Genossenschaft = Mitreden und Mitgestalten

Das heurige Funktionärsforum in Salzburg widmete sich dem Thema Mitgliederförderung. Impulse zu den Themen Sicherheitspolitik und Kommunikation standen ebenfalls auf dem Programm.

„Raiffeisen grenzt sich durch seine Werte vom Mitbewerb ab“, betonte ÖRV-Generalsekretär Johannes Rehulka beim Funktionärsforum in Salzburg. Nicht zuletzt aufgrund des bevorstehenden Internationalen Jahres der Genossenschaften 2025, das von der UNO unter dem Motto „Cooperatives Build a Better World“ ausgerufen wurde, stellt auch der Österreichische Raiffeisenverband (ÖRV) das Thema Mitgliedschaft ins Zentrum seiner Aktivitäten.

Gerade im aktuellen Transformationsprozess bei den Raiffeisenbanken, der geprägt sei von Fusionen und Umstrukturierungen, gewinne das Thema Genossenschaft und Mitgliederförderung wieder stärker an Bedeutung. Dieses Alleinstellungsmerkmal – auf Kundenseite und auf dem Arbeitsmarkt – müsse wieder in den Fokus der genossenschaftlichen Gesamtstrategie gerückt und vor allem auch authentisch vorgelebt werden, so Rehulka. 

Johannes Rehulka
Johannes Rehulka © Sabine Klimpt

Wissen erhöhen

Das Internationale Jahr der Genossenschaften 2025 biete daher auch für den ÖRV eine gute Gelegenheit, sich wieder verstärkt dem Thema Mitgliedschaft zu widmen. Anregungen, Praxisbeispiele und ein Leitfaden, um neue Mitglieder zu gewinnen und bestehende zu binden, finden sich etwa in der neuen ÖRV-Broschüre „Wie Mitglieder Raiffeisen-Genossenschaften bewegen“.

Um die Attribute von Raiffeisen – Stabilität, Regionalität, wirtschaftlicher Erfolg, soziale Verantwortung und Glaubwürdigkeit – im Jahr der Genossenschaften deutlich hervorzuheben, ist laut Rehulka eine umfassende Informationskampagne zu den Themen Genossenschaft und Mitgliedschaft geplant. So soll ein bundesweites webbasiertes Training für Raiffeisen-Mitarbeitende zum Thema „Genossenschaft und Mitgliedschaft“ zeigen, was Raiffeisen-Genossenschaften leisten und was es bedeutet, für eine Raiffeisen-Genossenschaft zu arbeiten.

Eine umfangreich angelegte, öffentlichkeitswirksame Informationskampagne für die breite Bevölkerung soll das Wissen über Genossenschaften in der Gesellschaft erhöhen und Raiffeisen stärker mit dem Thema Genossenschaft in Verbindung bringen. Zudem seien verschiedene Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen geplant sowie ein erster Sozialbericht der Raiffeisen Bankengruppe, der die Bedeutung von Raiffeisen für die Regionen darstellen soll. „Raiffeisen steht für Vertrauen und Stabilität. Dem wollen wir gerecht werden und das wollen wir zeigen“, so Johannes Rehulka.

Christian Pomper
Christian Pomper © Sabine Klimpt

Förderauftrag einst und jetzt

Einen Blick zurück zu den Anfängen genossenschaftlicher Bewegungen und das Thema Mitgliederförderung machte Christian Pomper, Genossenschaftsrevisor beim Revisionsverband NÖ-Wien. Am Beispiel der Rochdale-Pioniere zeigte er auf, wie 1844 zur Zeit der Industriellen Revolution in England 28 Flanellweber aufgrund ihrer prekären sozialen Situation als Ausweg aus ihrem tiefen Elend eine Genossenschaft für Industriearbeiter gründeten. Die Gründungsdokumente zeigen, dass Idee und Grundsätze einer Genossenschaft den heutigen Prinzipien nach wie vor entsprechen und „genossenschaftliche Werte von zeitloser Eleganz sind“, wie Pomper resümierte.

