Stabil durch volatile Zeiten

Mit fast 50 Molkereifunktionären nahm der Raiffeisenverband Oberösterreich die vielfältigen Entwicklungen des Milchmarktes und der Landwirtschaft unter die Lupe.

Stefan Lindner (Obmann Berglandmilch), Johannes Trinkfass (Obmann Gmundner Molkerei), Leopold Kirner, Norman Eichinger, Michaela Langer-Weninger, Christian Stockinger (Obmannstellvertreter Vöcklakäserei), Walter Lederhilger und Johann Költringer (VÖM)
Stefan Lindner (Obmann Berglandmilch), Johannes Trinkfass (Obmann Gmundner Molkerei), Leopold Kirner, Norman Eichinger, Michaela Langer-Weninger, Christian Stockinger (Obmannstellvertreter Vöcklakäserei), Walter Lederhilger und Johann Költringer (VÖM) © RV OÖ

In Oberösterreich hat die Milchwirtschaft eine gewichtige Rolle. Der Raiffeisenverband Oberösterreich (RV OÖ) unterstützt insgesamt neun Molkereigenossenschaften und über 11.000 Milchbauern mit seinen mannigfaltigen Dienstleistungen. Bei der diesjährigen Funktionärstagung in St. Magdalena wurden die aktuellen Herausforderungen für die Branche näher beleuchtet. Allein in Oberösterreich gibt es um die 6.000 Milchbetriebe, strich Genossenschaftsanwalt Walter Lederhilger hervor. „Die Anlieferung war in den letzten Jahren konstant, während sich die Preise in Summe sehr volatil entwickelten“, beschrieb Lederhilger die Marktentwicklung. Nach dem Run auf Molkereiprodukte und Nahversorger in Pandemiezeiten habe sich das Blatt nun mit der Inflation gewendet. So hätten zuletzt etwa Diskonter, aber auch Eigenmarken der Handelsketten Marktanteile dazugewonnen. Dennoch schaffen es die Molkereigenossenschaften weiterhin, sich mit Innovation, österreichischer Qualität und Herkunft am Markt zu behaupten. 

Verbandsdirektor Norman Eichinger sprach das Zukunftsthema Sustainable Finance und dessen Folgen für Molkereien und Landwirte an. Die EU-Vorgabe, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, bedürfe einer enormen Finanzierungskraft. Um die grüne Transformation voranzutreiben, soll das Lenken der Kapitalflüsse vor allem über die Kreditwirtschaft in nachhaltige Betriebe einen wesentlichen Beitrag leisten. Die damit verbundenen regulatorischen Anforderungen für die Bankbranche werden bei Kreditfinanzierungen und den dabei angeforderten Daten für Kreditnehmer spürbar werden. 

Das Kernstück der EU-Regulierung ist die sogenannte EU-Taxonomie-Verordnung. Sie definiert für alle Wirtschaftsbereiche Kriterien, anhand derer gemessen wird, ab wann Unternehmen einer Branche als „grün“ und damit nachhaltig gelten. Die Vorgaben für die Landwirtschaft seien zwar noch nicht definiert, aus den bisherigen Entwürfen sei aber ersichtlich, dass die EU-Taxonomie „in aller Regel strenger ist als die geltenden Gesetze“. Ergänzend informierte Eichinger über die Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten gemäß CSRD, von denen Genossenschaften abseits des Bankbereichs aller Voraussicht nach ausgenommen sein werden. Dennoch werden Nachhaltigkeitsdaten künftig nicht nur bei Kreditvergaben, sondern gegebenenfalls auch von Geschäftspartnern in der Lieferkette für deren Berichterstattungspflichten angefordert. 

Positive Entwicklung

Einen Überblick über die wirtschaftlichen Kennzahlen der österreichischen Milchwirtschaft gab Verbandsrevisor Gerhard Steinkress. Österreichweit gab es Ende 2022 insgesamt 23.178 Milchlieferanten, ein Rückgang um 2,9 Prozent im Jahresabstand. Der Milchkuhbestand legte dagegen um 4,6 Prozent auf etwas über 550.000 Tiere zu. Insgesamt 3,94 Millionen Tonnen Milch wurden 2022 produziert, ein Plus von 2,9 Prozent im Jahresvergleich. Davon wurden 3,5 Mio. Tonnen (+2,86 Prozent) angeliefert. Die österreichischen Molkereien verzeichneten 2022 eine Steigerung der Betriebsleistung von 2,7 auf 3,4 Mrd. Euro und konnten gleichzeitig den Milchauszahlungspreis (Durchschnitt über alle Qualitäten) um 26,5 Prozent auf 50,2 Cent steigern – bei einem insgesamt ausgeglichenen Ergebnis. Die vom Raiffeisenverband Oberösterreich erstellte Hochrechnung 2023 der österreichischen Milchwirtschaft lässt einen weiteren Anstieg der Betriebsleistung um 4,5 Prozent und des Milchauszahlungspreises um rund 3 Prozent bei einer leicht positiven Ertragslage erwarten. 

Dass es viel Arbeit bei den Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft gibt, strich Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger hervor. Aktuell werden die Budgets verhandelt. Dabei seien die Teuerung und Inflation die bestimmenden Themen. Im Land Oberösterreich wurden 92,2 Mio. Euro für die Bauern aufgestellt, wovon ein großer Teil in die Ko-Finanzierung von Umweltmaßnahmen fließt. Aber auch für die immer wichtiger werdende Absicherung durch die Hagelversicherung werde ein großer Brocken von 15 Mio. Euro budgetiert, so Langer-
Weninger. Beim Klima- und Tierschutz sei Österreich insgesamt gut unterwegs und bei den meisten Produkten auf Platz 1 oder 2 in Europa. „Das Thema Klima wird nicht weggehen, egal wie sich die Mehrheitsverhältnisse in Europa bei der nächsten Wahl ändern. Daher muss dort die Landwirtschaft wieder stärker in den Fokus gerückt werden“, fordert die Landesrätin.

„Knochenarbeit“

Einen Überblick über den Strukturwandel in der Landwirtschaft gab abschließend Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien. Sein Fazit lautet, dass sich die österreichische Landwirtschaft nicht linear ändere, in welche Richtung der Paradigmenwechsel erfolge, zeichne sich allerdings nur skizzenhaft ab. Grundsätzlich gilt aber: „Erfolg in der Milchproduktion ist Knochenarbeit und fällt nicht vom Himmel“, so Kirner. Zudem müssten einige Produktionsformate hinterfragt bzw. neu gedacht werden. Kirner plädiert dafür, zukunftsfähige Produktionsweisen in Österreich zu stärken, etwa die Rindfleisch- und Milchproduktion aus Weidefutter. Zudem bedürfe es mehr Finanzmittel für Bergbauern und Umweltleistungen.