„Die Revision ist unsere unverzichtbare DNA“

Die Bundesrevisor:innenkonferenz 2025 zeigt, die Unsicherheiten und Risiken in der Wirtschaft haben stark zugenommen. Um die Resilienz des Raiffeisensektors weiter zu stärken, soll der Fokus auf neue Risiken geschärft werden.

Vernetzung, fachliche Fortbildung und die Weiterentwicklung des Raiffeisensektors standen heuer im Fokus der „Bundesrevisor:innenkonferenz 2025“, die in der Raiffeisen-Landesbank Steiermark in Raaba stattfand. Alle zwei Jahre treffen sich Revisoren aus allen Bundesländern, um aktuelle Herausforderungen für den Raiffeisensektor zu diskutieren. Über 250 Teilnehmer widmeten sich an zwei Tagen zahlreichen heißen Themen, die auch im Prüfbetrieb eine immer wichtigere Rolle spielen. Dazu zählen der zunehmende Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in Geschäftsmodellen von Unternehmen, die herausfordernde Wirtschafts- und Budgetlage in Österreich, aber auch Themen in der Abschlussprüfung, klar und adäquat zu kommunizieren, um Inhalte noch zielgerichteter zu vermitteln.

„Die Revision ist eine unverzichtbare DNA von Genossenschaften, die weiterentwickelt werden muss“, betonte Erwin Hameseder, Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV), in seiner Eröffnungsrede. Das „sehr herausfordernde Umfeld“ in der Wirtschaft, aber vor allem in der Geopolitik bedeute auch für die Revision die Notwendigkeit, den Fokus verstärkt auf neue operative Risiken zu richten. Insgesamt gehe es darum, „die Resilienz und Krisenfestigkeit des gesamten Raiffeisensektors“ auszubauen. Die Ereignisse der vergangenen Jahre würden durchaus Anlass geben, um die Systeme zu optimieren, so Hameseder unter Verweis auf steigende Quoten von notleidenden Krediten („Non Performing Loans“, NPL). Der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zufolge würden derzeit 40 von 48 kleinen und mittelgroßen Kreditinstituten („Less-significant institutions“, LSI) eine NPL-Quote von durchschnittlich 5 Prozent aufweisen. Das sei eine Entwicklung, die es lange Zeit nicht gegeben habe – „eine NPL-Quote von 2 Prozent war schon eine Besonderheit“ – und die sich nun in einem relativ kurzen Zeitraum entwickelt habe.

Erwin Hameseder bei der Bundesrevisor:innenkonferenz 2025
Erwin Hameseder © RV Steiermark

„Absolut ungesundes Wachstum“

In diesem Zusammenhang fand Generalanwalt Erwin Hameseder auch mahnende Worte für die eigenen Reihen: Es wurden Immobilienprojekte außerhalb des Genossenschaftsgebiets finanziert und zum Teil auch in Größenordnungen, die nicht mehr im Verhältnis zur eigenen Größe standen. „Das war und ist ein absolut ungesundes Wachstum“, monierte Hameseder und appellierte an die Revisoren, „bei Fehlentwicklungen von Genossenschaften auch klare Worte“ zu finden, die im Vorstand, im Aufsichtsrat und bei den Geschäftsleitern verstanden werden. Einen Handlungsbedarf sieht der Generalanwalt aber nicht nur bei der Revision, sondern auch bei Funktionären. Diese müssen wissen, wie sie eine Schieflage erkennen können und welche Schritte zu setzen seien. „Eine konsequente Prävention ist sehr, sehr wichtig, um uns schmerzhafte Schritte und Verluste zu ersparen. Die brauchen wir nicht“, hielt der Generalanwalt fest.

ÖRV-Generalrevisor Michael Laminger unterstrich die Bedeutung der Kommunikation im Prüfbetrieb, die man in den nächsten Monaten in den Vordergrund rücken möchte. „Wichtig ist, dass wir unsere Prüfungsergebnisse so kommunizieren, dass sie verstanden und rasch umgesetzt werden“, so Laminger. Für Peter Weissl, Verbandsdirektor des Raiffeisenverbandes Steiermark, sei die Veranstaltung ein sichtbares Zeichen für die seit Jahrzehnten gelebte intensive Kooperation und den sehr vertrauensvollen Austausch zwischen den Revisionsverbänden in Österreich. Die Themen seien oft sehr ähnlich, daher sei es besonders wertvoll, sich zu vernetzen, Sichtweisen zu erörtern und letztendlich auch gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

KI bietet neue Möglichkeiten

An welchen Lösungen mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) die Raiffeisenbankgruppe Steiermark arbeitet, zeigten RLB-Vorständin Ariane Pfleger und Florian Brugger, Abteilungsleiter Data Science bei der RLB Steiermark. „Es lohnt sich, bei diesem Thema auch individuell zu arbeiten. Vor allem mittel- und langfristig hat die neue Technologie sehr, sehr viel Potenzial. Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Pfleger. Für Brugger ist die Erwartungshaltung bezüglich KI, die ein Vorhersagemodell ist, zu hoch. Hohe Produktivitätssteigerungen würden sich kurzfristig (noch) nicht abzeichnen. In den vergangenen Jahren habe es aber immense Fortschritte beim Thema KI gegeben, gleichzeitig wurde noch nie so viel in derartige Technologien investiert. 

