Kärntner Konjunkturforum: Neue Wege mit Künstlicher Intelligenz 

Die zahlreichen Facetten des Wirtschaftens von morgen wurden heuer beim 31. Konjunkturforum der Kärntner Raiffeisenbanken vor den Vorhang geholt. Die neue Technologie verspricht dabei vor allem Effizienzsteigerungen, „ein Flaschengeist“ ist sie aber nicht.

Den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) widmete sich heuer das traditionelle Kärntner Raiffeisen Konjunkturforum, das zum 31. Mal in Velden stattfand. „Die Künstliche Intelligenz kann vieles ersetzen, nicht aber den persönlichen Austausch“, betonte Manfred Wilhelmer, Vorstandssprecher der Raiffeisen-Landesbank Kärnten. Das Thema KI sei in der Wirtschaft bereits angekommen, je nach Wirtschaftszweig seien die Möglichkeiten allerdings sehr unterschiedlich. „Im Bankenbereich zeigen Analysen, dass 65 Prozent unserer jetzigen Prozesse zukünftig durch KI optimiert werden können“, so Wilhelmer. 

Gerade bei der Analyse großer Datenmengen gäbe es viel Potenzial, um das Kundenverhalten besser zu verstehen und letztendlich maßgeschneiderte Angebote zu schnüren. Außerdem könne das Erkennen auffälliger Verhaltensmuster das Betrugsrisiko minimieren und in der IT helfe die neue Technologie, Ausfallwahrscheinlichkeiten besser zu berechnen. „Es sollte nicht passieren, dass Sie zukünftig vor einem Geldautomaten stehen, der nicht funktioniert“, nannte Wilhelmer ein Beispiel.

Gleichzeitig machte der RLB-Vorstandssprecher darauf aufmerksam, dass die KI nur so gut sein könne, wie die Daten, die man ihr zur Verfügung stelle. „Wichtig ist dabei, dass Menschen die Entscheidungen treffen und nicht die KI. Sie soll nur unterstützen“, strich der Banker hervor. Für Raiffeisen sei die KI eine Möglichkeit, die Zukunft aktiv mitzugestalten. „Denn nur so können wir unsere Position als innovative, kundenorientierte Bankengruppe auch behaupten“, sagte Wilhelmer. 

RLB-Vorstandssprecher Manfred Wilhelmer eröffnete das Konjunkturforum mit Einblicken in die Bankenwelt.
Manfred Wilhelmer © RLB Kärnten/Traussnig/KLZ

„KI führt Befehle aus“

Einen Überblick über die neue KI-Welt gab der ehemalige Managing Director von Google-Deutschland, Digital-Unternehmer und Futurist Christian Baudis in seiner Keynote-Rede. Manchmal habe man das Gefühl, dass die KI als „ein Flaschengeist“ wahrgenommen werde, der allerlei Wünsche erfüllen soll und kann. Dieses Bild rückte Baudis zurecht: „Den Flaschengeist gibt es aber nicht. KI hat viel mit Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu tun. Der Unterschied zu früher ist, dass es in Sekundenschnelle geht.“ Dabei nahm Baudis die Teilnehmer „in den Maschinenraum“ der KI mit und verdeutlichte, wie die neue Technologie funktioniere.

Im Grunde arbeite sie mit statistischer Auswertung, die Menschen bereits seit tausenden Jahren praktizieren. „Die KI ist deswegen noch lange nicht kreativ, sie macht nichts anderes, als einen Befehl auszuführen“, bringt es der Münchner auf den Punkt. Der Unterschied sei, dass man Analysen, für die man früher Wochen und Tage gebraucht hat, nun auf Knopfdruck bekommen kann. „Deswegen verändert sich aktuell auch so wahnsinnig viel“, erläuterte Baudis.

Generative KI als Gimmick

Die generative KI wie ChatGPT hält Baudis volkswirtschaftlich gesehen „für einen Gimmick“. Diese Anwendungen seien faszinierend und sparen sicherlich „die eine oder andere Stunde Zeit“, aber sie werden „nicht so relevant sein, dass man damit massive Gewinne einfahren“ könne. Viel mehr Einsatzmöglichkeiten verspricht sich der Experte von Sensorik, Echtzeitinformation oder von der Analyse großer Datenmengen, um Prognosen zu erstellen, wann zum Beispiel eine Maschine kaputtgehen dürfte.

Wie KI funktioniert, beschrieb Baudis anhand einer Gesundheits-App, die selbstgemachte Bilder von Hautveränderungen mit einer riesigen Bilddatenbank von Hautkrebs strukturell vergleicht. Je nach Ausformung der Hautveränderung kann die App statistisch die Wahrscheinlichkeit von Hautkrebs berechnen und empfiehlt dem Nutzer bei Verdachtsfällen einen Arztbesuch. Davon könnte das Gesundheitssystem enorm profitieren. Denn: Baudis zufolge müssten 80 Prozent der Krankheiten nicht von einem Arzt behandelt werden. Mit KI könnte also die Effizienz auf ein neues Level erhöht werden. 

