Zwischen Raiffeisen und Football-Feld

Nick Kleinhansl (29) ist bei der RLB Tirol für IT und Digitalisierung zuständig. Und engagiert sich in seinem „Nebenjob“ als Position-Coach beim Football-Club Swarco Raiders Tirol, der ab Ende Mai um den Titel des europäischen Champions spielt. Ein Gespräch über einen außergewöhnlichen Karriereweg.

Raiders Wide Receiver Trevon Sidney im Duell mit Nikolaus Huszar von den Vienna Vikings.
Raiders Wide Receiver Trevon Sidney im Duell mit Nikolaus Huszar von den Vienna Vikings. © GEPA pictures/Armin Rauthner

Nachdem der Amerikaner Jim Herrmann vergangenen Herbst als neuer Head Coach der Swarco Raiders Tirol installiert worden war, kamen auch Sie als Position-Coach für die Runningbacks und die Tight Ends zum Trainerstaff. Wie kam es dazu?
Nick Kleinhansl: Als Jim unser Flaggschiff-Team für die European League of Football (ELF) übernommen hat (Anm.: Die zweite Mannschaft der Raiders spielt in der österreichischen Liga AFL), wurde ich glücklicherweise gefragt, ob ich dabei sein möchte. Was für mich eine tolle Möglichkeit war, da der Staff aus vielen Amerikanern mit College- oder sogar NFL-Erfahrung besteht (Anm.: Die NFL ist die höchste amerikanische Profiliga im Football). Ulz Däuber, der General Manager der Raiders, kannte mich und meine Geschichte, da ich ja zehn Jahre als Chef-Trainer und Position-Coach im Nationalteam tätig war. Er hat dann den Kontakt hergestellt.

Sie waren vorher bei den Telfs Patriots tätig, ein Klub, der in der AFL spielt.
Kleinhansl: Als ich dort anfing, waren wir der schlechteste Verein in ganz Österreich. Wir haben in der letzten Liga gespielt und selbst dort kein Spiel gewonnen. Mit 22 Jahren habe ich das Herren-Team übernommen, damals galt ich als der jüngste Head Coach Europas. Wir sind dann bis in die AFL aufgestiegen. 

Sie haben in Telfs ungewöhnlich früh angefangen, sich mit dem Coachen zu beschäftigen.
Kleinhansl: Ich habe mit 14 Jahren mit American Football begonnen, es gab in Telfs aber keinen Nachwuchs, den haben wir erst sukzessive angefangen aufzubauen. Also musste ich da schon mit Erwachsenen trainieren. Mit 19 Jahren habe ich selbst die U17 des Vereins trainiert, das war schon alles crazy. 

Sind Sie unvermittelt in diese Aufgabe hineingerutscht oder hatten Sie immer schon das Trainer-Gen?
Kleinhansl: De facto hatten wir in Telfs keine Trainer, ich bin also selbst nie gecoacht worden, musste mir immer alles von null auf aneignen. Ich hatte auch nie einen Mentor. Das Gen war aber schon von Anfang an da, deshalb habe ich mich so in diese Aufgabe hineingetigert. Bücher, Internet, Videotapes, zu Camps gehen, mit anderen Coaches reden – ich habe mir alles selbst beigebracht. Deswegen bin ich auch so froh über die aktuelle Situation bei den Raiders. Ich bin umringt von erfahrenen Coaches, von denen ich viel lernen und mir etwas abschauen kann.

Sie sind nun ein sogenannter Position-Coach für die Runningbacks und die Tights Ends. Wie kann man diese Positionen einem Football-Laien erklären?
Kleinhansl: Grob vereinfacht gesagt sind die Runningbacks die zentralen Ballträger bei einem Spielzug, die auch die Aufgabe haben, den Quarterback (Anm.: eine Art Spielmacher) zu schützen. Tight Ends sind in der Offensive die Allrounder schlechthin, die die gesamte Palette aus Passen und Laufen abdecken. Eine total spannende Position, neben dem Quarterback die umfassendste beim Football.

