OeNB und ÖRV diskutieren KIM-VO

Während die OeNB die KIM-Verordnung weiterhin als notwendig ansieht, setzt sich der ÖRV nach wie vor für eine Abschaffung ein.

Bei der Veranstaltungsreihe „Am Puls der Regulierung“ standen der Generalsekretär des Österreichischen Raiff­eisenverbandes, Johannes Rehulka, und Markus Schwaiger, Direktor der Hauptabteilung Finanzmarktstabilität und Bankenprüfung in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Rede und Antwort zur viel kritisierten KIM-Verordnung (KIM-VO). Mit großem Interesse und vielen Fragen waren mehr als 400 Teilnehmende aus dem Raiffeisensektor online mit dabei. 

Rehulka wies darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen seit Einführung der KIM-Verordnung mit deutlich höheren Zinsen und einem Einbruch bei der Kreditvergabe fundamental verändert haben. Anders als etwa in Deutschland oder der Schweiz, wo höhere Kapitalpufferanforderungen für Banken eingeführt, aber keine verbindlichen Kreditvergabestandards zur KIM-Verordnung umgesetzt wurden, seien in Österreich rechtlich verbindliche Vorgaben vorgesehen, weil sich offenbar einige wenige „schwarze Schafe“ nicht an die entsprechenden Empfehlungen gehalten haben. 

Die KIM-Verordnung führe vor allem in grenznahen Gebieten im Westen Österreichs zu Wettbewerbsnachteilen für österreichische Banken. Zahlreiche Geschäftsleiter sehen die Verordnung als Bevormundung, zumal sie ohnedies bei jeder Kreditvergabe die Rückführbarkeit streng zu prüfen haben, so Rehulka, der betonte, sich auch weiterhin dafür einzusetzen, dass die KIM-VO nur so lange gelte, so lange die Aufsicht tatsächlich ein Systemrisiko für Österreich sieht.  

Leistbarkeitsproblem größer als zuvor

„Das aktuelle Marktumfeld von gestiegenen Zinsen und nervöser Finanzmärkte, die unter anderem von Regulierungslücken in den USA begünstigt wurden, bestätigt die Notwendigkeit der KIM-Verordnung als stabilisierendes Element“, hielt Schwaiger dem entgegen. Österreich habe nach wie vor ein Leistbarkeitsproblem von Wohnungseigentum, das durch den Zinsanstieg sogar eine weitere Akzentuierung erfahren habe. Daher seien kreditnehmerbezogene Maßnahmen (KIM) „heute notwendiger denn je“. Es sei daher davon auszugehen, dass die Verordnung wie geplant bis 30. Juni 2025 gelte. 

Das Zinsumfeld habe sich zwar seit Inkrafttreten der Maßnahmen verändert und die OeNB sieht auch keine Kredit-Preis-Spirale mehr. Das Leistbarkeitsproblem sei aber aufgrund der höheren Zinsen und der gestiegenen Inflation jetzt sogar noch größer als zuvor, verteidigt der Experte die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der verbindlichen Kreditvergabestandards trotz eines Rückganges der Kreditanträge von bis zu 60 Prozent in bestimmten Regionen: „Die Risikotragfähigkeit der österreichischen Haushalte hat sich aufgrund der steigenden Zinsen verschärft.“

Nachteile durch Nicht-Agieren

Die KIM-Verordnung habe das Ziel, „einschränkend zu wirken, um zu verhindern, dass sich Systemrisiken bilden“, erläuterte Schwaiger. Das Thema Wohnimmobilien habe wesent­liche, darüber hinausgehende Aspekte und wirke in den sozialen Bereich hinein, habe eine gesellschaftspolitische Dimension, oder auch der Vorsorgegedanke spiele eine Rolle. „Leistbarer Wohnraum soll finanzierbar bleiben“, unterstrich der OeNB-Direktor, „dafür ist ein stabiler Bankensektor mit niedrigen Refinanzierungskosten Grundvoraussetzung“. Ein Nicht-Agieren in diesem Bereich hätte zu Nachteilen für Banken und Kreditnehmer geführt. 

Gerade in Österreich hätten Immobilien eine hohe Relevanz für die Volkswirtschaft und den Bankensektor – Wohnimmobilien und wohnimmobilienbezogene Gewerbeimmobilien machen etwa 20 Prozent der ku­mmulierten Bilanzsumme aus. Da es seit dem Zweiten Weltkrieg hierzulande noch nie dramatische Einbrüche am Immobilienmarkt gegeben habe, werde diese Assetklasse als besonders sicher eingestuft – Stichwort Betongold, analysierte Schwaiger. Während Preise in einer expandierende Phase des Immobilienzyklus im Durchschnitt um bis zu 8 Prozent steigen, drohe im Abschwung ein Einbruch der Preise um bis zu 50 Prozent. 

Dies sei in Österreich umso relevanter, zumal hierzulande die Immobilienpreise schneller gestiegen seien als die Einkommen, wodurch die Leistbarkeit gesunken sei. Zudem seien 70 Prozent der Immobilienkredite variabel verzinst, was die Risikosituation in Österreich noch zusätzlich verschärfe. „Die KIM-Verordnung ist aber kein Instrument, um das Thema variabel verzinste Kredite zu adressieren“, argumentierte Rehulka dagegen. Denn die KIM-VO gelte für alle Kredite und Kunden würden sogar proaktiv variabel verzinste Kredite einfordern.

Die Novelle zur KIM-Verordnung, die am 1. April 2023 in Kraft getreten ist, komme Banken und Politik in wesentlichen Aspekten entgegen, so Schwaiger. Zudem stünden in Österreich im internationalen Vergleich großzügige Ausnahmekontingente zur Verfügung. 24 von 30 Ländern im EWR haben laut OeNB kreditnehmerbezogene Maßnahmen im Wohn­immobilienbereich gesetzt, das sei „europaweiter Standard“. 

Novelle der KIM-VO (seit 1. April 2023)

  • Ausnahme der Zwischenfinanzierungen bei Änderungen des Wohnsitzes
  • Ausnahme der Vorfinanzierungen von nicht-rückzahlbaren Zuschüssen von Gebietskörperschaften
  • Ausnahme eines Mindest-Ausnahmekontingents in Höhe von 1 Mio. Euro für jedes Kredtinstitut
  • Geringfügigkeitsgrenze bei Paaren von 50.000 Euro pro Person
  • Ausnahme von Vorfinanzierungen von Bausparkrediten für die Ermittlung der maximalen Schuldendienstquote 
  • Wahlfreiheit der Banken zur Berechnungsbasis des Ausnahmekontingents: laufendes Halbjahr oder Vorhalbjahr
  • Ausnahmen von Finanzierungen von Mieten, Mietkautionen, Genossenschaftsbeiträgen
  • Weitere Anpassungen bei Vorlasten und Landeskrediten
AusgabeRZ15-2023

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