Ohne die Unterstützung der Politik sei es gelungen, soziale Leistungen für die Mitglieder der Genossenschaft zu erreichen. So hatten die Rochdale-Pioniere Errungenschaften wie das Frauenwahlrecht, einen Mindestlohn, Firmen­pensionen, soziale Arbeitsbedingungen, einen 8-Stunden-Arbeitstag oder ein Rückkehrrecht nach Kriegseinsätzen für ihre Mitglieder eingeführt. 

„In Genossenschaften lässt sich das vereinen, was unvereinbar scheint“, fasste der Revisor und Ko-Autor des Buches „Self-Help by the People – Lesebuch anlässlich 175 Jahre Redliche Pioniere von Rochdale“ zusammen. Oberstes Leitprinzip sei heute wie damals der Förderauftrag, und allen Genossenschafts-Gründern sei es ein Anliegen gewesen, einen gesunden Mittelstand zu fördern, so Pomper.  

Manuela Monsberger
Manuela Monsberger © Sabine Klimpt

Gelebte Mitgliederförderung

Am Beispiel von Raiffeisen Mittelkärnten erläuterte Manuela Monsberger, Leiterin Kommunikation, Vertriebsmanagement und Digitalisierung, wie in der größten Raiffeisenbank Kärntens Genossenschaft mit Leben erfüllt wird.

Mit einer Teilnehmerzahl von 500 bis 600 Funktionärinnen und Funktionären bei den Generalversammlungen sieht Raiffeisen Mittelkärnten dieses Instrument nicht nur als „gelebte Mitgliederförderung“, sondern nutze die Veranstaltung auch für ihr eigenes Marketing: „Kommunikation und Vernetzung mit unseren Mitgliedern, Funktionären, Mitarbeitenden und Kunden wird bei uns großgeschrieben. Das ist das Um und Auf für unseren erfolgreichen Weg. Bei uns gibt es nur ein Wir und ein Uns,“ betonte Monsberger.

So seien die ehrenamtlich tätigen Aufsichtsräte dafür verantwortlich, Genossenschaftsthemen in die Bank einzubringen. Die Funktionäre wiederum seien wesentliche Botschafter in den Regionen und die Mitglieder bestimmen aktiv die Geschicke der Genossenschaft. Im Zentrum der Kommunikation nach innen und außen seien aber die Mitarbeitenden, die – neben Vorstand und Aufsichtsrat – ebenfalls Gastgeber bei der Generalversammlung seien. Auch in der neuen Marketing-Serie stehen die Mitarbeitenden im Vordergrund.  

Sophie Freynhofer
Sophie Freynhofer © Sabine Klimpt

Best Practice

Die mit dem Raiffeisen Genius Award des ÖRV prämierte Gesundheits-Genossenschaft „APCA – Austrian Primary Care Association“, die Österreichische Vereinigung für Primärversorgung, eHealth und Telemedizin, will im Bereich der Primärversorgung neue Akzente setzen, wie Obmann-Stv. Sophie Freynhofer erläuterte. Sogenannte Primärversorgungseinheiten (PVE) stellen eine neue Organisationsform für eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung dar. Dabei arbeiten in einer PVE mehrere Allgemeinmediziner und Menschen in verschiedenen Sozial- und Gesundheitsberufen eng in einem Team zusammen. Durch die umfassende Versorgung unter einem Dach bilden PVE eine starke Säule der Gesundheitsversorgung in der Region.

