Politik, die endlich die Lehren aus Corona, Ukraine-Krieg und Klimakrise zieht und auch Versorgungssicherheit und Produktionsstandort Europa wieder die notwendige Bedeutung beimisst“, unterstreicht der LK Österreich-Präsident.
„Während Gesellschaft, NGO-getriebene Politik und Handel die Produktion für uns immer weiter verteuern, setzen die Menschen beim Einkauf immer stärker auf billige Aktionsware. Das erzeugt einen enormen Druck auf unsere Bauernfamilien“, warnt Moosbrugger. „Wir sollten zentrale Lebensgrundlagen nicht einem billigen, kurzsichtigen Populismus opfern. Ein Bauernhof, der einmal aufgegeben hat, wird nicht mehr aufgesperrt. Investitionen, gerade in Maschinen und Stallbauten, müssen über viele Jahre und Jahrzehnte abgezahlt werden. Ich kann nicht heute auf Tierwohl setzen und morgen auf etwas anderes. Wir brauchen Planbarkeit, Verlässlichkeit und echte Zukunftsperspektiven“, so Moosbrugger.
Mit ehrlicher Arbeit überzeugen
Strasser fordert angesichts der aktuellen Situation einen parteiübergreifenden Konsens für die österreichische Land- und Forstwirtschaft: „Bauern gegeneinander aufzuhetzen ist ein No-Go – gemeinsam Lösungen zu finden, das bringt uns wirklich weiter. Es sollte unser aller Interesse sein, für unsere Bauernfamilien den Weg für eine zukunftsfitte Land- und Forstwirtschaft in Österreich zu bereiten. Davon profitiert letztlich jeder in unserem Land.“
Strasser will auch 2024 einen nachhaltigen Weg der Weiterentwicklung in der Landwirtschaft einschlagen: „Dazu braucht es aber Maß, Ziel und Hausverstand. Das Bio- und Tierwohlsegment kann nur wachsen, wenn das die Konsumenten auch kaufen und unsere Betriebe Planungssicherheit haben. Die Verantwortung dafür liegt bei den Konsumenten, aber auch bei der Politik. Heuer werden die Weichen in der Agrarpolitik in Brüssel neu gestellt. Die Entscheidungen, die dort getroffen werden, treffen unsere Landwirte direkt. Wir wollen deshalb mit ehrlicher Arbeit überzeugen und uns weiterhin für unsere Bauernfamilien einsetzen“, so Strasser.