Stabilitätsanker in Krisenzeiten

Eine erfreuliche Bilanz über das Wirtschaftsjahr 2021 zog der 76. OÖ Landesgenossenschaftstag. Allerdings werden die Herausforderungen für Genossenschaften nicht geringer, war der gemeinsame Tenor.

Die Stärke der Genossenschaft zeigt sich in schwierigen Zeiten – diesem Credo wurden die oberösterreichischen Genossenschaften auch im Vorjahr trotz zahlreicher Widrigkeiten gerecht. Neben dem fortschreitenden Klimawandel, der anhaltenden Digitalisierung, der Corona-Pandemie und einer zunehmenden Inflation wütet seit Monaten nach dem russischen Angriff auf die Ukraine auch ein bis dahin unvorstellbarer Krieg in Europa. „Die oberösterreichischen Genossenschaften beweisen gerade in schwierigen Zeiten, dass sie mit ihrer Verantwortung, die sie vor Ort ausüben, ein verlässlicher Partner der Menschen sind und ihre Dienstleistungen ein großer Beitrag für die Versorgungssicherheit sein können. Es braucht aber weiterhin eine gemeinsame und gesamthafte Kraftanstrengung, um diesen Krisen zu begegnen“, betonte Walter Lederhilger, Genossenschaftsanwalt des Raiffeisenverbandes Oberösterreich, beim 76. Landesgenossenschaftstag im Design Center in Linz. Denn in Zeiten, in denen Versorgungssicherheit nicht mehr selbstverständlich sei und wirtschaftliche Unabhängigkeit einen immer stärkeren Wert bekomme, sei die von den Raiffeisen-Genossenschaften geleistete Förderung der Mitglieder „besonders wertvoll“.

Bank, Ware und Milch

„Die 250 Raiffeisen-Genossenschaften in Oberösterreich stehen im Eigentum von rund 350.000 Oberösterreichern. Wie bei jedem Unternehmen stehen auch bei den Genossenschaften die Ziele des Eigentümers im Vordergrund, also die Ziele von 350.000 Oberösterreichern. Deren Forderungen sind die Richtschnur für die Genossenschaften und nicht die Gewinnmaximierung“, strich Verbandsdirektor Norman Eichinger hervor. Gleichzeitig betonte er die große Bedeutung von finanzieller Stärke, die die Genossenschaften in die Lage versetzen, für Sicherheit zu sorgen. Dafür wurde auch im Vorjahr das Fundament gelegt. „Die 75 oberösterreichischen Raiffeisenbanken steigerten ihr Geschäftsvolumen um 9 Prozent auf 58 Mrd. Euro, wobei sie ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 266 Mio. Euro auswiesen“, berichtete Eichinger. Trotz sehr herausfordernder Rahmenbedingungen legte auch die Bilanzsumme kräftig um 7,1 Prozent auf 30 Mrd. Euro zu. Ein funktionierender finanzieller Blutkreislauf sei „eine unverzichtbare Erfolgsgrundlage“ für das gesamte Wirtschaftssystem. Dabei trage die Raiffeisenbankengruppe OÖ „als starkes Herz und klarer Marktführer“ sowohl vor Ort als auch digital entscheidend dazu bei.

„Auch die oberösterreichischen Lagerhausgenossenschaften zeigen mit ihren über 100 Filialen im ganzen Land, dass der stationäre Handel trotz Digitalisierung geschätzt wird“, konstatierte der Verbandsdirektor. Dies lasse sich aus den Vorjahreszahlen mit einem Umsatzwachstum von fast 17 Prozent auf knapp 900 Mio. Euro ablesen. Erfreulich seien die ganz klar positive Ertragslage sowie die solide Eigenkapitalausstattung von 47 Prozent. Darüber hinaus waren die Lagerhausgenossenschaften auch 2021 ein verlässlicher Lieferant von Betriebsmitteln, Dienstleister mit hohem Know-how, Bereitsteller von Lagerhauskapazitäten und als Vermarkter agrarischer Produkte ein wesentlicher Partner der heimischen Landwirtschaft. 

