Lokalaugenschein: Vom blauen Auge bis zum Totalschaden

Wie Niederösterreichs Raiffeisenbanken das 100-jährliche Hochwasser getroffen hat und wie gut der Zusammenhalt funktioniert, berichten drei Geschäftsleiter aus dem Katastrophengebiet.

Die Wetterprognosen für das vergangene Wochenende sorgten im ganzen Land für Verunsicherung. Aufgrund unnatürlich großer Regenmengen seien Überschwemmungen und Muren zu erwarten, in höher gelegenen Regionen Schneebruch mit Problemen auf Verkehrswegen und bei Stromverbindungen, hieß es seitens der GeoSphere Austria. 

„Dank der Wettervorhersagen war bei uns das Bewusstsein schon recht groß“, erzählt Ernestine Grießler, Geschäftsleiterin der Raiffeisenbank Region St. Pölten. Freitags hat man bereits organisatorische Vorkehrungen getroffen und Pläne für den Ernstfall geschmiedet. Bei einem Termin mit der Feuerwehr, der eigentlich gar nichts mit der Wettersituation zu tun hatte, verfestigte sich die Ungewissheit. „Da hieß es, man bereite sich vor – Sandsäcke wurden gefüllt und schweres Gerät vorbereitet –, denn es wird etwas kommen. Mit dem tatsächlichen Ausmaß und der Intensität hat zu diesem Zeitpunkt aber niemand gerechnet“, erinnert sich Grießler.

Unbekannte Ausmaße

Der ohnehin gelebte Austausch mit den Gemeinden und Blaulichtorganisationen kam Raiffeisen in dieser Krisensituation zugute. So konnte auch in der Bankstelle der Raiffeisenbank Langenlois in Schönberg am Kamp Schlimmeres verhindert werden. Nach einer entsprechenden Warnung am Samstag hat sich eine Mitarbeiterin schnell auf den Weg gemacht und in aller Eile alle technischen Geräte nach oben geräumt und so gut es geht die Bankstelle gesichert. „Die Erfahrungen, die wir damals beim Hochwasser 2002 sammeln konnten, kamen uns hier sehr zugute“, sagt Geschäftsleiter Andreas Knapp. Letztendlich kam es – außer bei einer Filiale am Dachstuhl – in keiner der Bankstellen der RB Langenlois zu einem Wassereintritt: „Wir sind also mit einem ordentlichen blauen Auge davongekommen.“

Nicht so viel Glück hatte man bei der RBR St. Pölten: „Unser Genossenschaftsgebiet liegt im absoluten Krisengebiet“, hält Ernestine Grießler fest. „Unsere Bankstellen sind alle massiv betroffen, besonders die in Kirchberg und Kasten.“ Schlamm in der Bankstelle, defekte Elektroleitungen, kaputte Geldautomaten – um nur einige der Schäden zu nennen. 

Schwer getroffen wurde auch die Bankstelle in Sieghartskirchen der Raiffeisenbank Tulln. Ende 2020 nach umfänglicher Renovierung neu eröffnet, steht man nun vor einem Totalschaden. „Das trifft uns sehr“, beteuert Geschäftsleiter Manfred Leitner. Bis zu eineinhalb Meter hoch ist das Wasser im Foyer gestanden. „Einrichtung und Geräte, alles kaputt.“ Das Wasser ist zudem in den Tresorraum vorgedrungen und hat wahrscheinlich auch Kundenschließfächer bzw. deren Inhalt beschädigt. Das Ausmaß des Schadens ist noch nicht bekannt, da die Tresoranlage erst mittels Spezialisten geöffnet werden muss. 

Im Notbetrieb

Trotz beispielloser Ausnahmesituation war es allen drei Raiffeisenbanken möglich, bereits am Montag wieder für ihre Kunden da zu sein. Zwar nicht im gewohnten Ausmaß, aber zumindest in einigen Bankstellen mit weniger Mitarbeitern. „Wir haben den Sonntag genutzt, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen und entsprechendes Personal für den Notbetrieb aufzustellen, um auch möglichst die Bargeldversorgung aufrechtzuerhalten“, sagt Ernestine Grießler. Am Montag waren drei Bankstellen der RBR St. Pölten geöffnet, am Dienstag schon nur mehr zwei der sechzehn geschlossen.

Am wichtigsten war dabei immer, die Sicherheit der Mitarbeiter nicht zu gefährden. Viele wären aufgrund von Straßensperren erst gar nicht zum Arbeitsplatz gekommen. „Vor allem auch Homeoffice erleichtert es, in so einer Situation für die Kunden zur Verfügung zu stehen“, so Andreas Knapp, der gleich hinzufügt: „Früher wäre das nicht gegangen.“ 

Spürbares Miteinander

Nichtsdestotrotz musste die Raiffeisenbank Langenlois vier Bankstellen am Montag geschlossen halten. Viele der Mitarbeiter waren als Helfer im Einsatz und mit Sonderurlaub freigestellt, wie Knapp betont. Bei der RBR St. Pölten ist man ebenso „sehr stolz darauf, dass viele unsere Mitarbeiter bei Blaulichtorganisationen tätig sind und haben sie für ihren engagierten Einsatz auch dienstfrei gestellt“. Jene Mitarbeiter, die persönlich vom Hochwasser betroffen sind oder Nachbarschaftshilfe leisten wollen, bekommen auch Sonderurlaub. Die Mitarbeiter der Raiffeisenbank Tulln haben darüber hinaus eine eigene Einsatzgruppe gegründet, die betroffenen Kollegen zu Hilfe kommt. „Das Miteinander ist absolut spürbar und erlebbar“, lobt Manfred Leitner sein Team.

„Es ist unglaublich, was für Ideen in solchen Situationen entstehen. Jeder der kann, packt an“, bekräftigt Grießler: „Was wir gerade miteinander schaffen, ob abteilungs- oder bankstellenübergeifend, ist sensationell!“ Und wird dem Raiffeisen-Leitspruch „Wir macht’s möglich“ mehr als gerecht.

AusgabeRZ38-2024

Mehr lesen

Anzeige
Raiffeisen Immoday 2024

Aktuelles

Anzeige

Die Welt der Raiffeisenzeitung