Wenn es im Sommer brütend heiß wird, ist man als Autofahrer oft dankbar für einen schattigen Platz zum Parken. Wenn es dann einen überdachten Parkplatz gibt und auf diesem auch noch umweltfreundlich Strom erzeugt wird, kann man wohl von einer Win-win-Situation sprechen. Das ist am Standort des Raiffeisen-Lagerhauses im niederösterreichischen Bruck an der Leitha nun möglich: Besucher können ihr Auto unter eine Photovoltaik-Carport-Anlage stellen.
Die Anlage ist Teil der neuen Energiekooperative eGen. Die niederösterreichischen Lagerhaus-Genossenschaften haben sich im vergangenen Jahr als Energiegemeinschaft zusammengeschlossen, um ihre selbst erzeugte Energie gemeinschaftlich zu nutzen. „Die Genossenschaft soll die Nutzung erneuerbarer Energien fördern und damit die regionale Energieversorgung stärken“, erläutert Klemens Neubauer, Obmann der Energiekooperative eGen und Abteilungsleiter der RWA Solar Solutions.
Kapazitäten bündeln
Den Strom für die Energiegemeinschaft erzeugen die Photovoltaik-Anlagen der 13 Lagerhaus-Genossenschaften in Niederösterreich. Möglich macht diesen Schritt das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG): Seit 2021 ist es in Österreich erlaubt, Energiegemeinschaften zu gründen. Dadurch können Gemeinden, Bürger, aber auch kleinere und mittlere Unternehmen gemeinsam erneuerbare Energie erzeugen, nutzen und teilen.
„Der Wunsch, eine Energiegemeinschaft zu bilden, kam von den Lagerhäusern“, sagt Neubauer. Denn nicht immer wird die selbst erzeugte Energie optimal eingesetzt. Die Photovoltaikanlagen machen bei viel Sonnenschein das, was sie tun sollen: Sie erzeugen Strom. Das Problem: Oftmals ist das zu viel Strom, der eigentliche Verbrauch am Standort ist niedriger. Die Überschüsse werden ins Netz eingespeist, zu dann deutlich niedrigeren Preisen. „Es ist oft so, dass ich an einem Standort etwas brauche, am anderen nicht. Um diese Kapazitäten zu bündeln und zu tauschen, gibt es die Energiegemeinschaft“, erklärt Neubauer. So sind die Lagerhäuser weniger auf externe Energie angewiesen und unabhängiger von schwankenden Marktpreisen.
Starke Leistung
Und Strom wird bei der Energiekooperative mithilfe von Solarzellen auf den Flachdächern der Lagerhäuser jede Menge produziert. „Die PV-Leistung aller Lagerhaus-Standorte in Niederösterreich und der RWA-Zentrale in Korneuburg umfasst in etwa 6,5 Megawatt-Peak“, weiß Neubauer. Allein in Bruck an der Leitha umfasst die Anlagenleistung mit den neuen PV-Parkplätzen und den Solarzellen auf den Flachdächern fast 385 Kilowatt-Peak (kWp).
Auch das Lagerhaus Mostviertel Mitte setzt auf Sonnenstrom und hat unter anderem an den Standorten Bergland, Purgstall und Roggendorf Solarzellen auf den Dächern, am Standort des Lagerhauses Korneuburg sorgt eine 300-kWp-PV-Anlage auf dem großen Flachdach für Solarstrom. Als Anlagenleistung wird die maximale Strommenge bezeichnet, die eine Anlage erzeugen kann. Zum Vergleich: Die Photovoltaik-Anlage eines Einfamilienhauses hat eine Leistung zwischen vier und zehn kWp. Mit einem kWp lassen sich etwa 1.000 Kilowattstunden (kWh) Solarstrom im Jahr erzeugen.
Vor der Gründung der neuen Energiegemeinschaft wurden die unterschiedlichsten Möglichkeiten geprüft. „Wir haben alle Szenarien simuliert, durchgerechnet und evaluiert“, erläutert Neubauer den Entstehungsprozess. „Es gab auch die Überlegung, dass einzelne Lagerhausgenossenschaften für sich selbst eine Energiegemeinschaft auf Vereinsbasis gründen. Schlussendlich gibt es aber den größten Nutzen für alle, wenn wir die niederösterreichischen Lagerhäuser in der Energiegemeinschaft als Genossenschaft zusammenfassen.“
Durch die Energiekooperative kann der selbst genutzte Strom aus den Photovoltaik-Anlagen in den Lagerhäusern besser verteilt werden. So steigt der Eigenverbrauch des erzeugten Solarstroms von 50 Prozent auf 70 Prozent. Dadurch decken die PV-Anlagen jetzt 15 Prozent des gesamten Strombedarfs – vorher waren es 10 Prozent.
Komplizierter Prozess
Und wie funktioniert die Abrechnung bei einer Energiegemeinschaft? Der Strom der Photovoltaik-Anlage wird weiterhin ins Netz eingespeist – er wird aber nun nicht mehr vollständig über das Energieunternehmen abgerechnet, sondern kann von den anderen Mitgliedern der Genossenschaft verwendet werden.
„Die größte Herausforderung liegt momentan darin, dass der operative Betrieb reibungslos läuft“, so Neubauer. Damit der selbst erzeugte Strom geteilt werden kann, müssen die einzelnen Strommengen detailliert erfasst werden, um sie abrechnen zu können. Dass der Überschuss einer PV-Anlage vom Netzbetreiber identifiziert und der Gemeinschaft zugeordnet wird, sei bisweilen noch ein komplizierter Prozess. Der Fehler liege dann oft im Detail. „Es ist mitunter mühsam“, sagt Neubauer.
Zukunftspotenziale
Kann die Energiekooperative in Niederösterreich auch als Blaupause für andere Bundesländer gelten? „Man muss sich anschauen, wie die einzelnen Lagerhausgenossenschaften organisiert sind, denn jedes Bundesland ist anders aufgestellt“, gibt Neubauer zu denken. „Grundsätzlich sollte sich jeder mit dem Thema Energiegemeinschaft beschäftigen und kann sich gerne an uns wenden. Man muss durchrechnen, ob es sich lohnt“, betont Neubauer.
Noch ist die Energiekooperative der Lagerhäuser eine geschlossene Genossenschaft, Mitglieder sind die 13 niederösterreichischen Lagerhäuser und die RWA. „Wir wollen nach einem Jahr Bilanz ziehen und dann entscheiden, ob wir die Genossenschaft weiter öffnen“, sagt Neubauer. Ein Zukunftsthema seien auch Investitionen in Speicherkapazitäten für den erzeugten Solarstrom. „Die Energiegenossenschaft selbst ist zwar nicht dafür da, Investitionen zu tätigen“, so Neubauer. Aber vielleicht mache diese kostenintensive Anschaffung künftig Sinn.