Die hohe Inflation der vergangenen Jahre hat ein stärkeres Bewusstsein für die Veranlagung von Geld und Vermögen geschaffen, zeigt eine Umfrage des Bankenverbandes und des Unternehmensberaters Boston Consulting Group (BCG). 70 Prozent der 1.044 Befragten geben an, dass sie einen Nachholbedarf bei Informationen über Bank- und Finanzprodukte haben. Lediglich 30 Prozent fühlen sich gut informiert. Für 51 Prozent sind die Themen Vorsorge, Geldanlage und Wertverlust aufgrund der Inflation „wichtiger“ geworden.
„Drei Viertel setzen auf klassisches Sparen, ein knappes Viertel nutzt Fonds oder Aktien als Anlageform. Grund für die geringe Nutzung des Kapitalmarktes ist die Angst vor Geld- und Wertverlust, die unsichere wirtschaftliche Lage und das fehlende Finanzwissen“, erläutert Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes. Das sei etwas, wo man immer wieder ansetzen müsse. Dies bestätigt auch Lukas Haider, BCG-Managing Director in Wien.
Im Rahmen der Studie wurde auch das Finanzwissen der Österreicher abgefragt. Nur ein Viertel kann etwa die Höhe der Sparzinsen bei Onlineprodukten richtig einordnen, die laut OeNB bei rund 1,4 Prozent im Zeitraum der Untersuchung lagen. Viele glauben, dass die Zinsen bei Sparangeboten deutlich niedriger seien. Mehr als die Hälfte wisse gar nicht, wie es um das Sparzinsniveau aussieht. „Selbst beim Sparen, dem beliebten Anlageverhalten der Österreicher, gibt es einen Nachholbedarf beim Wissen“, so Haider.
Fast zwei Drittel wissen zwar, dass das aktuelle Zinsniveau bei der hohen Teuerung zu Wertverlust führt. Allerdings glauben 6 Prozent der Befragten fälschlicherweise, dass sie durch das Sparen an Wert gewinnen würden, weiter 12 Prozent sind überzeugt, dass sie mit dem Sparen einen Werterhalt schaffen, und 17 Prozent können überhaupt keine Aussage zur Wertentwicklung geben. „Geldentwertung ist die zweitgrößte Sorge, die die Inflation auslöst, gleich nach dem teurer werdenden täglichen Einkauf“, so Resch. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. So versuchen 45 Prozent der Befragten noch mehr Geld auf die Seite zu legen, um besser abgesichert zu sein. 17 Prozent dagegen setzen auf riskantere Veranlagungen mit höheren Ertragschancen.
„Börse ist kein Casino“
Ein differenziertes Gesellschaftsbild zeigt sich bei der Nutzung von Wertpapieren. So nutzen etwa Männer Wertpapiere doppelt so oft als Frauen. Zudem investieren Österreicher mit einem höheren Bildungsgrad um 1,5-mal öfter in Wertpapiere. „Investitionen in Wertpapiere sind nicht Roulette, die Börse ist kein Casino“, betont Resch. Das Image der Veranlagung in Wertpapiere müsse zurechtgerückt werden. Denn auch in den Zukunftsplänen zeigen sich die Befragten nicht wirklich affiner zu dieser Assetklasse: Weniger als 10 Prozent möchten Fonds, Aktien und Zertifikate im kommenden Jahr neu nutzen.
Dazu kommt, dass die Österreicher nach wie vor die gelernten Sparmuster bevorzugen. „Trotz der geringen bis nicht vorhandenen Verzinsung auf Girokonten oder in der heimischen Sparbüchse bevorzugen bei einer geplanten Neuveranlagung fast doppelt so viele Österreicher die traditionellen Sparformen gegenüber dem Schritt in die Welt der Wertpapiere“, so Haider.
Insgesamt zeige die Studie, dass es „einen Zusammenhang zwischen der aktuellen finanziellen Situation und dem Wissen über Produkte und deren Effekte auf das eigene Vermögen gibt“, so der BCG-Experte. So seien lediglich 22 Prozent der Befragten mit dem Zinseszinseffekt vertraut. 73 Prozent haben davon „schon einmal gehört“. Etwa die Hälfte davon sei sich der positiven Auswirkungen bewusst. „Die Wirkung des Zinseszinseffekts wird typischerweise unterschätzt, gerade bei langfristigen Veranlagungen“, so Haider weiter.
Bildungsauftrag
Für den Bankenverband und BCG bedeuten die Umfrageergebnisse einen Auftrag, sich stärker dem Thema Finanzbildung zu widmen, auch sie in der Schule stärker zu implementieren. „Wir wollen bei der Ausbildung ansetzen. Wir wollen wirklich schauen, dass alle die gleichen Chancen haben, sich zu informieren, und den gleichen Wissensstand haben, um dann die Entscheidung treffen können, wie sie in Zukunft in Summe ein ausgewogenes Anlageportfolio aufstellen“, sagt Resch.
Die Österreicher seien diesbezüglich offen. So gaben im Rahmen der Studie 61 Prozent der Befragten an, dass sie sich „Hilfe und Information“ von ihrer Bank und ihrem Bankberater wünschen. Frauen und Jüngere sind für externe Finanzberatung empfänglicher. „Mehr Finanzbildung und mehr Wissen über Produkte, Effekte und Mechanismen kann neues Potenzial für jeden Einzelnen und den Kapitalmarkt heben“, ist Resch überzeugt.