Auf ein letztlich gutes Jahr können auch die oberösterreichischen Molkereigenossenschaften zurückblicken, in dem sie 1,7 Milliarden Kilogramm Milch verarbeiteten und damit einen wesentlichen Beitrag zur Lebensmittelversorgung leisteten. Trotz deutlich gestiegener Preise für Verpackung und Energie nahm die Betriebsleistung im Vorjahr um 1 Prozent auf 1,2 Mrd. Euro zu. Darüber hinaus wurde der Milchauszahlungspreis um rund 5 Prozent erhöht. 

„Neben den drei großen Sparten war auch die darüber hinaus bunte Familie an Genossenschaften im Vorjahr gut unterwegs“, betonte Eichinger. Das bestätigte auch Generalrevisor Michael Laminger, der dem oberösterreichischen Raiffeisenverband einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilte: „Der genossenschaftliche Förderauftrag wurde insbesondere durch die zeitgerechte Erfüllung der Prüfungs- und Beratungsaufgaben sowie durch die Ausübung der anwaltschaftlichen Vertretung der Mitglieder erfüllt – ein wie üblich sehr gutes Prüfungsergebnis.“

Andreas Pangl, Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV), strich hervor, dass „zwei schwierige Jahre hinter uns liegen“, die Herausforderungen mit dem Krieg in der Ukraine und der galoppierenden Inflation aber noch zunehmen: „So manchen wird erst jetzt bewusst, dass ein Teil unseres Wohlstandes auf billiger Energie, billigem Kapital und letztendlich billigen Lebensmitteln aufgebaut war. Damit ist es vorläufig vorbei.“ Diese disruptiven Herausforderungen können nur gemeinsam gestemmt werden, die Kraft des Miteinanders sei daher aktueller denn je, konstatierte der ÖRV-Generalsekretär. 

Zwickmühle Geld

„Die Zeiten haben sich geändert. Die geopolitische Entwicklung hat uns gezeigt, dass Resilienz bedeutet, diversifiziert zu sein“, betonte Festredner Gottfried Haber, Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank. Der Russland-Ukraine-Krieg sei ein Paradigmenwechsel, bei dem der internationale Handel, die daraus erfolgten Abhängigkeiten und die Resilienzen hinterfragt werden. Der Wohlstand unserer Gesellschaft hänge von der Arbeitsteilung ab – das sei auch eine Kernidee des Genossenschaftsgedankens. „Die große Herausforderung ist jetzt, dass wir uns von dieser Idee auch international nicht verabschieden sollten. Denn internationaler Handel ist nicht das Problem, sondern gravierende Abhängigkeit von einzelnen Elementen in den Lieferketten“, betonte Haber. Dabei ging er auch auf die Kernaufgabe der Zentralbanken, die Inflationsbekämpfung, ein: „Höhere Zinsen dämpfen die Liquidität am Markt. Das heißt, dass tendenziell auch weniger konsumiert und investiert wird. Damit wird auch die Wirtschaftsleistung gedämpft.“

In Europa stehe man nun vor einer Zeitwende, in der eine rasche Normalisierung der Geldpolitik kommen sollte. „Wir reden aber nicht darüber, dass die Geldschrauben angezogen gehören, sondern eigentlich davon, dass wir vom Gas runtergehen und in einer Welt ankommen, in der es normale und positive Zinsen gibt“, so Haber. Das sei aber nicht so leicht, weil ein hoher Anteil der Inflationsentwicklung nach Europa und Österreich importiert werde. Da mache es keinen Unterschied, ob wir die Geldmenge reduzieren oder nicht. „Wir haben eine extrem hohe Nachfrage, gleichzeitig einen Angebotsschock durch den Krieg in der Ukraine und zusätzliche Herausforderungen wie Lieferketten-Probleme und Fachkräftemangel. Es wird sehr schwer, eine Balance zu finden“, ist Haber überzeugt. 

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