Maximilian Gnigler: „Wollte es der Welt beweisen“

Maximilian Gnigler ist eine der größten Kanu-Hoffnungen Österreichs. Doch vor zehn Monaten wurde bei ihm Epilepsie diagnostiziert. Der Startschuss zum härtesten Wettkampf seiner Karriere.

Wer auf das WhatsApp-Profil von Maximilian Gnigler schaut, sieht dort einen Blitz. Eine Anspielung auf seine Epilepsie, die von manchen auch als „Gewitter im Kopf“ beschrieben wird? „Nein“, sagt der 18-Jährige lachend. „Das Bild hatte ich schon vorher. Es sollte eher ‚schnell wie der Blitz‘ bedeuten. Ich habe es auch nach meiner Diagnose einfach behalten.“ 

Schnell wie der Blitz – das traf lange auf den Burschen zu, der in Kapstadt (Südafrika) geboren wurde, mit elf Jahren nach Österreich, der Heimat seiner Großmutter, kam und vier Jahre später in Klosterneuburg mit dem Kanu-Sport begann. Auf Anhieb hatte er ein Gespür für das Wasser und gewöhnte sich schnell an die kleinen Rennboote, mit denen Anfänger sofort kentern würden. Nach nur einem Jahr schaffte er es bei den Staatsmeisterschaften seiner Altersklasse aufs Stockerl und schlug Konkurrenten, die ihm viele Jahre Erfahrung voraushatten. „Darauf war ich schon stolz“, sagt er. 

Der Erfolgsrun schien kein Ende zu nehmen: Die Raiffeisenbank Klosterneuburg unterstützte ihn als Sponsor, er durfte mit dem Jugend-Nationalteam trainieren, fuhr zu großen Wettkämpfen und erlebte 2022 ein Jahr, von dem viele Sportler träumen. Neunter bei den Europameisterschaften in Belgrad, Zehnter bei den Weltmeisterschaften in Ungarn. Und das gleich in seiner ersten Saison, in der er bei den U18-Junioren fuhr und sich viele erst an das höhere Niveau gewöhnen müssen. „Das hat den Ehrgeiz in mir geweckt, es 2023 noch besser zu machen, bei EM und WM noch weiter vorne zu landen. Ich war voll motiviert. Doch dann kam Anfang des Jahres die Diagnose.“

Ein schwerer Rückschlag

Und zwar wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er merkte, wie es ihn im Schlaf manchmal riss, der Nacken unkontrollierte Bewegungen machte. Bis er eines Tages mit einem lauten Knall aus dem Bett fiel und eine dicke Beule am Kopf davontrug. „Da ist meine Mutter mit mir ins Spital gefahren.“ Ein Langzeit-EEG brachte die Gewissheit: Epilepsie. Eine Diagnose, die ihm das Wasser unter dem Boot absaugte. „Ich wollte zwei Tage lang mit niemandem sprechen, war geschockt und dachte, ich könnte kein normales Leben mehr führen. Ich wusste damals einfach nicht, dass das mit einer gut eingestellten Medikation sehr wohl möglich sein würde.“ Immerhin wurde sein Kampfgeist, der ihn beim Paddeln immer auszeichnete, schnell geweckt. Sich vom Schicksal unterkriegen zu lassen, war jedenfalls keine Option. „Ich wollte der Welt beweisen, dass es auch mit Epilepsie möglich ist, eine Karriere als Leistungssportler hinzulegen.“

Das Leben eines Leistungssportlers hat allerdings seine ganz besonderen Anforderungen. Weil er fürchtete, die Medikamente könnten seine Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen, wollte er erst nach der Saison mit der Einnahme beginnen. Wohl nicht die beste Idee seines Lebens. Die Anfälle kamen öfter und wurden heftiger. Und sie kosteten ihn Kraft. „Nach einem ‚grand mal‘ (so wird die heftigste Form der Epilepsie mit Bewusstlosigkeit, Versteifungen und kurzen Atemstillständen genannt) hatte ich wegen der starken Verkrampfung Muskelkater. Dazu kam die mentale Belastung. Es war eine riesige Herausforderung.“