RLB-Vorständin Ariane Pfleger bei der Bundesrevisor:innenkonferenz 2025
Ariane Pfleger © RV Steiermark

Es gebe keine einheitliche Definition, was KI genau sei, so Brugger weiter. Es handle sich nicht um eine Technologie, sondern um ein Set an Technologien wie maschinelles Lernen, Deep Learning oder Große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs). Es gebe praktisch keinen Großbereich einer Bank, an dem KI vorbeigegangen sei. So arbeite man an Modellen, mit denen man voraussagen möchte, welche Kunden mittelfristig wahrscheinlich ihr Vermögen überdurchschnittlich steigern dürften und daher besonders interessant für eine Bank wären, berichtet Brugger. Andere Modelle beschäftigen sich mit der Kundenbeziehung und versuchen zu prognostizieren, welche Kunden eine Bank in den nächsten drei Monaten verlassen könnten. Die KI-Anwendungen seien mittlerweile schon relativ weit vorangeschritten. Den Teilnehmern rät der Experte, nicht auf technologische Veränderungen zu warten, sondern die neuen Möglichkeiten frühzeitig zu nutzen.

Kritische Grundhaltung bewahren

Welche Rolle die KI im Prüfbetrieb spielen kann, beleuchtete Laurenz Schwelle, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Multicont. Auch wenn KI im Berufsalltag noch keine allzu große Rolle spielt, dürfte sich das künftig ändern, ist Schwelle überzeugt. Im Rahmen der IT-Prüfung müsse man auch mögliche Risiken eines KI-Einsatzes im Auge behalten und dafür Lösungen erarbeiten. Das Prüfen von Unterlagen sei immanenter Bestandteil des Prüfbetriebes, hier sollte das Bewusstsein für Deep Fakes geschärft werden. „Die Berührungspunkte mit KI in der Abschlussprüfung sind unvermeidbar und bringen auch neue Risiken mit sich“, so Schwelle. Daher sei eine kritische Grundhaltung im Prüfprozess wichtiger denn je. 

Auch wenn die KI in der Abschlussprüfung noch nicht breitflächig angekommen sei, bereite der Umstieg der Revision auf die neue Software „Smart Revision“ den Boden dafür vor, erklärte Markus Weinmayr von der IT-Leitung im ÖRV. Die neue Software sei seit einigen Monaten im Echtbetrieb. „Wir haben derzeit zehn Server in allen Bundesländern in Betrieb, 550 registrierte Nutzer, die bereits 70.000 Dokumente abgelegt haben. Insgesamt sind aktuell 400 Prüfaufträge im Laufen“, berichtete der Experte. Das Projekt sei eines der komplexesten im ganzen Raiffeisensektor, die Umsetzung habe an die sechs Jahre gedauert. Nun gehe es darum, Feedback zu bekommen, um die Software weiter zu optimieren.

Viel Verantwortung

ÖRV-Generalsekretär Johannes Rehulka erinnerte daran, dass der wirtschaftliche Erfolg bei Genossenschaften trotz allem immer im Mittelpunkt stehe: „Ohne eine wirtschaftlich erfolgreiche Tätigkeit könnten wir diese Organisationsstruktur nicht aufrechterhalten. Gerade dafür leisten Revisoren einen ganz wesentlichen Beitrag.“ Der Raiffeisensektor in Österreich sei mit einem Anteil von 35 Prozent Marktführer. „Diese Zahl bringt auch sehr viel Verantwortung mit sich. Die Menschen und Kunden vertrauen auf die Sicherheit unserer Marke.“ Beim Ausbau der Früherkennungssysteme würden vor allem die Erfahrungsberichte der Revisoren miteinfließen. „Wir müssen Wege finden, wie wir die Zusammenarbeit zwischen den operativen Einheiten, den Revisoren, aber auch institutsbezogenen Sicherungssystemen weiter verbessern können“, sagte Rehulka abschließend. 

