„Photovoltaik steht erst am Anfang einer unglaublichen Entwicklung“

Die heimische Photovoltaik-Branche traf sich Anfang November in Graz. Im Fokus stand der dringende Bedarf am Ausbau leistungsfähiger Stromnetze sowie an mehr Forschung.

Die „Zebra-Module“ in der Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg/Graz liefern den Strombedarf für rund 100 Haushalte.
Die „Zebra-Module“ in der Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg/Graz liefern den Strombedarf für rund 100 Haushalte. © Land Steiermark

„Photovoltaik hat sich in Österreich sehr stark entwickelt, sie ist zu einem Player in der heimischen Strombranche geworden“, beschreibt Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Photovoltaic Austria, die aktuelle Situation auf der Sonnenseite. Die Schattenseite sei dadurch gekennzeichnet, dass vor allem in den westlichen Bundesländern die Botschaft noch nicht ganz angekommen sei. „Da ruht man sich nur zu gerne am Wasser aus, auch die Netzinfrastruktur hinkt dem Bedarf deutlich hinten nach. Man erkennt das Potenzial der Sonne nicht.“

Derzeit beträgt der Anteil an Sonnenstrom in den heimischen Netzen rund 7 Prozent. Um die von der Bundesregierung angepeilte Klimaneutralität zu erreichen, müsste das Ausbauwachstum in zwei Etappen von rund 20 Prozent im Jahr 2030 und 40 Prozent im Jahr 2040 enorm zulegen. „Dazu braucht es aber eine von allen Seiten und Beteiligten getragene PV-Offensive“, fordert Paierl. „Photovoltaik ist ein Wachstums- und Forschungsmotor. Es ist völlig absurd, wenn jetzt von Wohlstandsverlust bei einem intensiven Ausbau der erneuerbaren gegenüber fossiler Energie gesprochen wird.“ 

Paierl, der ehemalige steirische Wirtschaftslandesrat, kritisierte das aus seiner Sicht Blockadeverhalten von Ländern und Gemeinden beim Ausbau der Photovoltaik scharf. Zum einen würden Netzbetreiber „im Geiste eines Monopolisten agieren, die sind in einem System gefangen, aus dem sie nicht rauskommen. Würde die Telekomindustrie so agieren, hätten wir heute immer noch Vierteltelefone.“ 

China als Preisbrecher

„In den vergangenen Jahren hat China eine sehr wichtige Rolle als Preisbrecher übernommen, das hat den Markt stark verändert und sehr bewegt“, sagt Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik. „Die Fokussierung auf ein Land, auf eine derartige Marktmacht ist jedoch nicht mehr gesund. Es braucht viel mehr Diversifizierung und eine Stärkung der europäischen Anbieter. China hat in den vergangenen Jahren die Produktion enorm staatlich gestützt, denn der Energiemarkt war nie unpolitisch“, führt Fechner aus. „Wenn Europa jetzt nachzieht, ist das mehr als berechtigt. Die Energiebranche im Allgemeinen und die Photovoltaik im Speziellen stehen erst am Anfang einer unglaublichen Entwicklung. Noch dominiert China den Markt.“

Dazu braucht es aber langfristige und verlässliche Anreize für die Wirtschaft. Mit einem Bestbieter-Prinzip soll nicht das billigste, sondern das beste Produkt, auch im Sinne der sozialen und ökologischen Kriterien zum Zug kommen. Das Problem des Arbeitskräftemangels ist aus Fechners Sicht nicht sehr ausgeprägt: „Das Interesse und die Motivation der jungen Leute ist da, vor allem dann, wenn das Umfeld passt.“ 

Regionales Erfolgsmodell

Am Tag vor der Konferenz wurde die PV-Anlage in der steirischen Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg am Stadtrand von Graz zu besichtigt. Auf einer Fläche von 2.775 m2 wurden dort im Vorjahr 1.134 PV-„Zebra-Module“ errichtet – oben „wächst“ der Strom, unten die Äpfel. Die jährliche Stromernte entspricht rund dem Bedarf von 100 Haushalten. 

Besonders gut funktioniert der physikalische Schutz vor Starkregen durch die PV-Module gegenüber der pilzbedingten Blattfleckenkrankheit „Marssonina“. Dazu steht im Forschungsbericht der „Haidegger Perspektiven“: „Grundsätzlich keine Marssonina-Symptome waren nur bei den Bäumen unter der AGRI-PV zu erkennen. Der rein mechanische Schutz vor Nässe wirkt sich also sehr positiv auf die Blattgesundheit der Apfelbäume aus.“ 

Das Klima, die Tonalität bei Freiflächenanlagen, habe sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren deutlich gemäßigt. „Das hat sich durchwegs positiv entwickelt, weil es gelungen ist, den Mehrwert und Doppelnutzen der Flächen darzustellen“, betont Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaic Austria. „Zudem sind viele Freiflächen-Projekte wirtschaftlich nur dann umsetzbar, wenn diese als Agrar-PV-Anlagen umgesetzt werden, da diese, im Gegensatz zur Standard-Freiflächenanlage, keinen Abschlag in der Förderhöhe erhalten.“