Nick Kleinhansl ist neben seinem Job bei der RLB Tirol auch als Trainer für die Swarco Raiders Tirol tätig.
Nick Kleinhansl ist neben seinem Job bei der RLB Tirol auch als Trainer für die Swarco Raiders Tirol tätig. © Angelo Sarabia

Ist Ihr langfristiges Ziel, eines Tages selbst wieder als Head Coach zu arbeiten?
Kleinhansl: Eine der wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben war, dass ich nicht full-time als Coach arbeiten möchte. Mir taugt mein Brotjob bei Raiffeisen sehr, ich interessiere mich für viele Themen. Klar ist es attraktiv, sein Hobby zum Beruf zu machen, aber es wird zu einem gewissen Grad dann eben auch zum Beruf. Ich bin gewillt, viel Zeit in dieses Hobby zu stecken und weiß, dass es eher wie ein Teilzeit-Job ist. Für mich ist es so die perfekte Kombi.

Die Saison in der ELF beginnt am 25. Mai mit einem Spiel bei den Milano Seamen. Vergangenes Jahr wurde das Play-off der sechs besten Mannschaften um Haaresbreite verpasst. Mit welchen Ambitionen geht ihr in die Spielzeit?
Kleinhansl: Wenn du als Sportler nicht das Ziel hast, die Trophäe, um die es geht, am Ende in der Hand zu halten – dann wüsste ich nicht, warum wir uns das antun. Ich bin sehr froh, dass Jim da genauso tickt. Wir leben im Moment, gehen die Aufgabe von Spiel zu Spiel an, haben aber alle im Hinterkopf, am Ende zu gewinnen. Das ist aber kein Größenwahn, wir verlieren vor lauter Träumen nicht aus den Augen, was wir zu tun haben. Der volle Fokus liegt derzeit auf Milano.

Es gibt in der EFL drei Conferences, so etwas wie nach regionalen Gesichtspunkten eingeteilte Unterligen. Um ins Play-off zu kommen, muss man seine Conference gewinnen oder zu den drei besten übrigen Teams gehören.
Kleinhansl: Für uns gibt es zwei große Konkurrenten: Stuttgart Surge und die Vienna Vikings. Die Wiener haben vorletztes Jahr den Titel gewonnen, wir konnten sie in der ELF noch nie besiegen. Das werden sicher super toughe Games. (Anm.: Am 1. Juni kommt es in der Generali Arena zum ersten direkten Duell.)

Sind im Kader der Raiders Blue Chips dabei, denen Sie den Sprung nach Amerika zutrauen würden?
Kleinhansl: Das würde ich schon sagen, wobei der Traum von Amerika mittlerweile viel früher ansetzt als vor ein paar Jahren. Gute Nachwuchsspieler gehen oft an eine High School oder an ein College. Über die ELF geht es auch, aber das ist fast schon zu spät. Was man in der ELF oft sieht, sind Spieler, die an einem College waren, für die es aber nicht für die NFL gereicht hat. Die kommen jetzt nach Europa zurück.

In eurem Kader fällt der Name Platzgummer auf, Adrian ist der große Bruder von Sandro, der es über die Raiders bis in den Kader der New York Giants geschafft hat und mittlerweile in Frankfurt spielt.
Kleinhansl: Adrian ist der ultimative Leader bei uns im Team, eine tolle Persönlichkeit, die seit Ewigkeiten ein Raider ist. Ich selbst habe als Aktiver irrsinnig oft gegen ihn gespielt. Super, ihn an Bord zu haben.

Sie haben Ihren Job bei der Raiffeisen Landesbank Tirol angesprochen. Was genau ist dort Ihre Aufgabe?
Kleinhansl: Ich leite die gesamte IT und den Bereich Digitalisierung, bin jetzt seit fast drei Jahren dabei. Eine sehr fordernde, aber tolle Aufgabe. Derzeit sitzen wir in unserem Ersatzquartier in Rum, da unser neues Headquarter in der Innsbrucker Innenstadt gebaut wird.

Bei zwei Jobs und der Rolle als Familienvater von drei Jungs bleibt aber nicht viel Zeit für andere Hobbys, oder?
Kleinhansl: Das ist so, war mir aber von Anfang an bewusst. Mir gibt Football irrsinnig viel, die Beziehungen zu den Spielern sind mir total wichtig. Wenn man so einen Posten annimmt, muss einem klar sein, dass die Freizeit dafür draufgeht. Was mich beim Sport und bei Raiffeisen gleichermaßen begeistert, ist der familiäre, wertschätzende Umgang miteinander. Ich bin weder im Job noch auf dem Platz jemand, der den Diktator raushängen lassen würde. Mein Interesse liegt darin, mit Menschen auf Augenhöhe zu arbeiten. Das kann ich da wie dort ausleben.