Große Unsicherheiten

In welchem wirtschaftlichen Umfeld Genossenschaften und Banken derzeit agieren, analysierte Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates. Das konjunkturelle und fiskalische Gesamtbild charakterisiert der Ökonom folgendermaßen: „Die gesamtwirtschaftliche Situation ist durch ein hohes Maß an Unsicherheit geprägt. Es ist ein bisschen mehr an Optimismus spürbar als noch vor einem oder zwei Jahren. Über einzelne Lichtblicke können wir uns freuen und hoffen, dass es nicht schlechter wird.“ Der Weg aus der Rezession der vergangenen zwei Jahre sei insgesamt langwierig und schwierig, aber es schaut so aus, als ob wir auf dem Weg unterwegs wären.

Finanzminister Markus Marterbauer stehe beim Abbau des Budgetdefizits vor einer sehr schwierigen Aufgabe und sei nicht beneidenswert. Das Ziel, das Defizit von derzeit über 4 Prozent in mehreren Jahren auf unter 3 Prozent zu drücken, zeige angesichts der Tatsache, dass das Staatsschuldenwachstum also weitergeht, wie absurd die Lage sei. Besondere Sorgen machen dem Ökonomen, dass der Staatsanteil an der Volkswirtschaft hierzulande deutlich über 50 Prozent angestiegen sei. „Man kann unendliche ideologische und gesellschaftspolitische Debatten führen, wie groß der Staatsanteil in einer Volkswirtschaft sein soll. Da gibt es keine objektive Wahrheit. Aber ich kenne niemanden, der sagt, dass das, was wir jetzt haben, gesund ist“, so Badelt. Das sei im europäischen Vergleich „eine Spitzenleistung, aber im negativen Sinn“. Daher sei eine Sanierung nicht nur des Bundeshaushalts, sondern aller öffentlichen Haushalte das Gebot der Stunde. Man sei mit der staatlichen Ausgaben- und Einnahmenquote sicher am Limit. Es sei nicht realistisch, zu glauben, dass man allein mit der Erhöhung von Steuern und Abgaben das Budgetproblem nachhaltig lösen könne. Dazu brauche es vor allem Strukturreformen.

Verhandlungsexpertin Sonja Rauschütz
Verhandlungsexpertin Sonja Rauschütz erklärte, worauf es bei einer erfolgreichen Kommunikation besonders ankommt. © RV Steiermark

Richtig kommunizieren

Den Stellenwert einer professionellen Kommunikation veranschaulichte Sonja Rauschütz, Expertin für Verhandlungsführung. Gerade in anspruchsvollen Situationen könne dies den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. „Alle 90 Sekunden kommt es in Gesprächen zu Unklarheiten“, berichtet die Expertin. Dann versuche man, sich durch Nachfragen („Wie haben Sie das gemeint?“) an die neue Situation anzupassen, um nicht aneinander vorbeizusprechen. Dabei sei die Art, wie wir kommunizieren, zumindest genauso wichtig wie das, was wir kommunizieren. „Und wie wir kommunizieren, ist der größere Anteil, was auf der anderen Seite ankommt – auch wenn das manchmal frustrierend ist“, gibt Rauschütz zu bedenken. Insgesamt kommuniziere ein Mensch auf fünf Ebenen: mit der Wortwahl, dem Tonfall, der Gestik, der Mimik und der Körperhaltung. All diese Informationen nehme man unbewusst auf. 

Wenn man mit jemandem gut ins Gespräch kommen möchte, rät die Expertin, zu beobachten, wie jemand kommuniziert, also ob jemand zum Beispiel gerne Daten, Zahlen und Fakten hat oder lieber emotional kommuniziert, und schlägt vor, zuerst auf einen Kaffee zu gehen, um das Gespräch auf eine emotionale Ebene zu bringen. „Idealerweise wäre es gut, dies in der Kommunikation treffen zu können“, so Rauschütz. Eine exzellente Führungskraft unterscheidet sich von einer guten in der Empathie. Jede Person habe eine individuelle Architektur, die aus sechs Persönlichkeitstypen – Logiker, Empathiker, Rebell, Träumer, Beharrer und Macher – besteht, die das Kommunikationsverhalten prägen. 

Grundsätzlich bestimme der ausgeprägteste Persönlichkeitstyp die Wahrnehmung in der Kommunikation sowie die präferierte Kommunikationsweise eines Menschen. Der Rebelltyp etwa sei wie ein spielerisches Kind in uns. Es gehe immer um die Ich-Emotion, strich Rauschütz hervor. Das Ausdrücken der eigenen Gefühle stehe im Vordergrund, also wenn man etwas als lässig oder lästig empfindet. Dabei verwende der Rebelltyp eine lebendigere Körpersprache, Wortwahl und Tonwahl als andere Persönlichkeitstypen. Es gehe wie bei einem Kind unter anderem um die Einteilung zwischen „mag ich“ und „mag ich nicht“.  Je besser man sich auf den ausgeprägten Persönlichkeitstypen einlassen kann, desto besser wird die Kommunikation mit ihm gelingen, so Rauschütz. 

AusgabeRZ40-2025

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