Allerdings stoße das Konzept der PVE auch an seine Grenzen. So fehle es in Bereichen wie Digitalisierung und eHealth oftmals an Wissen und kleinere Einheiten hätten zu wenig Ressourcen, um bei innovativen Projekten mitzuwirken. Genau hier setze APCA an: Die Gesundheits-Genossenschaft sieht sich als Mittelweg zwischen Interessensvertretung, Berufsverband und Innovationsberatung und wolle Umsetzungspartner zur Realisierung von komplexen Digitalisierungsprojekten sein. „Wir machen moderne Primärversorgung sichtbar und vernetzen unsere Mitglieder. Damit heben wir die Versorgungsqualität“, beschreibt APCA-Vorstandsmitglied Freynhofer die Zielsetzung der Genossenschaft. 

Monika Voglgruber
Monika Voglgruber © Sabine Klimpt

Alles ist Kommunikation

„Man kann nicht nicht kommunizieren“, zitierte Monika Voglgruber, Leiterin der Kommunikationsabteilung der Raiffeisen Ware Austria (RWA), den Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Denn Kommunikation sei wie Verhalten und genauso, wie man sich nicht nicht verhalten könne, könne man nicht nicht kommunizieren. Kommunikation passiere demnach verbal, nonverbal, schriftlich oder virtuell und funktioniere grundsätzlich in der Region nicht anders als weltweit, so Voglgruber. In der internen wie externen Kommunikation von Organisationen gelte, dass „persönliche Kommunikation durch nichts getoppt werden kann“, betonte die Kommunikationsexpertin. 

Als Grundsätze der Kommunikation sieht Voglgruber fünf Prinzipien: Ein Bild nach außen gemäß einem einheitlichen Wording und Image des Unternehmens, stets im Kommunikationsmix denken, intern vor extern kommunizieren, die Wechselwirkung zwischen interner und externer Kommunikation im Auge behalten sowie auf verschiedene Szenarien gut vorbereitet und vor allem abgestimmt zu sein. „Mir geht es immer darum, die Balance zwischen zu wenig und zu viel Kommunikation zu finden“, fasste Voglgruber zusammen, bevor sie den Teilnehmenden am Funktionärsforum die Instrumente der Medienarbeit und die Gestaltung einer Pressemitteilung erläuterte.

Bruno Nestler
Bruno Nestler © Sabine Klimpt

Geopolitische Zeitenwende

Einen Überblick zur weltpolitischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf Europa und Österreich gab der Oberst i.R. Bruno Nestler vom Center für Strategische Analysen. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, der die Zukunft von Organisationen wie UNO, IWF, WTO oder Weltbank in Frage stelle, dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der in Europa zu einer „multiplen Krise“ geführt habe, einem beim BRICS+Gipfel sichtbaren „Antiamerikanismus“, einer „De-Dollarisierung“ durch einen steigenden Einfluss Russlands und Chinas im globalen Süden sowie einer EU, die versuche, mehr Autonomie zu bekommen, sei eine globale Zeitenwende eingeläutet worden. 

„Alles läuft auf ein konfrontatives multipolares System ohne zentrale Ordnungsmacht und allgemein verbindliche Ordnungsprinzipien zu“, fasste Nestler zusammen. Nationale Interessen und persönliche Ambitionen stünden zunehmend im Vordergrund. Nur noch
8 Prozent der Weltbevölkerung lebten in einer vollständigen Demokratie, zitierte der Sicherheitsexperte aus dem jüngsten Demokratie-Index. „Diese aktuelle Situation mit einer systemischen Konkurrenz von Demokratie und Autokratie und einer neuen Weltordnung dürfte 20 Jahre dauern“, so Nestler. Die Kriegsführung sei hybride geworden und geprägt von KI, Migration und Desinformation, ein neues Kriegsbild mit Drohnen, Satelliten und Hyperschallwaffen habe sich etabliert. Für die EU sei nun Zusammenhalt entscheidend. Aber wenngleich mehr Kooperation und Investitionen in die Rüstungsindustrien notwendig wären, so stünden derzeit die Themen Wettbewerbsfähigkeit und Klimawandel im Vordergrund, so der Experte. 

AusgabeRZ48-2024

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