Maximilian Gnigler im Kanu
Trotz seiner Epilepsie-Diagnose hat das junge Kanu-Talent der Welt noch einiges zu beweisen und will seinen Traum als Olympia-Teilnehmer nicht so schnell aufgeben. © Mario Siegl

Kampf mit der Krankheit

Die Folge: Die Trainingsleistungen wurden schlechter, die Resultate blieben hinter den Erwartungen. Allerdings noch immer auf stattlichem Niveau. Max Gnigler verteidigte seine Staatsmeistertitel über 200, 500 und 1.000 Meter, kam bei den Weltmeisterschaften in Italien auf Rang 16. „Nichts, wofür man sich genieren müsste“, meint er. „Aber eben deutlich weniger, als ich mir erhofft hatte. Mir war jedenfalls klar, dass ich anfangen muss, meine Medikamente zu nehmen.“ 

Nicht zuletzt auch aus Sicherheitsgründen. Denn was würde passieren, wenn er einen Anfall auf dem Wasser hätte? Schließlich kann ein „grand mal“ mehrere Minuten dauern. Jedenfalls lange genug, um im schlimmsten Fall zu ertrinken. „Das habe ich am Anfang komplett unterschätzt, sehr zum Leidwesen meiner Mutter“, gibt er zu. „Ich hatte die Attacken immer nur nachts und dachte, im Boot wird mir schon nichts passieren. Wobei ich immerhin eine Schwimmweste angezogen habe, wenn ich alleine unterwegs war. Mittlerweile achte ich darauf, nur noch in einer Gruppe unterwegs zu sein.“ 

Für ihn gravierender war aber ein anderes Problem. Denn der befürchtete Effekt trat ein, die Leistungsfähigkeit ließ als Nebenwirkung der Arznei nach. Als er nach der Saison seinen ersten Leistungstest machte, reichte es nur zu Zeiten, die er schon als 15-Jähriger geschafft hatte. „Das war echt frustrierend“, sagt Gnigler. Also entschied er sich, eine kleine Auszeit zu nehmen in der Hoffnung, mit der Medikation besser zurechtzukommen.

Verlässliche Unterstützung

Genau in diesem Prozess befindet sich Max Gnigler aktuell. Was ihn dabei positiv überraschte, war die Reaktion seines Sponsors. „Ich dachte vorher, ein Sponsor schaut nur auf Resultate. Doch Raiffeisen hat mir signalisiert, mich auch weiterhin zu unterstützen und mir sogar 1.000 Euro mehr überwiesen, die ich in Behandlungen investieren kann. Das war eine große Geste.“ Und auch ohne tägliches Wasser-Training ist sein Tag derzeit ausgefüllt. Er büffelt für seine Matura-Prüfung im Frühjahr, hält sich fit und bereitet sich auf den Mediziner-Test im Juli vor. „Ich würde gerne Medizin studieren, das war schon vor der Diagnose mein Traum.“

Seinen anderen Traum, den von der großen Sportkarriere, hat er noch lange nicht aufgegeben. Als er 2022 sein großes Jahr hatte, hat er sogar mit Olympia 2024 in Paris spekuliert. Das ist mittlerweile in weite Ferne gerückt, aber auch die nächsten Spiele kommen bestimmt, konkret 2028 in Los Angeles. „Sobald ich das Gefühl habe, dass es wieder sinnvoll ist, werde ich mit dem Training beginnen. Und dann werde ich alles dafür geben, es auch mal zu Olympia zu schaffen.“

Wer den Kämpfer Max Gnigler kennt, traut ihm das auf jeden Fall zu. Schließlich will er der Welt immer noch beweisen, dass er sich auch von Blitz und Donner nicht von seinen Plänen abhalten lässt.

AusgabeRZ03-2024

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