Keynote-Speaker Christian Baudis zeigte die facettenreichen Einsatzmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz.
Keynote-Speaker Christian Baudis © RLB Kärnten/Traussnig/KLZ

Europa bei Sensorik top

Aktuell sei Europa im Vergleich zu China und den USA im Hintertreffen. Aber man könne das schnell ändern, wenn man dem systematischen Abwerben der Talente entgegentrete, ist der Münchner überzeugt. Was viele nicht wissen: Europa ist im Bereich Sensorik schon jetzt weltweit an der Spitze – unter anderem mit dem deutschen Halbleiterhersteller Infineon, der auch in Villach präsent ist. Infineon Austria ist nicht nur Anbieter von KI-Lösungen, sondern setzt diese selbst zur Produktionssteigerung und Fehlervermeidung ein, verriet Infineon-Bereichsleiter Daniel Valtiner im abschließenden Expertentalk.

Auch bei der Springer Maschinenfabrik und bei der Kärnten Werbung ist KI nicht mehr wegzudenken – sei es zur Holzklassifizierung oder aber in Form eines Chat­bots, der rund um die Uhr Fragen in mehreren Sprachen beantwortet. Und auch in der Steuerberatung können wiederholende Arbeitsprozesse mittlerweile digitalisiert werden, wie Unternehmerin Christiane Holzinger darlegte.

„Kraftloser Aufschwung“

Auch in der gesamtwirtschaftlichen Prognose spielt die Datenanalyse die wesentliche Rolle. Und da sieht es nach einem „graduellen Wirtschaftsaufschwung ab der zweiten Jahreshälfte“ aus, erklärte Gunter Deuber, Raiffeisen-Chefanalyst und Leiter von Raiffeisen Research. Dennoch bleibe das wirtschaftliche Umfeld insgesamt schwierig, auch die Eurozone dürfte heuer nur marginal um 0,5 Prozent wachsen. „Es ist das schwächste Wachstum seit der Eurokrise 2011 bis 2013“, so Deuber. Auch Österreich stehe mit einem erwarteten BIP-Plus von 0,2 Prozent ein „kraftloser Aufschwung“ bevor. Für 2025 erwartet der Analyst eine moderate Erholung, mittelfristig werde man aber wohl leicht unter dem Potenzialwachstum bleiben. 

Raiffeisen-Chefökonom Gunter Deuber analysierte das aktuelle Zins- und Konjunkturumfeld.
Raiffeisen-Chefökonom Gunter Deuber © RLB Kärnten/Traussnig/KLZ

„Wir haben mittlerweile etwas zu viel Wachstum mit unseren sehr konjunkturstimulierenden Maßnahmen – Stichwort Überförderung – erkauft“, erläuterte Deuber mit Blick auf die hohe Inflation, die nun auch von den hohen Lohnabschlüssen getrieben werde. In Österreich lag diese zuletzt bei 4,3 Prozent und damit noch immer weit über dem Schnitt der Eurozone von 2,8 Prozent. In den Wirtschaftsbereichen mit hohen Preissteigerungen gäbe es kaum reale Wertschöpfung. Denn es gilt nach wie vor, dass Inflation Wachstum fresse. Derzeit baue man sich die Inflation und den Lohndruck der nächsten Jahre auf, warnte Deuber unter Hinweis auf die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandortes. Gleichzeitig strich er aber hervor, dass die steigenden Löhne und damit die erwarteten Konsumausgaben die Konjunktur in diesem Jahr anschieben sollten, was auch notwendig sei.

Nachdem sich die Energiepreise stabilisiert haben und sie keine Konjunkturbremse mehr sind, gibt es dem Finanzexperten zufolge aktuell vor allem einen Problemsektor – die zinssensitive Bau- und Immobilienwirtschaft. Vor allem der Immobiliensektor leide an der Leistbarkeit, die lange Zeit durch niedrige Zinsen abgesichert wurde. Das von der Bundesregierung in Aussicht gestellte zeitlich befristete Hilfspaket für diese beiden Wirtschaftsbereiche hält der Ökonom für zielführend, um die Leistbarkeit von Immobilien zu verbessern. 

Eine leichte Entspannung könnte die Geldpolitik ab dem Halbjahr mit den ersten Zinsschritten nach unten bringen. „Wir erwarten bis zum Jahresende den Einlagezinssatz bei 3,25 Prozent“, so Deuber. Aktuell liegt dieser Satz, zu dem Geld, das Banken bei der EZB einlegen, verzinst wird, bei 4 Prozent. 2025 sollte dieser dann in Richtung 2,5 Prozent und damit etwas über dem EZB-Ziel von etwas unter 2 Prozent zum Liegen kommen. „Das ist ein solides Zinsumfeld, aber erwarten Sie nicht deutlich mehr Zinssenkungen“, so Deuber.

AusgabeRZ12-2024

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